32. CHICAGO-MARATHON, 11. Oktober 2009
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AUFBAUKÄMPFE
Sonnenwendlauf Bonames (10 km), 18.6.09
Stierstädter Halbmarathon, 12.7.09
Karbener Halbmarathon, 9.8.07
Koberstädter Waldmarathon (Halbmarathon), 30.8.09
Hugenottenlauf Neu-Isenburg (Halbmarathon), 20.9.09
STRECKE ¤ VORBEREITUNG ¤ MARATHON ¤ STATISTIK ¤ BILDER
Es war einmal an einem kalten Morgen in Amerika...
 
Im September 1905 erfunden, belebte der Aufschwung der Cityläufe Mitte der Siebzigerjahre auch den Marathon von Chicago wieder. Mit dem Kampf über die 26 Meilen wurde das „Tor zum Wilden Westen“ auch zur „Running Capital of the World“. Das waren noch Zeiten... Heute ist Chicago eines der fünf Monumente des Marathonlaufs, Teil der „World Marathon Majors“. Läufer aus über hundert Ländern werden jedes Jahr erwartet. Wegen seiner flachen Strecke ist das Rennen besonders schnell. Berühmt ist die „Windy City“ aber auch durch ihre enthusiastischen Zuschauer, die dem Kampf einen ungeheuren Nervenkitzel verleihen. Durch den Verzicht auf Rahmenwettbewerbe ist Chicago einer der letzten reinen Marathons der Welt. Das Rennen ist offen, es gibt keine Normen, die 45
 000 Startnummern sind im freien Verkauf und gehen nach dem Windhund-Prinzip weg. Ein halbes Jahr vorm Start war das Spektakel ausgebucht. Über die Reiseagentur „interAir“ konnten wir zwei von dreißig Plätzen ergattern. Pro Person kostete die Reise in den Mittleren Westen der USA rund 1600 Euro, wovon 145 Euro für die Startnummer hinzublättern waren. Für die Vertreter des Sternenbanners war Chicago 2009 ein nationaler Ausscheidungskampf für Olympia 2012 in London.
 
„Chilaga“ und „Checaugou“, wie das Marschland von den Indianern einst genannt wurde, sollte für Peanut und mich nicht nur zur längsten Marathonreise, sondern auch zum letzten großen Trip überhaupt werden. Wir haben unsere Spuren in London, Boston, Berlin und New York City hinterlassen, mit Chicago waren die „World Majors“ vollendet. Die Erinnerungen sind unsterblich. Und für Peanut erfüllte sich in Chicago der amerikanische Traum.....
 
.:: DIE STRECKE ::.
Chicago stand immer für einen superschnellen Kurs, der Zeitenjägern wie auf den Leib geschnitten ist. Neben dem flachen Stadtgelände mit seinen kerzengeraden, glatten Straßen, trägt auch die Startzeit bei, die im Herbst und 2009 im Morgengrauen um 7.30 Uhr festgesetzt war. Damit entkam Chicago hohen Temperaturen. Auf dem Weg zwischen dem Start und Ziel im Grant Park am Ufer des Michigan-Sees liegen etliche Sehenswürdigkeiten, darunter die Hochbahn Loop, der Lincoln Park Zoo, der White Sox Ballpark und der ehemals höchste Wolkenkratzer der USA, der Willis Tower. Von den mehr als 180 „Neighborhoods“ (Vierteln) unterschiedlichster Couleur, wurden 29 durchquert - von der New Eastside ging es u.a. durch die Streeterville, den Loop, Lakeview, Greektown, Little Italy, Pilsen, Chinatown und den Gap. Durch den sich teils im Abstand von nur wenigen Blocks zueinander mäanderten Kurs bekommen die Zuschauer die Läufer häufiger hautnah zu sehen. Anderthalb Millionen spornen die Marathonis zu Höchstleistungen an. Vier Weltrekorde wurden bislang aufgestellt, zuletzt 2002 einer durch Paula Radcliffe:
 
1984 - Steve Jones (Großbritannien) 2:08:55
1999 - Khalid Khannouchi (USA) 2:05:42
2001 - Catherine Ndereba (Kenia) 2:18:47
2002 - Paula Radcliffe (Großbritannien) 2:17:18
 

Virtuelle Streckenführungen
Interaktive Kursmappe
Kursvideo im Eiltempo
 
.:: DIE VORBEREITUNG ::.
Gemeinsam bereiteten wir uns auf die beiden letzten großen Kämpfe in unserem Marathonleben vor: Peanut gegen eine Zeit über der Vier-Stunden-Marke und ich gegen eine Zeit mit einer „3“ vorm Doppelpunkt. Unsere Pläne zum „Unternehmen Sub 3 / Sub 4“ erstreckten sich über 17 Wochen.
 
Kraftbimsen,
Tempoläufe
Temopdauerläufe,
Lange Läufe,
Hügelläufe,
Regenerationsläufe:
Das war alles wie immer.
Zur Kräftigung der Sehnen unternahmen wir zusätzlich
Barfußläufe.
 
Dazu hatten wir uns
5 Aufbaukämpfe
vorgenommen: einen 10-Kilometer-Lauf und vier Halbmarathons.
 
Woche 1 bis 5
verliefen nach Nike´s 17-week Chicago Marathon Training Program, das vom Chicagoer Übungsleiter Hadfield erstellt wurde. Die Inhalte waren „Easy runs“ (Läufe mit spielerischem Charakter), „Pick-ups“ (Intervalle), „Moderate/At marathon pace runs“ (Tempodauerläufe) und „Cross/Cardio-trainings“ (nicht-läuferische Aktionen).
Woche 6 bis 17 verliefen nach den Kampfrastern des Greif-Clubs. Peanut machte fünf Trainings pro Woche (T5Z), ich gehörte zu den Täglichläufern (T7Z).
 
 
Die CHRONOLOGIE vom 15. Juni bis 11. Oktober:
 
 
1. Wo. (101 km): Vom Himmel durch die Hölle und wieder zurück (oder vom Paris-Marathon durch einen zerstörerischen Sommer zurück zum Sport)...
 
.:: DER 1. AUFBAUKAMPF ::.
 
5. SONNENWENDLAUF RUND UM DEN ALTEN FLUGPLATZ BONAMES, 18.6.09
(10 km)
Licht oder Finsternis?
 
Nach zehn Wochen reich an Sänden war der Mittsommerlauf der erste Schritt im Unternehmen „Sturm auf Windy City“. Ab sofort wollten wir wieder mit klaren Gedanken und Absichten durchs Leben streben... Traditionell führte das im Norden Frankfurts beheimatete Rennen vom ehemaligen US-Hubschrauberlandeplatz Bonames längs des Flußes Nidda in die Riedwiesen, von dort auf dem Südufer zum Nordpark, und von hier zurück auf die Landebahn in Bonames. Mit zwei nicht unwichtigen Änderungen: Der Start erfolgte nicht mehr auf der Landebahn, sondern im Gras der Niddaauen. Und: Auf dem Schlußkilometer war ein Treppensteg über den Kalbach ein zweites Mal zu überqueren. Damit war die Runde von vornherein langsamer. Dazu kamen sengende Hitze und die späte Startzeit.
 
Aber das Rennen war nur Mittel zum Zweck. Peanut, die heute Geburtstag feierte, sollte sich nach dem Wettkampf über die zehn Kilometer mit einem zusätzlichen Heimlauf über acht Kilometer entlang der Nidda beschenken. Ich selbst konnte mir schon auf dem Hinweg ausgiebig die Beine warm laufen. Damit bestand der Sonnenwendlauf für mich aus acht Kilometer Anschwitzen, zehn Kilometer Hetzjagd, und acht Kilometer Ausschwitzen. P. landete immerhin auf dem vierten Rang bei den Agegroupern.
 
Auf dem Landeplatz gab´s ein Wiedersehen mit dem Frankfurter Rauschenberg, der zu unserer Läufergruppe in New York 2008 zählte. Damals hatte ich Rauschenberger lang gemacht. Heute schlug er mich trotz kürzlich ausgekugelter Schulter um zwei Minuten...
 
