THE GREAT ESCAPE, GORILLA MONSOON, HAVANNA HEAT CLUB
D-Dresden, Titty Twister - 21. Mai 2004
Nach dem 4:0 von Dynamo bei Werder Bremens Amateuren war Dresden in einem Meer aus Fahnen in kräftigem Schwarz und sonnigem Gelb versunken. Die Sportgemeinschaft hatte sich dem Unterhaus auf 180 Minuten angenähert, und die Lords des „Heavy Duty“ hatten den „Titty Twister“ angemietet, um dort eine ROCK´N´DOOM-NIGHT auszurichten... Damit lernten Frau Peanut und ich nach „The Church“ heute den nächsten neuen Rockklub der Stadt kennen. Bedingt neu. Denn den nach der Stripteasebar aus „From Dusk Till Dawn“ benannten Laden - ein Ableger des Hotels „Mezcalero“ - gibt´s schon länger. Seit 2003 jedoch an neuem Ort im Keller der Pfund´s Molkerei. - In der Blauen Stunde gönnten wir uns ein Häppchen in der schicken Musicbar „Backstage“. Sogar das Klopapier war dort mit blau eingestanzten Delphinen veredelt. PAWELLA ICE, eine jazzige Soul-Combo aus Pirna, absolvierte an diesem Abend einen Auftritt. Deren Start war für uns das Zeichen zum Aufbruch in den Twister... Unter der Erde füllten hundert Leute den weiten - 350 Menschen fassenden - Halbschatten anfangs nur spärlich. Später sollten es rund 250 gewesen sein, darunter die HD-Chefs „Der Lange“ und Willi, Dude „Hellrock666“ Seb sowie „Suck-&-Swallow“-Ulf. Exotisch präsentierte sich die Saaldekoration: An den Mauern prangten Maya-Reliefs und Totenköpfe, im Raum standen sinnliche Kerzentische mit Holzstühlen, sowie Särge im Tex-Mex-Stil als Sitzmobiliar.
„Money back“: 22 Uhr 09 warf der nach einem Super-8-Porno benannte HAVANNA HEAT CLUB aus Berlin den Motor an. Der HHC waren Gotaut, Quicker, Gärtner und Woicke, gestandene Typen mit 6,66 Promille Motörhead im Blut. Und weil´s so gut lief, blies man mit „22nd Floor“ und „Get up!“ gleich die nächsten Motörheadspeedrocker durch die Speaker. Unterdes das Publikum nicht eine Miene verzog. Der Frontmann quittierte es mit „Ihr müßtet euch mal sehen“. Hochenergisch riffend ging´s weiter. Mit „Jesus´ Blood“ nebst der einenden Botschaft „Alcohol is running through my veins!“ Dresden kam zu sich, doch Gotaut klagte: „Wo sind die Mädel? Nur schwarze T-Shirts hier!“ Und: „Jeder, der schreit, kriegt ein Freibier!“ Trotz weiterer Zurückhaltung der Sachsen legten sich die vier aus Ickedettekiekemal schwer ins Zeug und schickten Liebesgrüße „an die Freunde der USA, die so schön die Menschenrechte respektieren.“ Titel: „Die-Cast-Criminal“. Berlin spritzte mit den Mündern Wasserfontänen in die Luft, und die „Story of a Burnin´ Stone“ und „I Want“ wirbelten durch den Twister. Jo schickte einen „Gruß an Berlin und Dresden! Friede und Arbeit!“, und widmete als Zugabe einer Berliner Tätowiererin, allen Tätowierten und Alkoholikern „Tattoo Me“. Noch ein „Dankeschön Berlin, Dankeschön Dresden, Dankeschön Titty Twister! Ihr wart die Geilsten!“ Nach fünfzig Minuten war der HHC durch... und jemand von The Great Escape erkundigte sich, ob ich Gras hätte.
23 Uhr 25 stieg das Interesse ruckartig. Die furchteinflößenden Menschenaffen waren von der Kette. GORILLA MONSOON! Erstmals erlebte ich die „Hellrock Inc.“ bei deren Frontdebüt 2001. Damals noch mit Rock´n´Roll-Hyperventilator „hellrock sb“ hinterm Mikro. Nach der verbummelten zweiten Schau (mit Electric Wizard und Warhorse 2002) bot sich heute eine neue Chance. Die Besetzung 2004 hört sich so an - Gitarre und Gesang: Jack Sabbath (im früheren Leben: Grindhool), Gitarre Nummer zwei: Phil, Bass: Chris, sowie am Schlagzeug: Bandgründer Drumster. „Einen schönen guten Abend wünsch´ ich! Das Konzert ist gewidmet dem Willi, der sich den Arsch aufgerissen hat. Und meinen Eltern, die es echt geschafft haben, vorbeizukommen. Viva Marihuana!