HAMMER OF DOOM VIII
 
WHILE HEAVEN WEPT, JEX THOTH, PROCESSION, YEAR OF THE GOAT, BEELZEFUZZ, ALTAR OF OBLIVION, AGE OF TAURUS, BELOW, WHEEL
D-Würzburg, Posthalle - 16. November 2013
Sonnabend, 16. November (2. Tag)
 
Spieglein, Spieglein... Selten war meine Irritation so groß wie an jenem sonnenüberstrahlten Morgen des zweiten Tages vom Hammer Of Doom, als mich aus dem Badezimmerspiegel im Hotel ein fremdes Gesicht anschaute. Und dann klebte eine Treppe tiefer auch noch ein Aushang: KEIN ASPIRIN AN DER REZEPTION! Aber der verheerende Anblick sollte das einzige Beschämende an diesem Morgen bleiben. Nach heißem Sex in Heidingsfeld und noch heißerem Sex bei den Mittagsglocken von St. Laurentius, wurde der Tag ein schöner! Aber auch große Zeiten bleiben nicht stehen. Voraus die Latte von neun Gruppen des Doomsday - und beim Aufbruch ein Laden namens „Crazy Heels“ auf der anderen Straßenseite......
Zur Strafe für die Liebe hatten Peanut und ich wiederum von den Ersten nichts mitgekriegt. Betrüblich. Dortmunds Doom Metaller WHEEL gehörten zu meinem Favoritenkreis, und sie schienen auch blendend angekommen zu sein! Mourner reckte den Daumen nach oben und äußerte: „Guter, klarer Gesang. Gut, daß Deutschland so was hat!“ Mourner mußte mit Wheel unbedingt ein Interview für die „Doom Metal Front“ machen. Erlebt hatten den Auftritt unterdessen nur an die zweihundert Leute. Der Freitag hatte schlimme Folgen... Und wer doomt schon ein Uhr mittags?
Immerhin erlebten wir die Zweiten. BELOW machten da weiter, wo Orchid gestern aufhörten, und bliesen mit ihrem Epic Doom alles weg. Below aus Nyköping hatten 14 Uhr losgelegt, und dabei die komplette Dreiviertelstunde noch nicht mal ausgereizt. Aber was Zeb, Paud, Berg, Hedman und Doc ablieferten, war ganz großartig. Metal und Doom ergeben manchmal eine explosive Mischung. Und eben jene kam bei Below hart, geradeaus, mit kristallklarem Tenor, und doch verdammt tiefgründig daher. Im Zusammenspiel mit ihren Gesten wirkte die Rotte aus Schweden wie ein Gekreuz aus späten Black Sabbath und alten Metallica. Wuchtig, düster und voller Adrenalin war das. In der Hoffnung auf Sympathie für die Idole aus Birmingham hatten Below das Letzte Black Sabbath gewidmet: das „Headless Cross“. Vokalist Zeb schien derart beeindruckt, daß ihm glatt der Ort des Geschehens entfiel. Der Dank nach vierzig Minuten hieß „Thank you, Nürnberg!“...
Mit der Salution „We are AGE OF TAURUS from UK!“ war richtig Feuer unterm Dach. Wenn jemand für das Festivalmotto „Hammer Of Doom“ stand, dann waren das bei der achten Austragung die Heavy Doom Metaller aus London. Wright, Riddell, Bruce und Claydon fuhren kolossale Gitarren, brachiale Trommeln und abgründige Vokale in mittlerer Tonlage auf. Mit dem sich unentwegt ekstatisch biegenden Sechssaiter Riddell hatten sie den Mann mit den absolut längsten Loden in ihren Reihen (reichten bis zum Arsch), sie hatten einen Gewichtigen am Viersaiter (der mit seinen deftigen Bemerkungen gar kein Erbarmen kannte), sie hatten einen durchdringenden Vokalisten, einen originellen Trommler, und einen Sound, der dem eines alles niedertrampelnden Bullen glich. Die einzelnen Stücke bewegten sich zwischen magisch Langsam und zerstörerisch Schnell. Während „Walk With Me, My Queen“ der erste echte Doomer des gesamten Festivals war, stand das finale „The Bull and The Bear“ wiederum für den Kampf der Kreaturen. Die vier Rauhbeine von der Insel waren der echte Hammer! Auch While Heaven Wepts in der Meute herumgeisternder Jim Hunter schien fasziniert!
