DOOM SHALL RISE VI
 
REVELATION, PAGAN ALTAR, GRIFTEGÅRD, REINO ERMITAÑO, SHEVER, LORD OF THE GRAVE, EXTORIAN
D-Göppingen, Chapel - 17. April 2009
Prolog
 
Nachdem das DOOM SHALL RISE 2008 „aufgrund privater und beruflicher Verpflichtungen der beiden Organisatoren Frank und Jochen nach fünf erfolgreichen, erinnerungswürdigen und arbeitsreichen Jahren erstmals eine Pause einlegte“, durfte sich der Doomzirkel nun auf eine Fortsetzung freuen. Nach einem Jahr Abstinenz war das Interesse am Doom neu entflammt. Einheimische Laufkundschaft dazugezählt - die besonders am zweiten Tag illegal in die Chapel kam -, waren achthundert Personen bei der „RÜCKKEHR“ dabei: 70 Musiker, die DSR-Mannschaft, die Chapel-Mannschaft, Mitglieder des Chapelvereins, sowie 680 zahlende und nicht zahlende Besucher. Die alte Soldatenkirche drohte zu bersten! Zu viele Menschen! - Für Peanut und mich bedeutete Göppingen das Ende von vier Monaten Enthaltsamkeit, das Ende einer Marathonperiode nah am Hochleistungsbereich mit dem Schlußakkord Paris-Marathon - und der Start in vier Tage schlechte Luft, Alkohol und Krach.
 
Doomerstag, 16. April
 
Um zum Doom zurückzufinden, sind wir einen Tag früher runtergefahren. Der bewährte Holzheimer Gasthof „Stern“ war wieder zum Logierhaus ausgewählt. Allerdings war der Ort diesmal von zwei bizarren Bluttaten umflort: Ostern hatte im Nachbarort Eislingen ein Sohn seine vierköpfige Familie erschossen. Und auch das Gemetzel im nahen Winnenden mit sechzehn Toten war noch in frischer Erinnerung. Pünktlich zu den Tagen des Doom begann es zu regnen. Damit kam auch das vage Vorhaben, zur „DSR-Warm-up“ in der Eiche Crailsheim zu fahren, nicht zur Ausführung. Statt Revelation, Lord Vicar, Lord of the Grave und Mirror of Deception zu huldigen, fanden wir uns bei den ersten geistigen Getränke im „Stern“ wieder. Der Regen sollte zwei Tage anhalten.
 
Freitag, 17. April (1. Tag)
 

Nach einer entspannenden ersten Tageshälfte war es am Nachmittag aus mit Liebe und Frieden. Kalle, Micha und Robert aus Brandenburg und Magdeburg-Anhalt waren die ersten Schwarzgeklufteten, die fortan die Schenke mit uns teilten. Schließlich hat man sich nach einem Jahr viel zu erzählen, die Zeit verging im Flug, und halb sieben waren wir von einem Taxifahrer in den verregneten Stauferpark hinkutschiert worden. Die Karten zum Preis von 35 Euro waren seit Ewigkeiten gesichert, und pünktlich zum Beginn waren wir drin - in der illuminierten Kapelle des Doom. Da die parallel in Stuttgart steigende Schau der US-Metalcoreler Walls of Jericho kaum Leute abzog, war die Chapel bestens gefüllt - und man blechte auch ohne Murren fürs überteuerte Flaschenbier. Eine schöne Neuerung bot die Soundanlage: Die Lautsprecher standen nicht mehr auf dem Boden, sie schwebten in luftiger Höhe zwischen Kanzel und Dach - was dem Klang guttat.
EXTORIAN machten sich Schlag sieben als Erste ans Werk. Anfangs mit erbärmlicher Lautstärke bedacht (ausgerechnet bis zum Meisterwerk „Widows Weeds“), kamen Heike und Olaf „O“ Funke zusammen mit den Herren Imschweiler, Stumpferl sowie einer blonden Elfe als Chorstimme, dann jedoch ordentlich in Wallung. Ab „Black Sand“ gab es melodischen Doom Metal mit einem Fitzelchen Goth von den Straßen Münchens. Doom und Gotik durch den zartbitteren, ruhigen Gesang Heikes (die mir ein Zwinkern schenkte), Metal allen voran durch die filigrane Gitarre des gut geerdeten O. Das etwas zerrüttet am Mikroständer drapierte Fräulein links, die lausige Bühnenausleuchtung, sowie die mit Extorian kaum vertraute Menge, haben den Eindruck etwas getrübt. Aber es war alles verdammt hart an der Realität: sensibel, einsam, verloren und finster zugleich - irgendwie grundehrlich und hauteng am Leben. Über den langmähnigen Engel links sagte man später: Aber hübsch war sie doch! Vor allem die gute Fee an meiner Seite (Peanut) war schwer begeistert. Pfüati, Extorian!
Grundverschieden zu den Bayern kam der Stoner-Doom-Dreibund LORD OF THE GRAVE aus der Schweiz daher. Michael G. (Ex-Tollwuet, Ex-Voodooshock) ist zurück im Doomladen und hat mit dem kauzigen Gruppenkopf Rob Grave und Trommler Jukka A. ein weiteres Groove-Ungeheuer auf die Menschheit losgelassen. 'Raunacht' nennt es sich. Und es war verdammt drückend, was sich uns da bot. Langsame Lavariffs (angesiedelt ganz eindeutig bei Sleep) kopulierten mit dräuend kalten Vokills (angesiedelt bei den Gates of Slumber) und der schon aufreizend lässigen Optik der Protagonisten. Dazwischen kaum eine Ansage, nur Doom. Eindrucksvoll besiegelt vom in Schleife herumdonnernden Plattmacher „Raunacht“. Das war fucking genialer Scheiß und eins der Schlaglichter schon so früh am Tag (zumindest für den Verfasser)! Kleine Randnote: Rob hatte ich vor Jahren in einem Konzertkeller in Frankfurt kennengelernt. Damals als Gitarrenroadie für die Lombego Surfers. Rob wollte mich damals als Drummer für sein Sludge-Projekt Barbecue rekrutieren. Was aus uns so geworden ist...
 