Dank
Dem Ausrichter für die äußerst reichhaltige und gesunde Bewirtung bei nur vier Euro Startgeld!
 
 
ZAHLEN UND ZEITEN
 
Wetter: bedeckt, 24ºC, mäßiger Wind
 
Teilnehmer im Ziel: 246 (10 km, 5 km, NW)
10-km-Läufer im Ziel: 145 (M: 102 / W: 43)
 
Männer
1. René Freisberg (Kelkheim) 35:57
2. Stefan Unger (Griesheim) 36:01
3. Christoph Hennemann (Wiesbaden) 36:44
15. Kampfläufer Vitus (Frankfurt) 42:25 (6. M40, 15. Gesamt)
 
Frauen
1. Christiane Hofer (Frankfurt) 47:46
2. Aneke Schüder (Babenhausen) 47:55
3. Angela Hartwig (Frankfurt) 50:56
10. Peanut (Frankfurt) 55:31 (4. W40, 84. Gesamt)
 
Ergebnisse
Team Endzeit
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2. Wo. (141 km): Im DDR-Radsport der Siebzigerjahre wurde uns immer „Trinken ist ein Zeichen von Schwäche“ eingebleut. Um die Ausdauer zu stärken, verzichteten wir weitgehend auf die Flüssigkeitsaufnahme. Im Nachhinein: eine zweifelhafte Regel. In Abwandlung folgte ich nun als Marathonläufer jedoch dem Leitsatz „Essen ist ein Zeichen von Schwäche.“ Speziell beim Laufen, wo mit jedem Schritt das gesamte eigene Körpergewicht bewegt werden muß, kann nur der Leichte ein guter Läufer sein. Ab sofort esse ich 1. für einen guten Stoffwechsel abends keine Kohlenhydrate mehr, und 2. dusche ich eiskalt, um so zusätzliche Kalorien zu verbrennen und Infekionen zu hemmen. - Mit zwei Einheiten jenseits der 30 Kilometer war ich im Tunnel nach Chicago.
 
3. Wo. (142 km): Seit ich nicht mehr in der geschlossenen Welt einer Denkfabrik arbeite, habe ich eine innige Beziehung zu einer Dame, die eigentlich schon immer da war. Sie gibt mir Halt, Trost und Inspiration, die Einsamkeit und Mühen vom Morgen bis zum Mittag durchzustehen. Ihr Duft und ihre Genügsamkeit bestärken mich, überhaupt noch weiterzumachen. Die Dame heißt Natur. Dazu halten sportbezogene Bücher die Moral hoch. Zum einen der alte Geist des Radsports in Dresden durch „Tandem mit Kettmann“ und „7 Jahre eines Rennfahrers“. Zum anderen Thoreaus Daseins-Experiment „Walden - Leben in den Wäldern“, das in Massachussetts entstand und die Erinnerungen an den Boston-Marathon weckte.
 
4. Wo. (113 km): Ab Juli übte ich Enthaltsamkeit. Klare Kante für die nächsten 14 Wochen! Es folgte die erste von vier Halbmarathon-Prüfungen:
 
.:: DER 2. AUFBAUKAMPF ::.
 
25. INT. STIERSTÄDTER KERBELAUF, 12.7.09
(Halbmarathon)
Freier Blick auf Frankfurt
 
Aus der Ferne ähnelt Frankfurts Hausberg, der Feldberg, einem sanften, ebenförmigen Hügel. An seinem Südhang findet während der größten Zeltkirmes weit und breit jährlich das Stierstädter Kirmesrennen statt. 2009 zum 25. und vermeintlich letzten Mal. Es war die erste Teilnahme für Peanut und mich. Mit Achim W., dem unermüdlichen Langhaarigen vom „Runtime Error Team“ Passtschon 98, war auch ein lange Verschwundener neu aufgetaucht. Wir redeten Minuten vorm Start auf dem Parkplatz paar Worte zusammen.
 
Für den Halbmarathon waren zwei Runden zu absolvieren. Die erste führte von der Sportfreianlage Stierstadt durch den Ortskern erst in Richtung Norden nach Oberursel. Auf das Telekom-Hochhaus gestoßen, verlief die Route darauf entlang der Taunusbahn bis zur südlichen Wendeschleife am Fasanenhof. Nach einem Panoramablick auf die Wolkenkratzer Frankfurts ging es - nun den Feldberg vor Augen - nach Westen über Korn- und Runkelrübenfelder und den Aussiedlerhof „Sonnenhof“, und nach einem Anstieg durch den Steinbacher Wald wieder runter zum Start. Damit waren 14 Kilometer geschafft. Die zweite Runde maß nur noch 7 Kilometer und beschränkte sich auf den Abschnitt zwischen den Bahnhöfen Stierstadt und Weißkirchen und den Fasanenhof. Nach einer Umrundung des Sonnenhofs ging es den letzten Kilometer rasend in den Zielort. Neben einigen ungesicherten Straßen, überwiegend jedoch auf Feld- und Wirtschaftswegen verlaufend, waren 233 Höhenmeter zu überwinden. Keine brutalen Rampen, vielmehr zähe, lange Steigungen. Zudem wehte ein Lüftchen über die weite Ebene zwischen dem Taunus und der Geldstadt.
 
Die Höhenmeter, das frühe Trainingsstadium und einige körperliche Ungereimtheiten berücksichtigend, wäre ich mit einer Zeit unter 1 Stunde 30 hochzufrieden gewesen. Das Rennen verlief aber unerwartet gesund und entspannt. Nach Verlusten und wieder Raumgewinnen rangierte ich nach 1:26 Stunden auf Gesamtplatz 13 unter 177 Halbmarathonläufern. Peanut wurde nach für sie zu forschen ersten zehn Kilometern (in 52 Min.) von Unwohlsein und Übelkeit gepeinigt. Sie fing sich aber und holte nach 1:54 Stunden einen Pokal für den 2. Platz in ihrer Klasse. Dabei wurden ihre letzten Meter hinauf zum Sportplatz durch mich und die szenebekannte Frau Werwolf zur selben Zeit nahezu deckungsgleich in Pixel gebannt.
 
Schon zu früher Mittagsstunde war diese Aktion für uns beendet. Während in Stierstadt nun Musikzüge, Kerbeburschen, Kerbemädchen, Blasmusik, Frühschoppen und ein Höhenfeuerwerk auf dem weiteren Programm standen, konnten wir vom heimischen Sofa aus die Tour de France in den Serpentinen hinauf zum Tourmalet verfolgen.
 
Zu guter Letzt...
... hatte Peanut überhaupt nicht mit einem Platz unter den Ersten gerechnet. Folglich sind wir ohne die Ehrungen abgezogen. Den ausgesetzten Pokal habe ich acht Tage nach dem Rennen bei „Vater“ Leber in Stierstadt abgeholt. Leber war 1981 Beteiligter beim 1. Frankfurt-Marathon, hatte seine Bestzeit aber erst zwei Jahrzehnte später - als 47jähriger - aufgestellt (2:52 Stunden).
 
