FROM DUSK TILL DOOM
 
OFFICIUM TRISTE, OPHIS, ATARAXIE, FADING BLISS, MARCHE FUNