HAMMER OF DOOM VIII
 
ORCHID, ASHBURY, BLUES PILLS, SCORPION CHILD
D-Würzburg, Posthalle - 15. November 2013
Ketzerei hin, Ketzerei her: Nach der ersten Auszeit des „Doom Shall Rise“-Fesivals 2008 hatten sich die Nebenbuhler in Franken offenbar in Windeseile Gedanken gemacht, und mit dem HAMMER OF DOOM am 31. Januar 2009 einen Ersatz inszeniert. Mit dem geldstarken „Keep It True“- und „Rock Hard“-Kartell im Rücken, konnte man in Würzburg große Namen buchen und das Göppinger Original ausstechen. Bereits mit der zweiten Austragung kam es zur Weiterentwicklung vom Keller des Jugendklubs „B-Hof“ in die 2100 Personen fassende „Posthalle“, ehemaliges Postverteilerzentrum der Deutschen Post, einer Kathedrale der funktionalen Kälte. Die seither beim „Hammer“ Aufgetretenen lesen sich wie das Who´s Who des Doom Metal: Count Raven, Pagan Altar, Pentagram, Saint Vitus, Solitude Aeturnus, Solstice, Trouble, While Heaven Wept: alle waren sie da. Die ersten sechs Ausgaben stiegen im Halbjahresabstand im Frühling und Herbst, seit dem sechsten Hammer Of Doom erstreckt sich das Festival über zwei Tage, wird seit 2012 aber nur noch einmal im Jahr, im Herbst, ausgetragen. - - Peanut und ich waren den ersten sieben Runden ferngeblieben. Aus Treue zum Doom Shall Rise, aus Kostengründen, und nicht zuletzt wegen dem gewerblichen Beigeschmack. Neben einer für Doom-Maßstäbe gigantischen Bühne traf man in der flugzeughangargroßen Posthalle auf einen Marktplatz, der das gesamte Spektrum des Metal von der NWOBHM über Speed und Thrash bis hin zu Black Metal abdeckte. Zerstört wurde das Doom-Gefühl auch durch einen Bühnengraben. Die Besucherzahl hatte sich gegenüber Doom Shall Rise verdoppelt. Am Freitag pilgerten rund 800 in die Halle, am Sonnabend sprach der Saalschutz von 1000. Neben vielen Metallern kamen viele verliebte Pärchen und Ausländer. Halb Europa traf in Würzburg aufeinander. Neben der Doomclique aus Holland und dem englisch-arabischen Kauderwelsch von Malta waren Stimmen aus Portugal, Frankreich, Skandinavien, England und dem Baltikum zu hören. Jeder zweite trug ein Nicki von Saint Vitus, der Rest hüllte sich in Kutten. Der Eintritt hatte sich gewaschen: Fürs Wochenende wurden 49 Euro abkassiert (800 gingen im Vorverkauf weg), die Karte für den Freitag lag bei 24, die für den Sonnabend bei 34 Euro. Doom stand zwar auf dem Etikett, aber in der Wirklichkeit kredenzten die meisten Gruppen ein eher nostalgisches Gebräu aus Hardrock, Psych und Heavy Metal - nicht ganz der Stoff, den wir wollten. Trotzdem: Bloß kein Jahr ohne Szenetreffen!
 
Freitag, 15. November (1. Tag)
 