 

ZAHLEN UND ZEITEN
 
Wetter:
stark bewölkt mit Regentropfen, 21ºC, mäßiger Wind
 
Teilnehmer im Ziel:
349 (HM, 10 km, 5 km, 2,5 km, Handradfahrer)
Halbmarathonläufer im Ziel: 177
 
Männer
1. Rainer Hett (Oberursel) 1:17:39
2. Björn Grunwald (Hollage) 1:18:13
3. Michael Grupp (Frankfurt) 1:19:06
13. Kampfläufer Vitus (Frankfurt) 1:28:04 (10. M40, 13. Gesamt)
 
Frauen
1. Gabi Hoffmeister (Darmstadt) 1:33:25
2. Renate Baum (Frankfurt) 1:36:29
3. Caroline Volz (Steinbach) 1:38:32
14. Peanut (Frankfurt) 1:54:53 (2. W40, 131. Gesamt)
 
Ergebnisse

TV Stierstadt 1891
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5. Wo. (140 km): Nach einem Jahr im Aus war ich im Teufelskreis. Frei wie der Wind konnte ich meine Passion für Marathon voll ausleben. Das war gut für Chicgo - aber Gift für die Seele. Denn ohne Aufmerksamkeit und Werbevertrag läßt sich mit Laufen kein Pfennig verdienen (höchstens ein Schluck Wasser am Erfrischungsbrunnen oder die Beeren am Wegesrand). Und mit jeder Woche, die ich die Erwerbswelt zugunsten Chicagos aufgab, sank die Aussicht auf eine Rückkehr in selbige. Wie ein tintenschwarzer Ozean lasteten die Gedanken an den Morgen auf mir. Gedanken an eine Zukunft, wie ich sie mir überhaupt noch nicht vorstellen konnte - so voll von Hoffen und Verzweiflung, Ohnmacht und Kampfwille... Mit einem vierstündigen Martyrium über die 40-Kilometer-Runde nahm das Drama Formen an. Aber das Unternehmen war nun nicht mehr zu aufzuhalten, wir standen auf der Startliste, und wenn nicht diesjahr, würden wir die Windy City nie sehen. Das war der Preis des Ruhms! „Ich komm nie mehr! Ich bin in Chicago, in Chicago, irgendwo, wo mich keiner kennt...“ Von den restlichen Aufbaukämpfen wird es Kurzberichte geben. Die Tagebuchaufzeichnungen enden an dieser Stelle.
 
6. Wo. (154 km).
 
7. Wo. (131 km): Unser Start beim Halbmarathon in Oestrich-Winkel am 2. August mußte wegen einer Oberschenkelverletzung ausfallen.
 
8. Wo. (126 km):
 
.:: DER 3. AUFBAUKAMPF ::.
 
20. KARBENER STADTLAUF, 9.8.09
(Halbmarathon)
Runder Geburtstag mit viel Tamtam, Kungelei mit dem Mammon und Steinernen Krügen
 
„Du bist fast wie Jesus“, hatte Peanut mich bewundert. Nachdem ich die ganze Vorwoche mit einer starken Zerrung aussetzen mußte, war ich durch Blitzheilung am achten Tag schon wieder fast beschwerdefrei. Eine Härteprüfung am Donnerstag gab grünes Licht: Am Sonntag sind wir nach Karben gefahren.
 
Zum zwanzigsten Male lag die Kleinstadt in der Wetterau im Lauffieber. Alles war beseelt vom neuen Jedermannslauf und dem Einsatz des Zeitmeßsystems Bib-Chip, von einem Apparat aus über 80 Mitgliedern, Posten und Helfern, von Reklame und Beschallung, von Tombola, Gastro- und Händlerbuden sowie einer Tanz- und Show-Turngruppe auf dem Sportfeld des KSV. Neben allerlei Klamauk zeigte auch der Mammon sein Gesicht. In Sachen Startgeld nie gnädig behandelt, mußte der Nachmelder diesmal eine Kröte von zwölf Euro schlucken. Unterstützt wurde die Sache dazu erstmals durch die Brauerei Pfungstadt, der Krankenkasse „Unternehmen Leben“ und Hessens größter Apfelkelterei! Als Gegenleistung warteten unterwegs aber nur vier Tische mit blankem Wasser, dazu gab´s ein Teilnehmerhemd. Die Massage im Ziel erwies sich als Mogel für den noch mal ein Zehner fällig wurde. Verdrießlich auch das Gedränge in den Umkleidekabinen, die sich Fußballer und Läufer teilen mußten. Versportung an allen Ecken und Enden, und Geldschwund in dunklen Kanälen...
 
Vergeblich hatten wir auf den signalisierten Regen gehofft. Es war feuchtwarm und windig. Ich selber hatte seit Tagen wenig geschlafen, und ein Rockkonzert von Earthless steckte uns beiden noch in den Gliedern. 742 markierten aber einen neuen Spitzenwert an Meldern. Die Strecke führte unverändert von der Uhlandstraße über das Günther-Reutzel-Sportfeld, über die Nidda, einen extra von der Stadt frisch planierten (!) Wirtschaftsweg, dann durchs Gewerbegebiet Süd zum Bahnhof Groß-Karben, und über den Breul zum Klein-Kärber Rathaus. Das größte Sportereignis der Wetterau endete mit dem Sieg des Mitteldeutschen Zschocke in 81 Minuten. Einsam auf der sechsten Stelle laufend, folgte ich als Erster der Masters in 88 Minuten. Peanut hatte gleich am Start wertvolle Sekunden versiebt (die elektronischen „Gates“ standen im Ziel, nicht jedoch am Start: Team Endzeit sprengte den Etat), und die 21,1 Kilometer knapp über 1:54 Stunden beendet. Insgesamt 251 Halbmarathonläufer sahen den Strich. Wegen der Ohnmacht eines Zuschauers mußten Sankas anrücken.
 
Nachträgliche Ehrung:
Da lange nach Zielschluß weder von einem „Ergebnisbläddsche“ (Ergebnisliste), geschweige denn einer Ehrung die Spur war, sind wir ohne „Bembel“ (blaugrauer Apfelweinkrug) abgereist. Meine Belohnung habe ich zwei Tage später am Haus der Organisationschefin in Karben bekommen. Ich bin am Dienstag extra mit dem Rad noch mal in die Wetterau gefahren.
 
 

ZAHLEN UND ZEITEN
 
Wetter:
Sonne und Wolken, 25ºC, leichter Wind
 
Teilnehmer gemeldet:
742
Teilnehmer im Ziel:
647 (HM, 10 km, 5,4 km, 3000 m, 1000 m, 300 m, NW)
Halbmarathonläufer im Ziel: 253 (M: 198 / W: 55 )
 
Männer
1. Sebastian Zschocke (Halle/Saale) 1:21:40
2. Andreas Matthies (Karben) 1:24:24
3. Thomas Olt (Vilbel) 1:24:29
5. Kampfläufer Vitus (Frankfurt) 1:28:09 (1. M45, 6. Gesamt)
 
Frauen
1. Andrea Meuser (Friedberg-Fauerbach) 1:27:32
1. Nathalie Groth (Darmstadt) 1:32:50
3. Joanna Tywczynski (Bad Soden-Salmünster) 1:37:59
25. Peanut (Frankfurt) 1:54:04 (6. W45, 159. Gesamt)
 
Ergebnisse

Team Endzeit
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9. Wo. (162 km).
 
10. Wo. (155 km): „Das darf man keinem erzählen, was ich trainiere!“ Chicagostarterin Peanut, die fürs Training ihren Jahresurlaub opfert, und in jener heißen Augustwoche trotz Schmerzen in den Achillessehnen 108 Kilometer zurücklegte.
 
11. Wo. (117 km):
 
.:: DER 4. AUFBAUKAMPF ::.
 
31. NAT. KOBERSTÄDTER WALDMARATHON, 30.8.09
(Halbmarathon)
Im Wald der Ahnen
 
Die Koberstadt war ein doppelt historisches Unternehmen. Wir bewegten uns auf einem Gelände aus der Eisenzeit. Schon 800 Jahre v.d.Z. hatten in den Wäldern vor Darmstadt Menschen gesiedelt. Es war die Hallstattkultur, die den Ort wegen seiner Erze „Koberstadt“ (Kupferstätte) taufte. Den Hallstättern folgten Kelten und Germanen, ehe Römer die Koberstadt in die Provinz Obergermanien vereinnahmten. Auch ein Heidenkönig soll hier geherrscht haben, bevor er mit Mann und Maus unterging. Historisches bewirkten auch Läufer. 1974, als sie noch als „Spinner“ verspottet waren, hatten „Verrückte“ einen „Nord-Süd-Marathon“ von Erzhausen zur Siegfriedquelle aufgezogen. Der heutige „Koberstädter“ entstand fünf Jahre später, 1979. Auf unserem Weg zum Wettkampf begegneten wir einem Ex-Junkie, der neulich eine Radfernfahrt von Rüsselsheim nach Barcelona unternommen hatte (wo ihm das Rad gestohlen wurde), und der nach zwei cleanen Jahren heute seinen ersten Halbmarathon schaffen wollte.
 