Als Dritte sollten die Schweizer Death-Doom-Hexen SHEVER folgen. Die mußten aber absagen, weil Vokalistin Alexandra ihre Stimme verloren hatte. Das Zeitloch wurde Pagan Altar und Revelation zugeschanzt, die jeweils zwei Lieder mehr brachten.
Von den Doom-Metallern REINO ERMITAÑO aus Peru hatte ich mir einiges versprochen. Vorm DSR stand ich im Kontakt mit Bassist Marcos, der wegen einem Auftritt in Frankfurt bei mir angefragt hatte. Immer wieder hatte ich vor der Anlage gelegen und todtraurig dem Album 'Rituales Interiores' gelauscht. Und dann hinterließ der große Tag lange Gesichter. Dabei schien alles so göttlich zu werden... Vor uns standen die Männer Guevara, Coifman und Almeida, die auch ohne einen Ton zu spielen schon verdammt nach Doom aussahen. Dazu Frau Duarte an der Front. Lange Haare, Bärte, Tattoos, zerschlissene Hosen. Dazu der Gruppenname, der übersetzt so was wie das „Reich des Eremiten“ bedeutet. Die Gitarren: schwer, mächtig, inbrünstig, doomig und jeden Schnickschnack der Neuzeit verweigernd. Doch Reino Ermitaño hatten ein Problem: Tanias quakige Stimme (die auf Platte so voller dunkler, geheimnisvoller Leuchtkraft ist). Dazu kam ein längerer Ausfall der Mikroanlage, der den Peruanern den Wind vollends aus den Segeln nahm. Zurück im Fluß, wiederholten sich die schiefen Töne der Señora aus Lima. Hysterisches Weib oder Heilige voller weiblicher Emotion? Ich ging raus in die Nacht, und die Drama-Queen erstickte in gedämpften Geräuschen.
„Everything Slower Than Everything Else“: Wenn jemanden diese Losung gebührte, dann den Schweden GRIFTEGÅRD (deutsch: Grabstätte). Orchestrale Ästhetik, ein gigantisches Holzpult, die Kleidung schlichtes Schwarz ohne Symbolik, dazu formte der massige Sänger zum Gruß eine Schwurhand: Griftegård standen für funeraligen Doom Metal. Kräftige, glockenreine Vokale, die biblische Metaphern zelebrierten, radikal langsame Klanggewänder voller unterschallender Pein und ewiglicher Erhabenheit ergriffen nun die Macht. Bis zum Stillstand getragene Töne, erzeugt von den Predigern Eriksson, Blomkvist, Broddesson, Jansson und Gustafsson. Nichts gegen Funeral. Doch auf einem feierseligen Festival verhallten diese rußschwarzen Klänge im Nichts. Zu getragen wirkten sie. Und auch optisch war das Quintett keine Offenbarung. Nach einer Dreiviertelstunde waren alle Psalme gelesen. Amen.
„Stirb langsam!“ ließe sich auch über Londons NWOBHM-Okkultlegende since 1978 PAGAN ALTAR sagen. Vor anderthalb Jahren - beim Dutch Doom Day - noch über den Klee gelobt, hat sich meine Meinung seit heute ins Gegenteil verkehrt. Alles begann wie damals in Rotterdam. Terry Jones trat auf die Bühne: verschlagen grinsend, platinblondierte Matte, Kaugummi im Schabel, mit Zylinder und in Dracula-Robe gehüllt. Wie immer wurde der nach eigener Aussage vor Christus (1945) geborene Jones von seinem Sohn Alan am Sechssaiter assistiert, dazu kamen Gitarrenhexer Rich Walker von Solstice sowie Diccon Harper und Andy Green (alle in den Sechzigern geboren). So weit, so normal. Nur daß die Legende nach wenigen Minuten erloschen war. Denn die einstigen Weggefährten von Black Sabbath und Witchfinder General boten heute eine geschlossene Privatfete für sich selbst und ihre Claquere von der Insel. Ab 23.05 Uhr setzte es selbstbeweihräuchernde Theatralik und Ansagen auf Englisch satt für eine Gefolgschaft aus Enkelkindern, Nichten, Neffen und asozialen Tommys - von denen uns zwei Glatzen attackierten (die Eskalation blieb nur wegen den Kosten für neue Zähne aus), und von denen ein anderer stilecht voller Alkohol von der Bühnentreppe rücklings in die schöne Chapel plumpste (leider haben Besoffene oft einen Schutzengel). Von einer Pussy, die mir das Ablichten verbot, mag ich gar nicht reden. Es wirkte alles falsch und erzeugte eine Stimmung, der man sich entziehen will. Vier Tage später hätten die Tommys die Chapel auch mit Michael Schanze teilen können. Kalle, Micha, Robert, Peanut und ich verliessen die Chapel vorzeitig - während Jones den „Judgement of the Dead“ ausrief. Unverhohlene Feindseligkeit sollte nicht nur heute über der Chapel liegen!
Der Kelch REVELATION ging an uns vorbei. Erklärter Anhänger der Hauptattraktion aus Baltimore, Maryland, U.S.A. war ich nie. „Phantastisch. Progressiv. Mit John Brenner am Mikro. Das Publikum vorne sehr mitreißend, hinten eher ausflockend.“ Das sollten mir am folgenden Morgen die Proggis Timo und Klaus von der Fanseite „Cosmic Lava“ berichten, die am Frühstückstisch neben uns saßen. Die Vergeistigten hatten sich bei Nacht und Regen auf Schusters Rappen auf die fünf Kilometer heimwärts vom Festgelände gemacht, und in der vierten Nachtstunde den „Stern“ erreicht...
 
