EARTHLESS, PONTIAK, EPHEMEROL
D-Frankfurt am Main, Elfer Music Club - 6. August 2009
((((((O)))))) Am Jahrestag des ersten Atombombenabwurfs auf Hiroshima hatten drei Trupps aus USA eine Frankfurter Konzerthalle in Beschlag genommen, um unter deren Dach gleich zwei Feldzüge abzuhalten - einen über der Erde (in der großen Batschkapp), nicht mit Enola Gay, sondern mit New Yorks Agnostic Front, und einen unterirdisch (im Kellerklub) mit dem experimentellen Underground um Earthless und Pontiak. Den Hardcore aus der Lower East Side hatten wir vor einem Jahr erlebt - heute war sinneverwirbelnder Psych im „Elfer“ angesagt!
Halb zehn startete der Spähtrupp durch. Gruß- und ansatzlos. Es fiel kein Sterbenswort, es regierten nur Klänge. Grund für drei Knaben, nach wenigen Takten in Richtung Batschkapp zu entwischen. Von anfangs zehn Besuchern blieben sieben übrig - wurden aber nach und nach auf dreißig aufgestockt. Jene wurden Zeugen einer der genialsten Konzertnächte der jüngeren Vergangenheit. Die Drone-Doomer EPHEMEROL aus Frankfurt waren die Ersten. Durch Zufall setzten die nach dem Cronenbergschen Pharmakon Benannten heute an jenem Punkt auf, an dem wir sie vor einem halben Jahr vorschnell verliessen. Wir bedauern das! Denn mit „Bad Resurrection Eastern Clank“ ging es gleich richtig zur Sache! Zuletzt noch sehr körperlos, versprühten Engl, Eckhardt und Prochir heute Charme und Aura; waren Künstler, die ihre Instrumente sehr verbissen und schlau (im positiven Sinne!) traktierten! Fast nicht wiederzuerkennen! „Bad Resurrection Eastern Clank“ startete artrockig und endete dronig. An zweiter Stelle positioniert, erwies sich „Hard Narcotics“ als schwer pumpender, rumpelnder Koloss, der manchmal von einer Frickelgitarre gepiekt wurde. „Zero Hole“ kam dann mit einer wilden Kaskade aus allerlei Krach erzeugendem Krempel in Schwung (der Krautrock ließ schön grüßen), lärmte im Mittelteil auf einem hypnotischen Riff herum, und schloß in einem surrealen Gemisch aus Drone Doom, Jimi Hendrix und Free Jazz. Transzendentale Experimente besiegelten schließlich den Auftritt. „The Crunch“ hieß das finale Teil. Dabei gesellte sich zu Gitarre, Baß und Schlagzeug eine elektronische Black Box, die der Bassist angestoßen hatte, und die danach von Alpha bis Omega quälerisches Sirenegeheul und sonarähnliche Ortungsgeräusche generierte. Der Initiator selbst steuerte einen kleinen Veitstanz bei.
Die zweite Gruppe legte lässig los - und drehte dann völlig ab! „Laywayed“ war deren Prolog betitelt. Ein Lied, das mit an die Queens of The Stone Age erinnernden, trügerisch sommerlichen Vokalen anfing - um nahtlos mit dem bizarren Klangexperiment „Blood Pride“ und „Wax Worship“ zu verschmelzen, und zwölf Minuten später im wüsten Chaos der „Headless Conference“ zu enden. „Thank you! We are PONTIAK from Virginia!“, lautete die Vorstellung. Pontiak waren drei Männer vom selben Blute. Alle mit filzigem Bart, schlichter Kluft und einer gewissen Scheu Amischen ähnelnd . Dem Farmland im Osten Amerikas entstammten sie, die Carney-Brüder Van, Jennings und Lain. Ihr Neuwerk stellten sie vor. 'Maker' heißt es. Wuchtig dröhnenden Psych, Stoner und Doom knietief in den Siebzigern enthält es. Darunter den viertelstündigen Titelsong: einen sonnenheißen Ambient Stoner Doomer, der durch eine besessene Performanz und die höchste Spielkunst des Sechssaiters Van bestach. Mal waren da sinnesverkehrende Wah-Wah-Riffs, mal ein Blues-Chor zu dritt. Und wenn es krachte, dann richtig (und das sehr oft). Das Finale begann als Hommage an die alten Pink Floyd, surfte über flirrende Gitarren, und krepierte - forciert von einer abgewrackten Bourbonröhre - in einem kruden Motörheadrocker vorm Herrn. „Shell Skull“, wie dieser stockfinstere Part im Abgang hieß, vollendete die Schau der Carneys. Auf die Ostküste...
... folgte die Westküste der USA. Eine halbe Stunde vor Mitternacht stand das Psych-Jam-Projekt EARTHLESS aus dem kalifornischen San Diego auf der Bühne. Und zwar erstmals im Leben auf einer deutschen. Und dies mit dankenden Worten an ephemeroL und ihre „Brothers in arms“ Pontiak! Isaiah Mitchell, Mike Eginton und Mario Rubalcaba teilten beim Roadburn-Festival mit niemand anders als Saint Vitus das Geviert. Zwei Teile hatten sie heute dabei: „Sonic Player“ und „Godspeed“. Beide zusammen liefen eine dreiviertel Stunde, wovon „Godspeed“ allein eine halbe beanspruchte. Damit sollte alles gesagt sein. Earthless waren ein exzessiver Trip in die Psychowelten. Vor uns standen drei totale Freaks, jeder schwer charismatisch auf seine Art. Derweil der Gitarrist vehement an den kojotigen und doch so zerbrechlichen Tom Phillips von While Heaven Wept erinnerte, war es wiederum der zwergenwüchsige, schwertätowierte Bassist, der als Kontrapart sein Ding unglaublich stoisch durchzog, und wiederum der Bandgründer am Schlagzeug, dem allein schon für seinen körperlichen Kraftakt höchste Achtung gebührte! Earthless waren ein Tornado aus Doomrockern irgendwo aus der Frühzeit von Saint Vitus und deren „White Stallions“, aus staubtrockenen, heftigen Gitarren, drückenden Bässen und im Kosmos explodierenden Gedanken. Das alles war gemacht mit den spärlichsten Mitteln, die man sich vorstellen kann. Drei Instrumente, sonst nichts! Und würden die Psychbrüder von Pontiak weiter germamischen Zaubertrank reichen - die Amis hatten ihre helle Freude selbst beim Vernichten von billigem Hansa-Pils - so würden Earthless wohl noch heute im „Elfer“ stehen und ihre wunderbare Musik jammen. „Godspeed“ gipfelte in einem wahren Rausch der Geschwindigkeit. Es war, als wenn der Mond auf die Erde plumpst. Nach einem akzentfreien „Dankeschön“ war alles vorbei. - - Drei Gruppen in drei Stunden, jede Sekunde der helle Wahnsinn: Dieses Konzi zählt für mich zu den Top 3 von 2009!
.:: ABSPIELLISTEN::.
 