Start und Ziel war die Kampfbahn in Egelsbach. Da im Wald ein Verpflegungsstand gemaust wurde, mußte der Start verschoben werden. Mit reichlich Verspätung brachen um 8.10 Uhr zwei Hundertschaften Marathonläufer zu ihren 42 einsamen Kilometern im finsteren Koberstadtwald auf; die Halbmarathonis folgten 10 Uhr; weitere 15 Minuten später die Erstaustragung des 10-Kilometer-Laufs. Voraus lag eine Strecke, die sich wie ein Triangel um die Grabhügelguppe der Koberstadt legte. Eckpunkte waren dabei Egelsbach, der Mörsbacher Grund bei Kranichstein, sowie das Messeler Falltorhaus nahe der Ausgrabungsstelle Grube Messel. Es ging über Waldpfade mit insgesamt 160 Höhenmetern. Neben dem rauhen Untergrund, der keine Bestzeiten hergab, wehte auch eine herzhafte Brise. Die Strecke war amtlich vermessen, die Zeiten wurden per Champion-Chip ermittelt. Als besonderen Anreiz erhielt jeder im Ziel ein tiefblaues Renntrikot.
 
Parallel zum Koberstädter fanden in Schotten die Hessenmeisterschaften im Halbmarathon statt. Damit war die Spitze schwach besetzt. Trotzdem hatten sich weit über Tausend versammelt. Dabei kamen die Halbmarathonis in das zweifelhafte Vergnügen, als frische und ausgeruhte Unterdistanzler die zuvor gestarteten Marathonläufer zu jagen. Zum ersten Aufeinandertreffen kam es nach drei Kilometern. Da hatten die Marathonis schon deren 24 hinter sich. Ich habe mich unsagbar schäbig gefühlt, die wenigen, versprengten Helden so zu demütigen. Besonders Frauensiegerin Sattler, der ich auf deren 40. Kilometer die Hacken zeigen mußte. Peanut wiederum hing am Start und am Verpflegungspunkt Kilometer 15 im Stau fest. Dazu fiel ihr einer bei der Rückkehr aus den Büschen quer vor den Fuß. Aber das Wichtigste: Ihre tags zuvor dick angeschwollene Achillessehne hatte gehalten! Mit den Ergebnissen waren wir zufrieden. Peanut landete im ersten Viertel der Frauen, ich erreichte die Kampfbahn 5 ½ Minuten nach dem Sieger auf der 16. Gesamtstelle.
 
Dank
An die Sportgemeinschaften Egelsbach und Erzhausen für diese schlichte, handgemachte Geschichte. Die Zuschauer verbreiteten eine tolle Stimmung, und der Kuchen im Zelt suchte seinesgleichen.
 
 

ZAHLEN UND ZEITEN
 
Wetter:
Sonne und Wolken, 20ºC, mäßiger Wind
 
Teilnehmer im Ziel:
1392 (Marathon: 206, Halbmarathon: 1045, 10 km: 145)
Halbmarathonläufer im Ziel: 1045 (M: 791 / W:254)
 
Männer
1. Roland Krefter (Aschaffenburg) 1:19:24
2. Mario Stenger (Klein-Ostheim) 1:21:08
3. Michael Wilker (-) 1:21:26
16. Kampfläufer Vitus (Frankfurt) 1:25:00 (4. M45)
 
Frauen
1. Petra Hartmann (Hergershausen) 1:30:35
1. Gabi Hoffmeister (Darmstadt) 1:30:59
3. Regina Blatz (Bad Soden-Salmünster) 1:31:42
64. Peanut (Frankfurt) 1:53:45 (16. W45)
 
Ergebnisse

Championchip
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12. Wo. (180 km).
 
13. Wo. (161 km).
 
14. Wo. (124 km):
 
.:: DER 5. AUFBAUKAMPF ::.
 
33. INT. HUGENOTTENLAUF NEU-ISENBURG, 20.9.09
(Halbmarathon)
Mit dem Kopf voll Adrenalin durch die Schallmauer
 
Es lag was in der Luft, an jenem Sonntag im September 2009. Während Haile Gebrselassie mit Hilfe der Berliner Luft wieder Weltrekord rennen wollte - nach drei Jahren erstmalig ohne uns, und prompt erfolglos - brannte die Luft in Rhein-Main von Massenaufläufen grundverschiedener Art. An jenem Sonntagmorgen kollidierten in der Enge einer Frankfurter S-Bahn Welten, prallten Sportler und rauhe Gesellen auf Übervölkerung und ethnischen Haß. Während halb Frankfurt heute das Ende seines Fastenmonats feierte, waren Hunderttausende aus aller Welt in die Stadt eingefallen, um auf der Automobilausstellung Autos zu bestaunen; es waren Eintracht-Anhänger zum Heimspiel gegen den Hamburger SV unterwegs, dazu Läufer auf der Anreise zu einem Halbmarathon, sowie einige Freunde und Helfer in Blau. In Neu-Isenburg war der Schalter stande pede umzulegen - von weiser Deckung auf totalen Angriff! Auch ein Wetter lag in der Luft: feuchter Morgendunst mit aufziehendem Unwetter. Zur Sache...
 
Im 17. Jahrhundert in den Wäldern vor Frankfurt von einer französischen Hugenottensekte besiedelt, ist Isenburg heute durch Fluglärm, große Starterfelder und schnelle Zeiten bekannt. Nach dem Auftakt in den Straßen des Westends, geht es 18 Kilometer durch den Wald rund um den Gehspitzweiher bis vor Buchschlag, und im ebenen Gelände wieder zurück. Zentraler Schauplatz war dabei der herrlich in die Natur eingebettete Sportpark Alicestraße. (Durch seine Gestaltung verströmte die Anlage ein wenig die Aura des Berliner Sportfeldes. Es waren Baumeister mit Sinn für Ästhetik am Werke!) Gestartet wurde nahe der zentralen Sporthalle, das Ziel lag im Großen Stadion. Mit rund 2500 Läufern waren die beiden Hauptläufe bestens besetzt.
 
Um 9 Uhr hieß es Sport frei! für die 1700 Halbmarathonläufer. Heute wollte (und mußte!) ich angreifen. Nach 14 Wochen Vorbereitung hatte ich kein Gramm zuviel und Peanut war zuletzt richtig erschrocken, als sie die Blutschläuche unter meiner Haut sah. „Du bist unternährt“, hatte sie gesagt. Ich hatte richtig was drauf, lag von Meter eins an unter den ersten Zwanzig, lief jeden Kilometer gleichmäßig in 3:52 bis 3:57 Minuten, und hatte am 10. Kilometer meine Bestzeit auf 39:04 Min. verbessert. Auch auf der zweiten Rennhälfte verspürte ich keinen Kräfteabfall. Hinderlich war nur der Schwanz des 10-Kilometer-Feldes, mit dem sich die Halbmarathonis ab Kilometer 16,5 die schmalen Wege teilen mußten. Nachdem mir ein resoluter Spiridonläufer die Spur bis vors Marathontor freigekämpft hatte, lief ich unter den Augen vieler Zuschauer in der elften Stunde in die Isenburger Kampfbahn ein... um mit 47 Jahren und 1:22:56 Stunden meine gesamten Bestmarken des letzten Jahrzehnts um zwei Minuten auszulöschen und als 18. unter 1464 dieses Husarenstück über die „21,1“ zu vollenden. Nur der aus New York bekannte Christoph R. schnappte mir Bronze in der Altersgruppe weg. - Peanut hatte sich mal wieder hinten eingereiht - und prompt in der engen Startgasse verkeilt. Im weiteren Verlauf rieb sie sich eine Blase und wurde letztlich mit der Masse ins Ziel gespült. Prominenteste Starterin war die zweimalige Olympiateilnehmerin Petra Wassiluk.
 