Ansatzlos und fünf Minuten früher als im Zeitplan gingen ALTAR OF OBLIVION ans Werk. Die fünf Jungen aus Groß-Kopenhagen kamen etwas nüchterner und spröder in der Ausstrahlung, aber keineswegs schlechter als die Briten daher. „Guten Abend Würzburg! Ich hoffe, ihr seid gut drauf!“ Mit Mik „Meister der Töne“ Mentor hatten sie nicht nur einen Frontmann mit klarer, heller Stimme, sondern auch mit besten Kenntnissen in Deutsch. Womöglich stammen jene aus dem Interesse für Lektüre aus dem Zweiten Weltkrieg. Stilistisch ließen sich die Dänen zwischen Epic und Power Doom einordnen. Ihre mittelschweren Brecher waren von einer leicht progressiven Note gespickt, es wurde mehr gekloppt. Besonders bemerkenswert bleibt der Titel „Graveyard of Broken Dreams“, den sie ihrer Plattenfirma widmeten - wie auch immer das zu deuten war. Mit dem heldnischen „The Final Pledge“ waren Altars of Oblivion zehn Minuten früher durch als erwartet!
Gegen 17 Uhr hatte sich die Halle mit sechshundert Leuten wieder ordentlich gefüllt. BEELZEFUZZ benutzten zur Probe das „Perfect Strangers“-Riff von Deep Purple. Damit bog der Abend in eine ganz andere Richtung ab. Ortt, Pug und McCloskey orientierten sich am Hardrock der Siebziger, an Psych und am Doom, wobei Dana Ortt glatt als Alter Ego von Dave Wyndorf (Monster Magnet) durchging. Hätten Beelzefuzz nicht so einen unsagbar schnarchigen, bewegungslosen Bassisten in ihren Reihen gehabt, wären die bärtigen Männer aus dem Doom-Eldorado Maryland gar nicht mal übel gewesen. So blieb eine etwas verschwommene Performanz mit zwei grandiosen, leicht sakral bis okkult angehauchten Doomern, einige entrückt herausgeschriene Pointen, und das vielsagende Wort „Peace!“ zum Abschied. Nach vierzig Minuten war für die Amis Schluß.
Mit der Dämmerung hatten wir einen Besuch der Dönerbude ums Eck beschlossen. Das hätten wir nicht tun sollen. Als wir uns gegen 18 Uhr 15 wieder der Posthalle annäherten, röhrten uns bereits aus einigen hundert Metern Entfernung schwermetallische Gitarren im Stile Iron Maidens entgegen. Wieder in der Menge, waren die Epicdoomer YEAR OF THE GOAT auf der Hälfte ihrer Wegstrecke angelangt. Die Schau bestand aus den von Schweden gewohnten, in Heile-Welt-Musik verpackten Elektrogitarren - aber neben allem Schablonenhaften hatten die Ziegen aus dem Norden mit dem schwergewichtigen Herrn Sabbathi auch einen Ausnahmesänger an Bord. Sabbathi erinnerte etwas an Danzig. „Die Stimme ist Wahnsinn!“, stellte Peanut fest. 'Angels´ Necropolis' war der einzige Tonträger, den wir uns beim Hammer Of Doom zulegten.
Die Botschaft war „World Doomination“, die Umsetzung aber leider sehr schrottig. Schlag sieben war die Halle mit tausend Piepeln rammelvoll, und reihum sah man offene Münder. Um die Zeit hatte sich ein unbekannter Blondschopf in knallengen Lackhosen zum Einkitschen ein Riffgewitter aus der Hand geschüttelt, daß ganz Würzburg echütterte. Keiner von PROCESSION, dachte ich. Peanut sagte noch, daß es auch in Chile Blonde gibt. Und als es dann ernst wurde, stand der Gitarrengott immer noch im Licht - und war zwischen seinen Mitstreitern und den Keltenkreuzbannern links und rechts zu einem niedlichen Posierer verkommen. Procession zeigten sich in einer stark veränderten Formation. Gitarrist und Sänger Felipe Plaza war das einzige Überbleibsel aus dem Rudel vom Doom Shall Rise 2009. Assistiert wurde der Chilene heute von den Schweden Pedersen, Lindholm und Bruniusson. Procession 2013 hinterließen einen zerfahrenen Eindruck. Ihr Doom Metal hatte längst nicht das Feuer und die Leidenschaft der Aufbruchszeit. Eigentlich wollte ich eine Stunde durchbangen - und dann waren Procession die Enttäuschung des Festivals. „Death and Judgement“ blieb als Höhepunkt, und „Stay doomed“ als Plazas finaler Gruß. Im Abspann lief Candlemass´ „Solitude“ vom Band...
