THE PISTOLETTES
D-Frankfurt am Main, AU - 28. Juni 2003
Ein Mädelbund im besetzten Haus: Da mußte man hin! Doch um ein Haar hätte die moderne Technik alles versaut: Unser Komputer war abgestürzt. Ich hatte mich schon mit einer abendfüllenden Festplattenformatierung abgefunden, als in letzter Minute höhere Gewalt das Gerät heilte und damit beim Erscheinen in der AU mithalf. - Um zehn traf ich mit Frl. P. ein. Und siehe da: wir hatten nichts verpaßt! Fünfzig Leute hingen an der „Furcht Bar“, der lauschigen Gartentheke der Kommunalka herum. Nein, Bier kann wirklich nicht schaden. Und so labten wir uns zwischen den Kampfgenossen des Punk an Gerstensaft und der milden Mittsommerluft. Im angrenzenden Hinterland befanden sich Behausungen von Anderswohnenden: Wohnwagen, Bauwagen, Freiheitswagen. Wie Irrlichter geisterten ihre Bewohner mit Funzeln in der Hand durch die Nacht. Die neben uns feierten unterdes in sinnigen Shirts - vom schlichten „A&P“-Polo über „Zum letzten Pfennig, Hamburg-St. Pauli“ (Penny-Markt) bis „Prima leben und saufen“ (Plus) einen Billigladen-Tag. Später gesellten sich die vier Protagonistinnen hinzu, stiegen in den Konzertkeller und stöpselten ein......
22 Uhr 45 starteten THE PISTOLETTES ihre finale Schau. Die nach den Sex Pistols getaufte Gruppe war eine weitere mir völlig unbekannte. Platten oder ähnliches existierten nicht. Eine „All-Female-Trash-Sensation mit grandiosem Garagen Punk“ hatte „Copy Riot“ angekündigt - und „Kiss My Ass“ ließ gleich zu Beginn die Glocken läuten. Die am Mikro hängende, wild headbangende Fronterin grüßte: „Hallo, wir sind die Pistolettes aus Mannheim und das ist das fucking verdammt letztemal, daß wir spielen.“ Flankiert wurde sie von einer anmutigen Bassistin, einer hochgewachsenen Keyboarderin und einer energetischen Trommlerin. Alle um die dreißig. Alle sympathisch scheu. Alle mit großer Flatter. Der entspannte Quickie „Dirty Old Man“ und das mit „I fuckin´ grow“ angesagte Exploited-Cover „Psycho“ konnte den Punketten das Lampenfieber nicht nehmen. Schließlich brach die Fronterin das Eis mit Sinnlichkeiten wie: „Das nächste Stück ham wir voll selber gemacht. Es heißt 'Fuck Fuckin´ Man'.“ Die Frauen aus der Kurpfalz waren heute „das dritte oder siebzehnte Mal in Frankfurt“, und das Nächste handelte „von Leuten, die eine Entschuldigung suchen, Alkoholiker zu sein: 'Schwierige Kindheit'.“ Wir nahmen den Mädeln ab, wovon sie sangen. Sie machten Punk mit trotzigem Witz und viel Ironie. Das Pfui-Wort fiel zirka 66 Mal. Weiter ging´s mit etwas Eigenem, einem Intrumentalen mit verschärften Orgeln und dem Titel „I´m Dead and I´m Died for You“. Dann wichsten die Pistolettes was für die gute Laune in die Runde: „Jetzt ist Schluß mit Eisprüngen, wir sind schließlich nicht zum Spaß hier: 'I´m Fucking Honesty'!“ Die Schlagzeugerin wurde vorgestellt: „Sie ist bekannt aus Funk und Fernsehen und sieht gut aus, kann aber nix dafür.“ Selbige sang „I´m in Trouble“. Dann gab´s „Fuck With“; und das nächste war wieder selbstverfasst - „für Albert Körner, die geile Sau: '100 Degrees'.“ „That´s for Fuckin´ Sure“ war dann wieder gemaust. Und die Ungeschminktheit darauf hörte sich so an: „Wir ham noch zwei! Das erste ist über biertrinkende Frauen: Viele Pussys sind Tussis, biertrinkende Frauen machen mich an: 'She´s a Beer'!“ (Fronterin machte keine halben Sachen und steckte die Pulle tief in den Rachen); und das zweite ist von ´ner jungen Band, die ihr kennt. Tanzpflicht, sonst Kampf!“ Der Ode an bierschlürfende Frauen folgte die junge Band. Wer war´s? Klar: eine Anhimmelung der Ramones durch „Let´s Dance“. Die letzte Vorstellung der Pistolettes endete abrupt. Halb zwölf - mitten rein ins Abschiedsständchen - sprang ein schwerer Junge von der AU auf die Bühne und zog den Stecker. Skins im Anmarsch? Polizei? Die Fronterin befand: „Geil! Cops! Sollen wir alle rausgehn?“ Damit hatte es sich... Nach dem Auftritt stand ich für Momente allein unter den vier Frauen, drei von ihnen über Einsachtzig. Es war alles bissel blümerant...
.:: ABSPIELLISTE THE PISTOLETTES ::.
(22.45-23.20 / Titel ohne Gewähr)
 
1. Kiss My Ass
2. Just a Dirty Old Man
3. Psycho [The Exploited]
4. Fuck Fuckin´ Man
5. Schwierige Kindheit
6. I´m Dead and I´m Died for You
7. Crawler
8. I´m Fucking Honesty
9. I´m in Trouble
10. Fuck With
11. 100 Degrees
12. That´s for Sure
13. She´s a Beer
14. Let´s Dance [Ramones]
Halb zwölf mußten wir an die frische Luft. Blockwarte vom Ordnungsamt lösten das Konzert auf. Ende mit Punk und Freudenspendern im Freien. Und auch keine Auflegekultur mit den DJs McRebel Fox & Mr. Cream 65. Jemand quatschte mich noch auf den Geiselgangsterbus mit Tankard nach Amberg an. Da sei ich doch mitgefahren... Der Liederabend mit den Pistolettes ging als kürzester aller Zeiten in meine Annalen ein.
 
 
Heiliger Vitus, 29. Juni 2003