Um meine Zeit mußte ich lange bangen. Ein fehlender Code an der Startnummer von „BibChip“ sorgte für große Probleme. Der Zeitnehmer konnte das Ergebnis aber regulär werten und informierte mich am Abend wie folgt: „[...] Ich habe mittlerweile in die Logdatei von dem Chipsystem nachgesehen und da war zu Ihrem Zeitpunkt eine Zeit mit einer ungültigen Startnummer (warum auch immer) dringestanden. Ich habe dies mittlerweile ergänzt. Ergebnisse stelle ich heute Abend ins Internet [...]“
 
 
ZAHLEN UND ZEITEN
 
Wetter:
aufgelockert bis stark bewölkt, 23ºC, schwacher Wind
 
Teilnehmer im Ziel:
2438 (HM, 10 km, 5 km, 3,5 km, NW)
Halbmarathonläufer im Ziel: 1464 (M: 1081 / W: 383)
 
Männer
1. Andreas Rottler (Deuz) 1:15:17
2. Frank Löschner (Büchergrund) 1:16:26
3. Jörg Alff (Vulkaneifel) 1:16:51
18. Kampfläufer Vitus (Frankfurt) 1:22:56 (PB, 5. M45, 18. Gesamt)
 
Frauen
1. Ulrike Wagner (Frankfurt) 1:26:47
1. Astrit Kastrati (Frankfurt) 1:27:38
3. Viera Böhler (Frankfurt) 1:28:42
87. Peanut (Frankfurt) 1:52:50 (16. W45, 686. Gesamt)
 
Ergebnisse
Team Endzeit
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15. Wo. (165 km).
 
16. Wo. (126 km): Nach den brutalen Wochen im Juni, Juli, August und September durften wir uns jetzt für die Schinderei entschädigen. Auf dem Weg in Richtung Chicago standen zwei Erholungswochen an. Doch ausgerechnet jetzt drohte ein entzündetes Zahnimplantat alles zunichte zu machen. Die ewig gekrümmten Handaufhalter in Weiß ließen mich mit einer Entscheidung allein. Entweder sofort ein Antibiotikum schlucken (und damit dem Marathon den Todesstoß versetzen), oder die Zahnbehandlung verschieben (und den Verlust des teuren Zahns riskieren). Der Marathon setzte sich durch... - Die „Confirmation Tickets“ (Anmeldebestätigungen) trafen ein - zehn Tage vorm Rennen! Und: Mit der Vision „Laßt Freundschaft scheinen“ war Chicago als Kandidat für Olympia 2016 angetreten. Am 2. Oktober präsentierte Obama dem IOC die Bewerbung seiner Heimatstadt - und verlor gegen Rio, Madrid und Tokio.
 
17. Wo. (49 km + 42,195 km): Die Bilanzen unserer Vorbereitung:
 
Peanut
1428 Gesamtkilometer
0088 Trainingstage
0084 Wochenkilometer
0016 Tageskilometer
0007 Dauerläufe über 36 Kilometer
0005 Wettkämpfe über 10 und 21,1 Kilometer
0003 Dauerläufe zwischen 30 und 35 Kilometer
0001 Ziel: Marathonlauf in 3:59 Stunden
 
Vitus
2326 Gesamtkilometer
0137 Wochenkilometer
0119 Trainingstage
0045 Herzschläge pro Minute
0020 Tageskilometer
0008 Dauerläufe über 40 Kilometer
0007 Kilogramm Gewichtsverlust - 9 Prozent vom Körper
0006 Dauerläufe zwischen 30 und 35 Kilometer
0005 Wettkämpfe über 10 und 21,1 Kilometer
0001 Ziel: Marathonlauf in 2:49 Stunden
 
.:: DAS RENNEN ::.
 
32. Bank of America CHICAGO MARATHON, 11. Oktober 2009
Donnerstag, 8. Oktober
 
Godspeed You! Strange Runner... Auf Schikanen und Demütigungen bei der Einreise ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten sollte man gefasst sein. Im Unterschied zu unseren Expeditionen nach Boston und New York kamen sie diesmal aber nicht an der amerikanischen Grenzkontrolle, sondern bereits auf dem Frankfurter Flughafen und im Flieger. Die Lufthansa hatte die 306 Sitze ihres Airbusses heillos überbucht. Jeder Fluggast, der auf seinen Sitz verzichtete und die nächste Maschine nahm, wurde mit 600 Euro und einem Essensgutschein über 120 Euro entschädigt. Aber wir mußten zum Marathon! Mit diesem Flieger! Und die USA sind ein großes Land. Wir mußten 18 Stunden durch die Hölle fliegen! Das Buchungssystem hatte uns zwischen einer Inderin mit Kleinkind, einer niesenden und schniefenden asiatischen Triefnase und einer Trennwand direkt vor Augen festgenagelt. Das war wie Blindflug mit der Gefahr, sich mit der Schweinegrippe H1N1 zu infizieren oder mit versteiften Gelenken nicht mehr aufstehen zu können. Ein Ansteckungsherd für Pandemien, reinste Körperverletzung! Dazu wurden wir vom Kabinenpersonal dreist gedemütigt. „Festschnallen, wir landen!“ Auf die heftige Luftfahrt über die Nordhalbkugel folgte um 13.20 Uhr Ortszeit eine Landung auf die harte Tour auf dem Flughafen O´Hare. Der Pilot hatte eine Vollbremsung angekündigt und auch durchgeführt. - Die Unterkunft machte vieles wieder gut. Mit dem „Grant Park Hotel“ wohnten wir in strategisch bester Lage, keine zehn Minuten vom Start entfernt zwischen Downtown Chicago und der Küste des Michigan-Sees; wir hatten mit dem „Jewel-Osco“ eine Einkaufsmöglichkeit ums Eck, und im Zimmer zwei getrennte französische Betten! Damit war das Elementare - Essen, Schlafen, Trinken - gesichert, und wir waren schnell im Puls der Stadt. Das stundenlange Sitzen im Flieger in unnatürlicher Haltung hatte unterdes bei mir höllische Bauchkrämpfe verursacht, die sich nach einem Kamillentee und einem Lauf am Seeufer zum Glück lösten. Noch dreimal Schlafen bis Chicago...
 
Freitag, 9. Oktober
 
Tags darauf fiel Regen. Es war naß, kühl und es wehte ein Wind: Herbst in Windy City... Die Startnummernausgabe „Packet Pick-up“ im Rahmen der Marathon-Expo auf dem McCormick Place stand uns heute bevor. Aber alle Sorgen zerstreuten sich im Nichts. Der Erhalt der Nummer war kein Problem, und die in einer hangarhohen Halle untergebrachte Messe bot die entspannendste Einkaufstour aller Majors. Eine um 700 Dollar erleichterte Reisekasse und ein Sack voller Produktproben wissen ein Lied davon zu singen. Peanut hatte sich beim Leader des „Nike Pace Team 3:55“ angemeldet (dafür gab es spezielle Rückennummern), dann aber beschlossen, ihr eigenes Ding durchzuziehen. In den Abendstunden sind wir wieder sechs Kilometer am Südufer des Michigan-Sees hin zum Navy Pier gelaufen. Ich bin zweimal die Zielbrücke „Mount Roosevelt“ hinaufgerannt - und fühlte mich dabei wie hundert. Die Auswirkungen des Fluges...
 
