FLOTSAM AND JETSAM, MARTYR
D-Frankfurt am Main, Die Halle - 24. August 2009
Die Flots in der „Halle“. Das ließ ich mir nicht zweimal sagen! War auch klar, wen ich dort treffen würde: All die Ewiggestrigen aus den Achtzigern, die Langhaarigen mit dem obligaten Bier im Kessel und den Metalshirts, die mal schwarz waren, nun aber feldgrau sind. Zumindest aus dem vorigen Jahrtausend mußten sie schon stammen. Ja, und dann diese körperlichen Veränderungen. Zwar noch immer lang das Haar, aber oft schon vergraut. Dazu etliche Pfunde zuviel auf den Rippen. Vor einem satten Vierteljahrhundert erstmals begegnet, und aus Gründen der Coolness doch nie ein Wort gewechselt. Allenfalls die Herkunft war bekannt. Hier ein Berufsrebell von Grave Digger, da einer von Odium, dort zwei Metalheads vom Megadeth-Konzert 1987 im „Vobi“. Die „Peace-Sells“-Kampagne... Und auch Thomas, vormaliger Inhaber des Plattenladens „Music Base“ (R.I.P.), war angerückt - um Martyr zu erleben. 1997 herum hatten wir uns letztmalig gesehen. Auch schon eine ziemliche Weile her. Thomas hatte seinen alten Kunden aber gleich richtig eingeordnet und mich mit einem „Hallo Doktor Doom!“ ganz selbstverständlich umarmt. Sechzig Metalheads werden es gewesen sein. Und alle mußten tief schlucken. Denn für die beiden Gruppen der Nacht waren 16 Euro fällig! Im Gegenzug gab´s keine Karte, kein Flugblatt, nichts! Wucher auch die Shirt-Preise von 20 Euro (wobei man nur mit der Schlafrockgröße XL aufwärts bestückt war). Wie gesagt: sechzig waren da, aber nur vierzig blieben bis zum Schluß...
Zur untypisch frühen Stunde von 21 Uhr (der straffe Tourplan...) hatten MARTYR aus Utrecht losgelegt. Bei Martyr handelte es sich um rostige Nägel aus den frühen Metal-Achtzigern, die dem holländischen Metalundergound damals zwei Alben und diverse Demos stifteten, und sich im neuen Jahrtausend wiedervereinigten. „After Two Decades The Clan Is Back!!“, stellte der Handzettel zum neuen Langeisen 'Fear The Universe' klar. Leider stieß ich erst bei der vierten Nummer - „Different Kind of Rain“ - hinzu. Und ich war froh, daß es so war. Angetrieben von drei Elektrogitarren inszenierte die fünfköpfige Horde um Rick Bouwman einen melodisch stampfenden Heavy bis Power Metal mit etwas Heroischem an sich. Ein bißchen grölig, ein bißchen primitiv, ein bißchen stumpf - aber von einem gewissem Kultfaktor gesegnet. Etwa so, wie ein holländischer Billigverschnitt von Manowar. Die Ausflüge des Vokalisten mitten durch die Meute zur Bar, die schwer an Overkill erinnernden „I hate you!“-Chöre: es war alles schon mal da! Und final blieb dieses komische Gefühl, daß Martyr nichts anderes waren, als Poser mit sorglosem bürgerlichen Hintergrund...
Obwohl sie mit dem späterem Metallica-Bassisten Jason Newsted einen Berühmten in ihren Reihen hatten, standen FLOTSAM AND JETSAM stets im Schatten ihrer Landsmänner Exodus, Metallica, Megadeth und Testament. Auch der 1986 erschienene Speed-Metal-Vorkämpfer 'Doomsday For The Deceiver' - für manche das beste Speed/Thrash-Album zeitlebens - konnte daran nicht viel ändern: Die Flots blieben Untergrund für immer. - Heute gab sich die Kultgruppe aus Phoenix, Arizona, in Mainhattan die Ehre. Von der Urbesetzung waren noch Sänger Eric A.K. und Leitgitarrist Ed Carlson dabei. Ergänzt wurden sie von Mark Simpson, Jason Ward und Craig Neilsen. Der Thrash-Tornado „The Master Sleeps“ machte den Aufgalopp, gefolgt vom fossilen Speedster „Hammerhead“. Wow, wow, wow... Die Amis schossen uns auf eine atemlose Achterbahn durch ihr schmerzhaft ruhiges Treibgut der Neunziger ('Cuatro' und 'Drift') und die alles zerstörenden Speedgranaten der Achtziger, welche klar dominierten ('Doomsday...' und 'No Place For Disgrace'). Der Klang war metallisch, kreischend und alles niederknüppelnd. Ich sag´ nur: „N.E. Terror“! Fulminant gespielte E-Gitarren von maximaler Geschwindigkeit kreuzten sich mit einem mörderharten bis punkigen Schlagzeug und der mal rauhen, mal kreischenden Röhre von A.K.! Wenngleich nicht begnadet klang sie zumindest sehr charismatisch. Und überhaupt... die Aura der Vergangenheit! Echter, bissiger, sarkastischer und aggressiver Metal war das! Und der allein war jede Sekunde wer. Die Flots legten den Wert weniger auf eine spektakuläre Schau - wildes Headbanging dürften die Nacken eh nicht mehr verkraften - sondern auf technische Brillianz sowie ihre teils sensationellen Eigenkreationen. Zwei der aberwitzigsten und genialsten setzten den Schlußakkord: „I Live You Die“ und „Doomsday for the Deceiver“.
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
MARTYR
(21.00-21.45)
1. Intro - Snow and Fire
2. Darkness at Time´s Edge
3. Fear
4. Intro - Different Kind of Rain
5. Take Me Home
6. Speed of Samurai
7. I Am The Most Evil
8. Eaten Alive
 
FLOTSAM AND JETSAM
(22.28-23.30)
1. Intro
2. The Master Sleeps
3. Hammerhead
4. Me
5. No Place For Disgrace
6. Secret Square
7. Never to Reveal
8. Hard on You
9. Swatting at Flies
10. N.E. Terror
11. Escape From Within
12. I Live You Die
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13. Doomsday for the Deceiver
R.I.P.
 
Wegen Zoff mit dem Verpächter und nicht zu erfüllenden Schallschutzauflagen mußte „Die Halle“ ab September 2010 „aus betriebstechnischen Gründen“ schließen. Das letzte Konzert gaben am 10. September Agathodaimon, Odium, Contrast und Apsis.
 
 

Heiliger Vitus, 26. August 2009/19. September 2010