“ So die Begrüßung des mit Mörderkoteletten ausgestatteten Jack Sabbath. Überhaupt Sabbath! Der thronte hinter einem megacoolen Mikroständer mit einem kapitalen gehörnten Schädel! Coolness ist auch das Markenzeichen der Gorillas. Alles was Dresdens Feinste machen, ist verdammt cool, verdammt brachial und verdammt drückend. GM kreieren aus ultraschwerem Hardrock, groovendem Metal und sickem Sludge einen ganz eigenen Bastard. Einen massiven Doom Core zwischen Entombed, Crowbar und EyeHateGod. Wie tonnenschwer stampfende Gorillas fegten die Donnerstürme um „Down to Hell“ und „Night of the Wolverine“ durch die Speaker. Sabbath pimte sein Gekeif mit Nazgul-Schreien, der kahlköpfige Chris ließ die dicken Trossen nur so schnurren, und die langhaarigen Phil und Drumster kratzten und peitschten ihre Apparillos nach feinster Heavy-Manier. Sabbath salutierte dem „wegen Reichtums nicht mehr zur Band zählenden Beissert“, und ließ mit „Crowbar“ das nächste Brecheisen folgen. Und Dresden und Vitus headbangten zu demonstrierter Heavieness mit Titeln wie „Death Revolution“, „Hatebreed“, „Black Sun Disease“ und „My Way“. Bevor sich der Sturm mit dem verdrogten „Codeine Commander“ legte. Doch dann... ein neues Aufflackern und zwei weitere Monsuns prasselten auf uns nieder. Darunter die ungestüme Altigkeit „Born to Lose“. Schließlich sind wir es ja alle ein wenig. 32 Minuten nach Mitternacht war es vorbei. GM sind im vierten Jahr ihrer Existenz ein arschtaffes Rudel und Dresdens Führende in der Klasse Schwergewicht. Nach den Gorillas entvölkerte sich der Klub um die Hälfte. Schade, diese Leute haben etwas verpaßt...
... denn für die folgenden neunzig Minuten lassen sich einfach nicht die richtigen Worte finden! Stoner Rock übernahm das Regiment. Es war 0 Uhr 52, als die im Qualm Stehenden „Hallo! Wir sind THE GREAT ESCAPE aus Scheißegalwoher“ vermeldeten. Eine verzerrt jaulender Sechssaiter aus der Steinzeit, ein verschwommen donnernder Viersaiter, entschleunigte Stöcke, dazu orgiastisch-kojotige Vokale und stimmungsvolle Echos von den Sternen: TGE waren mit dem Dopemonster „Wherever You Are“ eingestiegen. TGE sind drei Neohippies aus dem Aschaffenburger Land mit den Namen Uwe, Matte und Steffen. Der wechselnd rockig-eruptive und psychedelisch-kosmische „King of the Race“ ließ die Woofer röhren. Ihm auf den Fuß folgte das samtig-dunkle „No Regrets“. Bedauern? Wir bedauerten nur, The Great Escape jetzt erst zu entdecken! Das gedrosselt anfangende, sich zu phänomenalem Powerfuzz auftürmende, und nebulös hinweggleitende „Ride On“ waberte durch den Twister. Yeeeeee-Haaaaaaw! Dozer, Natas, Queens... wie auch immer die Rivalen heißen mögen: Habt ihr das vernommen? Es war irre, die Franken sorgten für Gänsehaut und Gefühlsstürme von großer Macht. Der „Sweet Smelling Summer“ rockte lasziv vorüber. Und beim Überkracher, dem knackigen „Someone Knows“, konnte ich nicht anders als mich ehrfürchtig auf den Boden zu werfen. Fortan headbangte und meditierte ich kniend, neben und über mir ein Meer wild fliegender Haare. Nur hundert hatten überlebt. Doch die feierten das Dreigestirn frenetisch ab. Der Kometenschweif „Experience“ kühlte die Körper etwas ab und ließ neuen Atem schöpfen... „Don´t Think“ törnte den Wahnsinn neu an, und die Rocker „Red Slip Lady“ sowie „You ain´t Nothing“ beendeten den regulären Teil. Zugaben waren fällig. Zwei hatten die Eskapisten, Würdigungen der Götter Kyuss. Zum einen ließ „Gardenia“ die Wah-Wah-Verehrer außer Rand und Band tanzen; und um 2 Uhr 25 rundete - entgegen Uwes Flehen, der Schlagzeuger sei im Arsch - die „Green Machine“ den Auftritt ab. Die Dacapos hätten selbst Garcia & Amigos keinen Peso schöner zelebrieren können. The Great Escape hatten sich mit Wucht in unsere Herzen gespielt. Es war wohl die Schau ihres Lebens - eine S t e r n e n s t u n d e!!!
 
Nach dem Trip verloren wir uns an der Bar. Gegen 3 Uhr 45 verließen wir die Katakombe, und trafen im Hof auf die Helden der Nacht. Die verabschiedeten sich mit fast demütigen und einfachen Worten: „Danke, daß ihr die Platte gekauft habt. Danke, daß ihr hier wart. Ihr wart super!“ Halb fünf erreichten wir unter den funkelnden Sternlein und dem Licht des Maimondes am nächtlichen Himmel über Dresden unsere Herberge am Lockwitzbach. Der Morgen danach war leidvoll. FROM DUSK TILL DAWN...
 
 

Heiliger Vitus, 8. Juni 2004