Sonnabend, 10. Oktober
 
Morgens glitzerte weißer Rauhreif am Fenster. Über Chicago war der kälteste Oktober seit zwei Jahrzehnten hereingebrochen. Wieder stand eine Inspektion des Schlußanstiegs und der Zielgeraden auf dem Columbus Drive an. Und noch immer steckten die Strapazen der Anreise in den Gliedern... Reiseleiter Wricke (Interair) präsentierte am Nachmittag im Hotel die letzten Informationen und Neuigkeiten zum Kampf. Das letzte Essen hatten wir um vier. Wir haben uns Vollkornreis aus der Alten Welt gekocht, dazu gab es Wildlachs, Tomaten und einen italienischen Salat aus dem Jewel-Osco. Leider führte die wachsende Anspannung zu einigen Disharmonien. Schon um neun zu Bett gegangen, tobte dazu ausgerechnet mitten in der Nacht eine wilde Verfolgungsjagd rund ums Hotel. Auch der Sandmann brachte einen finsteren Traum. Raubten mir spätere Geräusche im Raum nicht nur den den Schlaf, sondern auch den Verstand? Richtig sicher war ich mir nicht. So ein Kampf, in dem es schließlich um alles geht, zerrt doch sehr an den Nerven.
In der Downtown (© Vitus)
Sonntag, 11. Oktober
 
The Big Day! Nachdem ich mich die ganze Nacht schlaflos wie ein „Pancake“-Pfannenkuchen im Bett herumgewälzt hatte, gellte um drei Uhr die Radiouhr: die Erlösung. Meinen Schlummer schätzte ich auf neunzig Minuten. Wenigstens waren die Nächte davor besser, Peanut schien regelrecht ausgeruht, und angeblich ist die letzte Nacht ja nicht so wichtig. No sleep ´til Columbus Drive! ... Um vier bin ich bei Nacht und Nebel raus, um mit einem Trab auf den Mount Roosevelt den Kreislauf zu stimulieren. Dort spielte der amerikanische Winterzauberer Jack Frost eines seiner Streichchen: Eiseskälte sprang mich an, arktischer Sturmind pfiff durch die Luft! Nach einem Frühstück mit Erdnußbutter, Banane, Wildblumenhonig, Mossbeeren und „Pecan Raisin Bread“ (süßes Brot mit Hickorynuss und Rosinen), dazu Kamillentee, fand sich unsere Gruppe um 6.15 Uhr in der Hotelhalle zum Aufbruch ein. Blöderweise mußte ausgerechnet Peanut ein auslaufendes Zuckergetränk die Wechselkleidung versauen. Siebzig Minuten verblieben jetzt noch zum Start. Auf dem Weg dorthin fiel P. auch noch eine Plombe aus dem Zahn. Fünfzig Minuten vorm Peng waren wir im Grant Park auf der Suche nach dem „Gear Check“ - der in Chicago aber nicht den Zugang zum Startraum, sondern den Punkt zur Kleiderabgabe bedeutete! Dort irrlichterte ein unüberschaubares Tohuwabohu aus Nationen, Sprachen und Eigenheiten durch den Morgentau. Nach Irritationen und Verwirrungen zwischen Tausenden und Abertausenden mit dem gleichen Ziel, sowie einer Umkleideaktion in höchster Eile direkt vorm „Gear Check“, hatten wir zwanzig Minuten vorm Kampf unsere Beutel an den richtigen Stellen abgeliefert. Fünfzehn Minuten vorm Peng war der abgesicherte Zugang zum Block der 12 000 „Seeded“ (den Schnellen) passiert...
 
... und zehn Minuten vorm GO! waren wir tief in die Startkorridore hineingetaucht: Peanut in „Corral D“ mit 4000 Marathonläufern, ich in „Corral A“ mit den 1500 hinter den Hundert der Elite. Zusammen mit dem „Open Corral“ lief eine Stampede aus 34
 792 Menschen auf dem Columbus Drive Höhe Millennium Park los. Ich war derart voller Frost und Adrenalin, daß ich beim Schnüren der Schuhe doppelt sah und den Knoten kaum zu bekam. 33 Grad Fahrenheit (null Grad Celsius!): der kälteste Chicago-Marathon der Geschichte! Nie zuvor wurden so viele Wollmützen gesichtet. Das Ereigniswarnsystem zeigte Alarmstufe Gelb/Moderate (weniger perfekte Bedingungen), eine flammende Frauenstimme sang die Hymne vom „Sternenbesetzten Banner“, und dann war die Uhr auf 7.30 Uhr gesprungen. Schon mal morgens Marathon gelaufen?
Meile 0 bis 6: Von der New East Side durch den Loop in den Norden
 
Mit ausgedienten Fäustlingen, die ich vorm Start wegwerfen wollte, hatte ich den Kampf aufgenommen - und war heilfroh, wenigstens die dabei zu haben. Vor Kälte nur so schlotternd verlor ich im Tumult zehn Sekunden auf meine gesteckte Zeit, denen ich bis zum Halbmarathon hinterherjagen mußte. Nach dem Kaltstart brachte ein unterm Chicago River hindurch führender Tunnel für eine Viertelmeile etwas Temperatur unter die Haut. Dazu sorgten Fernsehkameras und frenetisch kreischende Zuschauer für Feuer, Flammen, Funkenschlag. Überhaupt diese Zuschauer! Es war Sonntagmorgen, es war dunkel, es war kalt, und dann dieser „Roar“ der Amis, die für einen an die Strecke kamen. Unbeschreiblich. Und diese elektrisierende Atmosphäre sollte sehr lange anhalten. Im Grunde ist sie bis heute nicht vergessen. Nach einer Kehre zurück nach Süden folgten die nächsten Höhepunkte Schlag auf Schlag. Erst der Kern der historischen Downtown mit dem Tribune Tower und dem Wrigley-Gebäude. Dann die State Street Bridge und die beiden wie Maiskolben aussehenden Marina-Türme mitsamt dem nächsten Kesseltreiben. Über den Jackson Boulevard und die LaSalle Street tauchten wir nun mitten in den Finanzdistrikt ein. Es war das beste Publikum der Welt, was sich hier fand. Der Sound der Straßenschluchten, diese surreal überbordenen Wälle von Menschen unter den himmelkratzenden Häusern: Das waren First und Fifth Avenue in einem! Und diese Szenerie zog sich über viele Meilen - vorerst bis zur fünften im Herzen des Lincoln Park Zoos. Nach einem langen Abschnitt im Grünen war an der Sheridan Road der 10. Kilometer erreicht. Mit 40 Minuten lag ich auf Kurs 2:49 Stunden; Peanut kam nach 54 Minuten hier an und steuerte damit auf eine Endzeit von 3:49 Stunden zu.
 
Meile 7 bis 13:
Von Lakeview East durch Lincoln Park in den Westen
 
Am Wrigley Field, der Baseballarena der Cubs, war der nördlichste Punkt erreicht. Zugleich auch die Stelle, um über den Broadway in die Downtown zurückzukehren. Vorbei an den Meilen 9 und 10 führte die Sedgwick Street nun durch die baumgesäumten viktorianischen Villen der Old Town. Eine herrliche, kultivierte Beschaulichkeit... mit einem donnernden Spektakel beim Laufladen „Fleet Feet“! Ausgangs der sich etwas zäher anfühlenden Wells Street tat sich erneut die atemraubende Silhouette des urbanen Molochs auf. Als dritte von fünf eisernen Brücken über den Chicago-Fluß führte die Franklin Street Bridge in den Dschungel aus Wolkenkratzern hinein. Zehn Meilen zuvor waren wir schon mal hier gewesen. Während die LaSalle aber nach Norden geführt hatte, war es nun die zwei Blöcke parallel verlaufende Franklin, welche durch den Loop und unter seiner ratternden Hochbahn „L“ hindurch nach Süden führte. Ein Rechtstörn führte in die Adams Street. Ein Spruchband mit der Aufschrift Halfway There! spannte sich da zwischen den Wolkenkratzern um den alles überragenden Sears Tower. Die halbe Wegstrecke war geschafft. Mit Durchgangszeiten von 1:25 und 1:56 Stunden lagen Peanut und ich auf Marathonendzeiten von 2:50 und 3:53 Stunden. Schöne Prophezeiungen! Und wiederum abertausende fanatische Zuschauer auf den Bordsteinen!
 