Eine böse Zunge hatte sie „Die Britney Spears des Doom“ genannt. Und in ihrem aufreizenden Fummel könnte sie jeder für ein Flittchen halten. Die Frontreihen waren voller voyeuristischer Stielaugen, als die exzentrische Esoterikerin Jessica Toth aus Madison, Wisconsin die Bühne betrat - um mit ihrer Glaubensgemeinschaft JEX THOTH weltfremde Klangteppiche zu entrollen, und mit ihrem String-bedeckten schönen Körper für Schockschwerenot unter den Kerlen zu sorgen (die halbe Halle hätte sie gern flachgelegt, einer aus Malta fühlte sich von sexy Jex so angetörnt, daß er schließlich masturbieren wollte). Das Podium lag verdunkelt und vernebelt da, die Luft roch nach Orient, und eine ganze Batterie aus Kerzen und Räucherstäben, eine Hammondorgel, ein Keyboard, eine Gitarre, Baß und Trommeln sorgten für eine mystische Optik - ein wahrliches „Jessica im Wunderland“. Aber so heiß der Strick auch war, so schamanenhaft die Gesten, so poliert und nichtssagend waberten das sonore Dröhnen der Bässe und die psychedelische Tonkunst von Jex Thoth durch die Halle. Überfallartig schnelle Einsprengsel sollten den Reiz steigern, aber rein klanglich blieb wenig zurück. Als Co-Hauptgruppe durften Jex genau eine Stunde ran. Zugaben blieben aus. Nein, der schönste Hinterm aus dem Mittleren Westen der USA hat mich nicht verrückt gemacht.
Nach mehr als neun Jahren kam es für Peanut und mich zum dritten Erlebnis mit den Epic-Titanen WHILE HEAVEN WEPT aus Virginia. Nach all den Jahren waren heute nur noch Tom Phillips und Bassist Jim Hunter dabei. Nur noch? Es waren zwei führende Köpfe des US-Doom! Phillips hatte den Gesang schon vor Jahren an Rain Irving abgegeben und sich ganz auf den Sechssaiter konzentriert. Ferner waren heute die Geschwister Scott und Michelle Loose an der zweiten Gitarre und dem Klavier, sowie Schlagzeuger Trevor Schrotz auf der Bühne. Die Einleitung bestritt Tom mit der Pianistin allein. Gleich darauf folgten mit „Sorrow of the Angels“ und dem vor einem Vierteljahrhundert entstanden „Into the Wells of Sorrow“ zwei richtig schwere Melancholiker. Von Anfang an agierten Phillips und Hunter mit anrührender Besessenheit. Tom schlug sich immer wieder die Faust aufs Herz, der Bassist war am Dauerbangen. Tom bestritt auch sämtliche Ansagen, während Irving nur für seine Vokalparts ins Licht trat (um später auf „Saturn und Sacrifice“ in den Graben zu springen und die Frontreihe abzuklatschen, auch mich). Ferner waren Irving und Hunter die einzigen, die sich an deutsches Bier trauten. Eine weitere Einzigartigkeit folgte durch die für 'Sorrow Of The Angels' geplante, aber nicht veröffentlichte Altigkeit „Unplenitude“, und ab den in Trauer und Hoffnung versunkenen „Drowning Years“ stand der Verfasser dieser Zeilen haarewirbelnd im ersten Sturm. Aus dem Augenwinkel sah ich jemand mit gefalteten Händen beten. Weitere Geniestreiche der Amis sprengten alle Maßstäbe des diesjährigen Hammer Of Doom. WHW waren zwar getragen, aber nie pathetisch; der Sound kam satt, aber nicht überdosiert. Zu einem Sterbedrama kam es ziemlich am Schluß. Heute wurde ein letztes und finales Mal das zum Heulen schöne „Thus With a Kiss I Die“ zelebriert. 23.34 Uhr Fränkischer Zeit war dieses Lieds verklungen. Es kommt nie wieder! Aber das war noch nicht das Ende. Erst „Vessel“ beschloß die zwei (!) Geschichtsstunden in Sachen epischen Metals. While Heaven Wept waren die Heiligsprechung des achten Hammer Of Doom. Sie brachten die Katharsis! Ave!
 