Zu unserem Einstand in Würzburg hatten wir uns erst am späten Donnerstagabend entschieden. Mit Ach und Krach fanden wir noch ein Bett im abgeschiedenen Heidingsfeld. Durch den spontan gefassten Entschluß bekam Peanut allerdings keinen Urlaub und mußte bis in den Mittag Dienst schieben. Aber Würzburg ist nah. In der sechsten Abendstunde trafen wir in Mainfranken ein. Bis wir uns mit dem Nötigsten versorgt, den kleinen Feigling im Blut, den Austragungsort gefunden, und die Eingangsschleuse passiert hatten...
... waren SCORPION CHILD schon verschwunden. Die fünf aus Austin, Texas hatten den Themenabend „Blues & Psych Made in USA“ pünktlich um 19 Uhr eröffnet. Wir hatten sie um eine Minute verpaßt. Mit Ausnahme der lakonischen Zuordnung zu Rock bis Doom Rock waren die befragten Fans zu keiner objektiven Meinung fähig. Maik „Blackblood“ befand die USAler jedoch gut, und immerhin hatten jene unverzichtbare Shirts am Start.
„Hello Hammer of Doom! We are BLUES PILLS!“, lautete der Gruß der Nächsten. Der Schwarm aus Schweden, Frankreich und Amerika mit Sitz in Örebro spielte detailgetreuen Rock im Sechziger- bis Siebziger-Stil. Mit ihren Lockenmähnen, Schellenrasseln und dem auf Janis Joplin machenden Hippie-Girl Elin wirkten Blues Pills wie eine Combo aus einer anderen Zeit, wie Kinder von Woodstock. Leider kam die Schwedin mit ihrer grellen und flatterhaften Stimme und der zum Kleid genähten Siebzigerjahre-Gardine nicht an ihr verblichenes Vorbild heran. Als positiver Fakt blieb die Erkenntnis, daß beim Hammer Of Doom pingelig auf die Einhaltung der Spielzeit und die des Umbaus geachtet wurde. Blues Pills standen mit 20.00 Uhr bis 20.45 Uhr im Plan, und daran hielt man sich auch. Mit Mottenkugelflair!
Punkt 21.05 Uhr stiegen ASHBURY in ihre Darbietung ein. Jene bestand - Überraschung! - wieder aus antiquiertem Blues. Ashbury waren rettungsloser Mist, aber wenigstens auch von weit her angereist: aus Tucson im Grand-Canyon-Staat Arizona. Die 1983 formierten und aus der Asche wieder ausgescharrten Alten Meister - original zu fünft und mit stillen Seelen, Langhaarfrisuren und Schnurrbärten auf den Brettern - kredenzten blumige Hippieballaden. Mildes, fintenreiches Gitarrengefrickel, wohlige Poesie und ein molliger Unterton zermorphten zu einer friedlichen Stunde frei von Spektakel und dem Bösen dieser Welt. Doom suchte man vergebens. „Du hier?“: Meinem schwäbischen Doomspezl Kischde fiel vor Schreck das Bier aus der Hand, als er mich erblickte. Doch mit dem Ende Ashburys war der Tiefpunkt des Festivals überwunden.
Den ersten Grund zu Freude lieferten ORCHID aus San Francisco. Orchid waren satte 88 Minuten auf der Bühne. Und in diesen achtundachtzig Minuten setzte es einen Gitarrentornado ersten Kalibers. Manche verglichen Mindell, Baker, Nickel und Kennedy mit Black Sabbath, für mich waren sie wie Trouble. Müßten Trouble sich einen neuen Sänger suchen - und würden weiter auf Eric Wagner verzichten - würde ich dringend Theo Mindell empfehlen. Orchid, ihre melodischen, sich tief in den Achtzigern herumtreibenden Doom- und Heavy-Riffs, die ehrliche Attitüde, dazu Mindells wahnsinniges Kreischen, fesselten mich vom ersten Ton an. Ab „Heretic“ headbangte die halbe Halle, und „Capricorn“ - Namensgeber des Erstlingswerks von 2011 - stieg heute zum besten Lied überhaupt auf. Fünf Minuten vor Mitternacht war der zweite Nachbrenner namens „Wizard of War“ verhallt. Niemand sonst durfte verlängern! Der Doom (!) Metal von Orchid brachte zumindest etwas Heilung für diesen sterbenslangweiligen Freitag.
 
Wer die Nacht noch ein wenig verlängern wollte, dem stand am Ausgang der Posthalle der Tanzboden mit der AFTERSHOWPARTY zur Verfügung. Das dortige Wegbier sollte einem nicht nur auf dem Rückweg durch die krummen Gassen von Heidingsfeld gehörig die Richtung verwirbeln, sondern auch am Morgen danach für eine Täuschung vorm Spiegel sorgen...
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
SCORPION CHILD
(19.00-19.45 / ohne Gewähr)
1. Kings Highway
2. Polygon of Eyes
3. The Secret Spot
4. Liquor
5. Salvation Slave
6. Unbekannt
7. Keep Goin'
8. She Sings I Kill
 
BLUES PILLS
(20.00-20.44 / ohne Gewähr)
1. Bliss
2. Dig In
3. Devil Man
4. Little Sun
5. Astralplane
6. Black Smoke
 
ORCHID
(22.27-23.55)
1. Heretic
2. Mouths of Madness
3. Cosmonaut of Three
4. Capricorn
5. Silent One
6. Eastern Woman
7. Masters of It All
8. Black Funeral
9. Eyes Behind the Wall
10. He Who Walks Alone
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11. Saviours of the Blind
12. Wizard of War
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Heiliger Vitus, 21. November 2013