SOLEÏLNOÏR, THE GREAT ESCAPE, ROCKBLOCK 3001
D-Darmstadt, Goldene Krone - 25. Juni 2004
Ein neues Dresden in Darmstadt? Mit The Great Escape und Soleïlnoïr gaben sich zwei Gruppen, die wir jüngst in Elbflorenz erlebten, heute beim METAL ATTACK FESTIVAL in Südhessen ein Stelldichein. In mir herrschte Chaos. Wem das Herz schenken? Doch wie manches im Leben, sollte sich der Konflikt von allein lösen... - - Mit einigen Spannungslösern im Blut hatte ich mit meiner Kirsche um halb zehn erstmals Darmstädter Boden betreten. Per Linienbus am „Langen Lui“ und dem Schloß vorbei, schlugen wir um zehn vor der „Goldenen Krone“ hinterm Markt auf. Jörg von der Veranstaltergruppe Soleïlnoïr erwartete uns, wir standen auf der Gästeliste... Im Inneren des historischen Baus war es still: Die Fußball-EM hatte es komplett entseelt. Kneipe, Blue Note und Dance-Hall: niemand weit und breit. Nur im Obergeschoß waren paar Leute zu erblicken: sagenhafte dreißig. Die Freunde des runden Leders verfolgten im „Kino“ den Viertelfinalsieg von „Rehaklis“ Griechen über Frankreich; einige tummelten sich an der „Rocky-Bar“; eine Handvoll in der 500 Besucher faßenden „Live Bühne“. Hier traf ich nach vielen Mails erstmals mit Matte von The Great Escape aufeinander. Ich hatte ihm ein Shirt vom ersten Doom Shall Rise mitgebracht - Matte revanchierte sich mit einer seltenen Version seiner Gruppe auf CD, einem Nicki und diversen Stoner-Ansteckern. Händeschütteln auch mit Soleïlnoïrs Earth und Maggot - und alles war gut! Nachdem sich auch eine Stunde vor Mitternacht nicht mehr als zwei Dutzend im Krönchen einfanden, ging es endlich los...
ROCKBLOCK 3001 waren vor sechzehn Leuten kurz vor elf die Ersten. Angetrieben von drei (!) Gitarristen, Bassist, Schlagzeuger und Sänger orientierte sich der Stil an Stoner Rock und Alternativ Metal. Die selbsternannten Stoner Metaller aus Hofheim am Taunus (alle Anfang zwanzig und in ölverschmierten Achselhemden), absolvierten ihren Part modern und druckvoll. Frönten sie anfangs eher psychedelischen Klängen (“Daydancer“), so ließen sie in Halbzeit zwei umso heftiger das Stahlroß galoppieren (“Diary of Repentance“). Die Inhalte wurden leider Opfer eines übersteuerten Gesangs. „Paris-Dakar“ war ein Neues, und beim punkigen „Situations like This Need a Special Answer“ unternahm der Dicke unter den Gitarristen einen Abstecher auf die Gastfläche - um hauteng vor zwei Headbangern sein Instrument zu traktieren. Der Sänger grollte über den „scheiß Fußball“, und zum Trost darf die Rasselbande eine Woche später beim „Sounds of Frankfurt“ vor einem halben Milliönchen spielen. Nach kurzer Pause ging der Sechser in eine Verlängerung - von der er lieber die Finger gelassen hätte. Denn Slo Burns „Pilot the Dune“ war derart verpfuscht, daß ich es nicht mal erkannte (Earth klärte auf). Alles in allem waren RB 3001 eher ein Sonntagsschuß, aber ein guter Kick allemal. Nach vierzig Minuten war Abpfiff.
1991 hatten Kyuss etwas Neues kreiert: eine Kreuzung aus Heavyrock, Blues und schweren Wah-Wah-Verzerrungen, zelebriert in der kalifornischen Wüste zwischen Staub, Kakteen und riesigen Joints - den Stoner Rock. Vier Jahre später drohte der Mammon ihre Freiheit zu vereinnahmen. Kyuss lösten sich auf - und wurden Mythos. Ungezählte Hanfhippies versuchten sich am Stoner Rock der Amis. Nur ganz wenige kamen auch nur annähernd an deren Einmaligkeit heran. Mit die Besten stammen aus dem verschlafenen Mainfranken: die vormaligen SONS OF KYUSS, jetzt THE GREAT ESCAPE! Nach dem Irrsinn im „Titty Twister“ vor Monatsfrist durften wir der Neuauflage huldigen. Kurz vor Mitternacht nahmen uns El Lueckert, Vandeven und Weigand mit auf einen neuen Joyride in die Glitzerwelt des Psychedelic Stoner Rock. Auch heute traten wir im bezirzend daherwabernden „Wherever You Are“ hinüber in die Weiten von Love & Dope. Wie von Matte versprochen, folgte der charismatische Triprocker „Tomorrow“, und ab dem durchgebrannten „King of the Race“ war es höchste Zeit, den Tanzgrund aufzuwirbeln. Die hypnotische Reise in flirrender Hitze ins Nirgendwo, „Ride On“, folgte, und Uwe konstatierte mit einem Auge auf Vitus: „Wir haben einen zweiten Gitarristen in der Band!“ Tja, ich stand sooo verlassen auf weiter Front. Nur zwei scheue Mädel trauten sich noch nach vorn. Egal! Die Eskapisten waren wieder unverschämt anrührend. Matte hatte sich den Fetzen vom Doom Shall Rise übergesteift. Mal sprang er wild umher, mal zog er den Bass ekstatisch durch den Bühnenstaub. Uwe riffte sich mähneschwingend wie Garcia den Blues aus der Seele. Und vom Drumraiser gab Steffen den taff hämmernden Takt vor. „Sweet Smelling Summer“ rockte vorüber - berauschend ohne Ende, „Someone Knows“ türmte einen irrsinnig rauschhaften Fuzzwall auf, und die Riffrocker „Red Slip Lady“ und „You ain´t Nothing“ besiegelten alles. Klar, daß die Kerle nochmal ran mußten. Dabei gruben sie zwei Schätze aus den frühen Neunzigern aus: Slo Burns „July“ und Kyuss´ „Gardenia“. Ein letztesmal nackter Wahnsinn und Stoner Rock wie ein Traum! Um 0 Uhr 45 Uhr dankten wir TGE. Die dankten zurück...
 
Eine halbe Stunde später rollte der unwiderruflich letzte - ein nur zum Hessentag eingesetzter Sonderzug - zurück nach Frankfurt. Eine Entschuldigung ging an Promoterin Evelin für den verlorenen Auftritt von SOLEÏLNOÏR. Soleïlnoïr haben vor zehn Leuten gespielt. Sie brachten kein (!) Slo-Burn-Cover. Das Konzert endete um 2.15 Uhr.
 
 

Heiliger Vitus, 28. Juni 2004
.:: ABSPIELLISTE ::.
 
THE GREAT ESCAPE
(23.45-0.45)
1. Wherever You Are
2. Tomorrow
3. King of the Race
4. No Regrets
5. Ride On
6. Sweet Smelling Summer
7. Someone Knows
8. Red Slip Lady
9. You Ain´t Nothing
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10. July (Slow Burn)
11. Gardenia (Kyuss)