Durch einen Mißgriff gab es keine Andenken. „Sorry, wir haben nichts. Das war ein Fehler der Band“, lautete die peinliche Begründung der Standbetreiber. Beim Abzug tönte erneut Candlemass´ „Solitude“ durch die Halle. Im Unterschied zu den „Dutch Doom Days“ in Rotterdam, wo das Fest traditionell von Reverend Bizarres „Doom Over The World“ besiegelt, und wo der Ausklang regelrecht mitgeschrien wird, verlief der Abschied vom Hammer of Doom weitgehend stumm und frei von Gefühlen. Rund 500 hatten durchgehalten. Blumen überreichte mir ein gewisser Herr Tofukeule, der mich erst mit „Ach, der Heilige Vitus“ begüßte, und auf meine Frage, woher wir uns kennen, antwortete: „WEIL DU DER DOOM BIST.“
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
WHEEL
(13.00-13.45)
1. Ethereal Sleep
2. To My Love Departed
3. Icarus
4. The Mills of God
5. A Daughter's Song
6. Lilith
7. Frozen Sun
8. Night of the Vampire
 
AGE OF TAURUS
(14.59-15.40)
1. A Rush of Power
2. Unto The Hour of Dead [?]
3. Always in The Eye
4. Walk With Me, My Queen
5. Desperate Souls of Tortured Times
6. Sinking City [?]
7. The Bull and The Bear
 
ALTAR OF OBLIVION
(15.55-16.35)
1. My Pinnacle of Power
2. Graveyard of Broken Dreams
3. Salvation
4. Wrapped in Ruins
5. Narrow Gates of Emptiness
6. The Final Pledge
 
YEAR OF THE GOAT
(18.00-18.42 / ohne Gewähr)
1. Angels´ Necropolis
2. Spirits of Fire
3. Vermillion Clouds
4. For the King
5. Voice of a Dragon
6. Circle of Serpents
7. This Will Be Mine
8. Of Darkness
9. I´ll Die for You
10. Thin Lines of Broken Hopes
 
PROCESSION
(19.00-19.54)
Damnatio Memorae (Intro)
1. Destroyers of The Faith
2. To Reap Heavens Apart
3. Raven of Disease
4. Like a Plague Upon The Earth
5. Death and Judgment
6. Conjurer
 
WHILE HEAVEN WEPT
(21.45-23.44)
1. Epilogue (nur Tom Phillips & Michelle Loose-Schrotz)
2. Sorrow of the Angels
3. In Aeturnum
4. Into the Wells of Sorrow
5. Vast Oceans Lachrymose
6. The Furthest Shore
7. Unplenitude
8. To Grieve Forever
9. Saturn and Sacrifice
10. The Drowning Years
11. Of Empires Forlorn
12. Voice in the Wind
13. Soulsadness
14. Thus With a Kiss I Die
******
15. Vessel
Epilog
 
Sonntag, 17. November
 
Nach dem zweiten Tag waren wir im Puls des Hammer Of Doom. Die Köpfe waren weit weniger schwer als am Morgen davor. Peanut und ich bedauern unseren Boykott der vergangenen Austragungen. Die Räder der Zeit lassen sich leider Gottes nicht zurückdrehen. Aber wir kommen wieder!
 
 
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Heiliger Vitus, 21. November 2013, Bilder: Vitus und Peanut