EPHEMEROL
(21.30-22.20)
1. Bad Resurrection Eastern Clank
2. Hard Narcotics
3. Zero Hole
4. The Crunch
 
PONTIAK
(22.40-23.20)
1. Laywayed
2. Blood Pride
3. Wax Worship
4. Headless Conference
5. Maker
6. Sun on Sun
7. Shell Skull
 
EARTHLESS
(23.35-0.20)
1. Sonic Player
2. Godspeed
a) amplified
b) passing
c) trajectory
d) perception
e) cascade
Was sonst noch zu sagen wäre
... Während Pontiac spielten, waren mit Rene und Dirk zwei Mitglieder der Doomrocker Wight aufgekreuzt. Rene hatte mich im Publikum sofort geortet - nur ich ihn nicht. Zum Ausgleich trug mein Mädel ein Shirt von Wight...
... Wight wollten mit ephemerol einen Deal machen.
... Maxim Engl und Van Carney schrieben mir in schöner Schrift die Abspiellisten ihrer Gruppen nieder.
... Der Freundeskreis der Amis blechte ohne Murren und mit Trinkgeld zwanzig Euro für drei kleine Büchsen „Jack & Cola“.
... Peanut und ich sind halb eins verschwunden. An der Haltestelle Heddernheim wurden wir von zwei sternhagelvollen Besuchern des Agnostic Front-Konzerts angepöbelt: der eine mit Glatze und runtergelassener Hose, der andere mit langen Loden und den Schimpfwörtern „Scheiß Headbanger! Nazischweine! Bastards!“, dazu „Hardcore! Wir kriegen euch alle!“
 
 
Heiliger Vitus, 8. August 2009