Meile 14 bis 20:
Vom West Loop durch Little Italy in den Süden
 
Nun wurde es etwas differenzierter. Der Kurs bewegte sich westwärts aus dem Stadtkern heraus, die Reihen dünnten merklich aus, und es wehte ein Lüftchen von vorn. Gleich nach dem Halbmarathon hatte ich meine Handschuhe weggeworfen. Sie hatten sich vollgesaugt und mich als nasse Klumpen an den Fingern eher behindert. Fortan mußte ich in kurzer Hose und hauchdünnem Lycratrikot gegen Wind und Kälte ankämpfen. Ferner war viel innere Stärke gefragt: Lange Läufe hatte ich zur Genüge geübt. Aber wie wirkt sich ein halbes Jahr ohne langen Wettkampf aus? Paris war im April... Irgendwo hatte ich ein Mantra wie „Steady and strong!“ aufgeschnappt. Jenes redete ich mir nun unermüdlich innerlich zu. An der Meile 17 folgte wie in Boston und New York der einzige Proviant: ein Power-Gel. Ferner wurde wie bei allen US-Rennen jede Meile das Mineralgetränk Gatorade Endurance Formula gereicht. (Die leeren Becher wurden ständig von Helfern mit großen Eisenbesen vom Asphalt gefegt. Auch das war eine sehr positive Eigenheit von Chicago.) Ein schlimmer Moment ereilte mich am 30. Kilometer beim Lauf in den Tunnel der Ashland Avenue. Etwas wie ein Granatsplitter hatte sich dort in meinen vorderen Oberschenkel gebohrt. Wie ein Blitz schoß die Katastrophe von Berlin 2007 in meinen Kopf, all die schlimmen Krämpfe, die ich erlitt. Ausgangs der Senke zog eine schnelle Lady vorbei. Ich ließ mir nichts anmerken. Little Italy (Meile 17) und das Latinoviertel Pilsen (Meile 19) präsentierten sich mit dem Charme der Stadtrandlage: verrottete Flachbauten, verlassene Gewerbezonen - eine rauhe Gegend.
 
Meile 21 bis 26,2:
Von der Chinatown durch den Prairie District zurück nach Norden
 
Etwas festlicher, fast schon exotisch, waren die Straßen durch die Chinatown um Meile 21 herum geschmückt. Doch dafür hatte ich nun keinen Blick mehr. Stattdessen horchte ich in meinen Muskel und flehte, daß alles halten möge. Nur noch sieben Kilometer! Nur noch? Ganze Kohorten zogen nun an mir vorbei, darunter jemand mit einem sinnigen Older than Boston auf dem Kreuz. Nachdem eine Zeit „unter 2:50“ passé war, entschwand nun auch noch die persönliche Bestmarke. Anstelle von Meilen unter 6:30 Minuten fiel die Geschwindigkeit ins Bodenlose. Der Ballpark der White Sox wurde passiert und mit Meile 23 war der südlichste Punkt erreicht. Mit dem Linksknick von der Cermak auf die Michigan Avenue war der drittletzte Straßenzug erreicht. Doch der sollte sich wie Kaugummi ziehen und zu einem zähen Kampf über drei quälende, schier endlose Meilen schnurstraks geradeaus durch die grauen Distrikte Gap und Prairie werden. Vollständig Zerstörte kamen mir entgegen. Leute, die über Monate hinweg manisch für das ehrgeizige Ziel geübt hatten und sprichwörtlich auf den letzten Metern alles verloren. Eine Heidenachtung zolle ich meiner Marathona Peanut, die nach 40 Kilometern bombenfest an ihre erste Zeit „unter 4“ geglaubt hat. Dafür mußte sie aber die letzten zwei Kilometer (und 195 Meter!) jeweils unter sechs Minuten laufen. Für Durchschnittsmenschen selbst ausgeruht kaum machbar! Und am Ende blüht einem ja noch der „Mount Roosevelt“! Ein Winzling. Der einzige Anstieg überhaupt, aber kurz vorm Strich! Regelrechte Dramen sollen sich hier schon abgespielt haben... Und alle müssen diesen Stinker hoch! Nach einem letzten Richtungswechsel lag sie dann vor uns: die Straße auf der alles begann, der ultimative Showdown Columbus Drive mit dem riesigen Silberstreif FINISH paar hundert Yards voraus. Ich hatte nicht die Kraft, mich über das Ende der Tortur zu freuen, konnte mit froststarren Fingern noch nicht mal die Schnürsenkel öffnen.
 
Als Champion hatte der kenianische Olympiasieger Samuel Wanjiru den Kursrekord von Khannouchi um den Schatten von einer Sekunde auf 2:05:41 Stunden verbessert. Diese Sekunde brachte dem 22jährigen zusammen mit dem Preisgeld einen Scheck über 175
 000 Dollar ein. Auf dem Silberplatz folgte der Ewigzweite Goumri aus Marokko, gefolgt von Paris-Sieger Kipruto-Kenia. Schnellste Frau in einem reinen Russen-Express war das bisher völlig unbeschriebene Blatt Schobuchowa in 2:25:56 Stunden. Es war erst deren zweiter Marathon überhaupt gewesen. Mit Rang 2 holte die gebürtige Kasachin Irina Mikitenko zugleich ihren zweiten Majors-Gesamtsieg. Damit stieg Miktenko auch zur Marathon-Millionärin auf (zweimal 500 000 US-Dollar für den Sieg der Serie). Publikumsliebling Deena Kastor landete abgeschlagen auf der 6. Stelle. Für die Deutschen sah´s wie ehedem düster aus. Ich selbst zitterte mich nach 2:58:48 Stunden als 666., zwei Plätze vor dem zeitgleichen New-York-Sieger 1994 und 1995, Germán Silva aus Mexiko ins Ziel. Damit war ich der vierte Deutsche insgesamt hinter der eingebürgerten Mikitenko. Peanut wiederum hatte etwas ganz Großes auf die Straßen gezaubert. In einem Sekundenkrimi hatte sie nach 3:59:08 Stunden nicht nur ihre alte Bestleistung um acht Minuten (!) unterboten, sondern war nach fünf Jahren Training bei Wind und Wetter und Licht und Dunkelheit, endlich am Ziel ihres großen Traums: einen Marathon unter vier Stunden zu laufen! In Plätzen ausgedrückt bedeutete das den Rang 2841 unter 15 000 Frauen. Chicago war für mein Mädel gleichzeitig das beste Abschneiden bei einem Majors.
(© Chicago
Tribune)
FAZIT
 
Ausstrahlung:
Mag sein, daß Chicago der gefühlt am wenigsten bedeutende der Majors ist. Komisch nur, daß Chicago trotz Verzichts auf organisierte Streckenfeste den lautesten Parcours der Welt hat. Die Begeisterung war beeindruckend, der Jubel der Massen echt und spontan, und die dicht bei den Läufern stehenden Menschen lassen keinen kalt. Schnell, schneller, Chicago! Chicago hat eine flachere Strecke als Berlin und ist oft unglaublich spektakulär dazu. Bis auf den „Gear Check“ - vorm Start schwer zu finden, im Ziel erst nach langem Weg durch die Kälte zu erreichen - arbeitete die Organisation um Mister Pinkowski sehr professionell und hochkompetent. Wirkung: Megacity hin oder her: Chicago erwies sich als äußerst phantasievoller Ort, dessen Zentrum nicht so gehetzt ist wie das überdrehte Manhattan. Eine positive Nachhaltigkeit vermeldeten die Hilfswerke, die zehn Millionen Dollar verbuchten. Für die Stadt war der Marathon mit 143 Millionen die reinste Geldgrube. Selbstanalyse: Reisestrapazen, Zeitzonenkater und mangelnder Schlaf hatten mir eine Bestzeit verhagelt. Dazu kam die Kälte. Ich hatte Schwierigkeiten beim Atmen. Womöglich war auch die Vorbereitung zu lang und der letzte Marathon lag bereits zu lange zurück. Wir würden gerne noch mal in Chicago starten. Eigentlich sind wir süchtig danach. „Aber wer soll das bezahlen?“ Für die Materialinteressierten: Peanut lief mit Asics Gel-3000, Vitus mit Adidas adiZero Boston.
Der Kampf in einer BILDERTAFEL... anklicken............
POST-MARATHON-KULTUR
 