Peanut und ich sowie die drei Männer aus dem Osten wurden von einer Droschke an einem Holzheimer Bumslokal namens „Adler“ abgesetzt. Doch das erste Doom Shall Rise war lange her, die sechs Jahre hatten ihre Spuren hinterlassen. Man trank Bier und Ouzo zum Nulltarif, debattierte über Politik, Arbeit, Heizölpreise und was sonst noch so schiefläuft auf dieser Welt. Kurz: Man sprach nicht mehr dieselbe Sprache, der Ton wurde rauher, fast giftete man sich an. Während sich die Kameraden bei hitzigen Kneipendebatten den Rest gaben, glitt ich im Laufe der Nacht immer tiefer in eine Depression... Um drei Uhr lag Frau P. mit mir in der Horizontalen. Manch anderer auch etwas später...
 
 
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Heiliger Vitus, 24. April 2009
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
EXTORIAN
(19.00-19.40)
1. The Last Room
2. Widows Weeds
3. Black Sand
4. Down in the Shadow
5. January
 
LORD OF THE GRAVE
(20.05-20.43)
1. Holy Vitus
2. Lord of the Grave
3. Bardo
4. Raunacht
 
REINO ERMITAÑO
(21.05-21.56)
1. Crepuscular
2. Curandero De Una Realidad Incierta
3. El Sol Tras la Niebla
4. El Despertar
5. Hacia la Nada
6. El Fauno
7. Desencarnado
 
GRIFTEGÅRD
(22.07-22.46)
1. Charles Taze Russel
2. Punishment & Ordeal
3. Paul Gustave Doré
4. The Mire
 
PAGAN ALTAR
(23.05-0.30, ohne Gewähr)
1. Pagan Altar
2. Demons of the Night
3. Lords of Hypocrisy
4. The Sentinels of Hate
5. Armadeus
6. Judgement of the Dead
7. The Cry of the Banshee
8. Dance of the Druids
9. The Black Mass
10. In the Wake of Armageddon
11. The Witches´ Pathway
12. March of the Dead
 
REVELATION
(0.45[?]-2.10)
1. Against Nature
2. Stars Almost Drown
3. Lost Innocence
4. Release
5. Wither
6. Wounds Which Never Heal
7. Then and Again
8. Never Comes Silence
9. Waiting for... the End
10. Once Summer
11. Images of Darkness
v.o.n.u.:
Peanut, Rob, Kalle, Vitus, Micha
Lord Chritus
Chapel bei Nacht
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