Die Dritte Halbzeit - in Chicago „27th Mile Post-Race Party“ genannt -: Wir haben mitgemacht und uns in die Masse gestürzt. Die Four Man Band rockte das Butler Field. Und dort gab es - ein puritanisches Wunder! - kein Bier zum Heimlichtrinken eingewickelt in Papier, sondern Freibier von der Goose Island. Und das mitten im prallen Leben. Aber nur, weil wir schon 21 waren und uns ein Kontrollarmband mit Aufdruck „21 & Over“ anlegen liessen... Zum Abendbrot waren wir in einem typisch amerikanischen Diner. Der Tag endete im Kreis der Mannschaft von Interair und anderen Läufern bei Guinness im Hilton-Pub „Kitty O'Sheas“. Einer aus Deggendorf wollte anschließend noch in den Stripclub „Coyote Ugly“, was wir uns jedoch verkniffen.
 
Montag, 12. Oktober
 
Bevor wir Amerika in einem Flieger verließen, verbrachten wir noch drei letzte gemeinsame Tage und Nächte in Chicago. Die beeindruckenden Wolkenkratzer und der Feiertag „Columbus Day“ luden zu einer Erkundung der Downtown ein. Der Willis Tower - als „Sears Tower“ mit 442 Metern das seinerzeit höchste Gebäude der Welt - ragte aus dem Häusermeer heraus. Ein Gang durchs Skydeck mit Rundblick vom 103. Stock über Chicago (der freistehende Glasbalkon erforderte Schwindelfreiheit: darunter lag der Abgrund!), gehörte ebenso dazu wie der Grant Park mit Buckingham-Brunnen (Schauplatz diverser Propaganda- und Festereignisse), die Hochbahn „Loop“ aus dem 19. Jahrhundert, eines der berühmten Hot-Dog-Lokale, der gotische Water Tower (einer der wenigen Überlebenden des „Great Chicago Fire“ von 1871), die Shopping-Valhalla Magnificient Mile mit dem Sportkomplex „Niketown“ (an dem eine Ehrenwand mit den Namen aller Marathonläufer hing), und das Laufhaus „Fleet Feet“ in der Old Town. Am Abend haben wir noch mal die Marathonmeile 23 aufgesucht - für ein Metalkonzert im Rockklub „Reggies“:
...... Kylesa, Saviours, Red Fang und The Atlas Moth
Im Anschluß haben wir im besten Diner der Stadt since 1939, dem „White Palace Grill“, gevöllert. Die Kalorien waren durch einen Marsch über die einsame Riesenbrücke Roosevelt und das nächtliche Chicago gleich wieder verbrannt.
 
Dienstag, 13. Oktober
 
Am sechsten Tag mußten wir ausreisen. Zum Abschied haben wir einen Morgenlauf zum Soldier Field, der gigantischen Betonschüssel der Chicago Bears, unternommen. Nach einem Bier an der Bar des Best Western wäre ich am liebsten in Chicago geblieben... Doch die Fahrt per Taxi zum Flughafen O´Hare hielt auch noch eine Überraschung parat: Wir lernten das Stuttgarter Läuferpaar Andrea und Jörg kennen. Zusammen haben wir in der Transitzone Rotwein getrunken; festgestellt, daß wir unter den süddeutschen Doomrockern Voodooshock einen gemeinsamen Bekannten haben; und wir haben uns am Schalter für die Frustpauschale der Lufthansa angemeldet (wie beim Hinflug: 600-Euro-Entschädigung und 120-Euro-Gutschein, wenn man unverschuldet nicht in den Flieger kam). Wieder war der Supervogel überbucht - aber nicht alle Passagiere erschienen. Einer der 306 Sitze blieb sogar frei. Der Nachtflug in der Holzklasse verlangte Nerven wie Stahlseile...
 
Mittwoch, 14. Oktober
 
Am Morgen des Vierzehnten ist das Himmelfahrtskommando in Frankfurt gelandet. Dort wurde unsere Geduld ein letztes Mal auf die Probe gestellt. Nach mehr als einer Stunde Wartezeit am Gepäckband waren wir zwei Stunden und zehn Minuten später vor unserer Tür in Frankfurt angelangt.
 
Danksagung
Interair (für alle Arrangements und den Kundenbonus Foto-CD mit Marathonbildern)
Lechner & Ellesser (für den Tag der Abreise)
Marathona Peanut (für den Spirit des Marathonlaufs)
 
Mit Chicago endeten für uns die anstrengendsten Tage des Jahres - und die schönsten. Wir besitzen den kompletten Medaillensatz der Majors. Fünfmal hatte die Welt uns gehört. Das ist eingeritzt in Metall für immer!
 
 

Kampfläufer Vitus, 21. Oktober 2009
 
.:: ZAHLEN UND ZEITEN ::.
Wetter: Sonne und Wolken, 33 bis 39ºF (0 bis 4ºC), leichter Nordwest (4 Meilen)
Zuschauer: ca. 1
 500 000
 
Gemeldet:
46
 658
Am Start: 34
 792
Im Ziel: 33
 687 (M: 19 069 / W: 14 618)
 
Männer
1. Samuel Kamau Wanjiru (Kenia) 2:05:41 (SR)
2. Abderrahim Goumri (Marokko) 2:06:04
3. Vincent Kipruto (Kenia) 2:06:08
4. Charles Munyeki (Kenia) 2:07:06
5. Richard Limo (Kenia) 2:08:43
6. Wesley Korir (Kenia) 2:10:38
 
Frauen
1. Liliya Schobuchowa (Rußland) 2:25:56 (* war gedopt)
2. Irina Mikitenko (Deutschland) 2:26:31
3. Lidiya Grigorjewa (Rußland) 2:26:47
4. Teyba Erkesso (Äthiopien) 2:26:56
5. Berhane Adere (Äthiopien) 2:28:38
6. Deena Kastor (USA) 2:28:50
 
Kampfläufer Vitus
Startnummer:
1597
Nation: Deutschland
Zeit: 2:58:48
Platz: 726 von 34
 792 Gesamt
Platz: 666 von 19
 069 bei den Männern
Platz: 43 von 2148 in Klasse M45-49
Zwischenzeiten
05 km: 0:20:05
10 km: 0:40:12
15 km: 1:00:33
20 km: 1:21:03
Halb: 1:25:27
25 km: 1:41:50
30 km: 2:03:58
35 km: 2:25:45
40 km: 2:48:35
 
Peanut
Startnummer:
9776
Nation: Deutschland
Zeit:
3:59:08 (PB)
Platz: 10
 958 von 34 792 Gesamt
Platz: 2841 von 14
 618 bei den Frauen
Platz: 177 von 1109 in Klasse W45-49
Zwischenzeiten
05 km: 0:27:17
10 km: 0:54:30
15 km: 1:22:30
20 km: 1:50:41
Halb: 1:56:49
25 km: 2:19:01
30 km: 2:47:55
35 km: 3:17:20
40 km: 3:46:54
 
Doping
Am 9. April 2014 wurde Liliya Schobuchowa wegen Dopings gesperrt. Wegen den schweren Umständen wurde die Sperre des russischen Verbandes von zwei Jahren nach Antrag des Weltverbandes durch den Sportgerichtshof um 14 Monate verlängert. Der ehemaligen Weltklasseläuferin wurden alle Ergebnisse und Titel seit dem 9. Oktober 2009 aberkannt und gestrichen, darunter ihre Siege in Chicago 2009, 2010 und 2011. Im Jahr 2015 wurde das Ergebnis von Chicago 2009 in einen Sieg von Mikitenko umgewandelt.
 
Ergebnisse

Chicago-Marathon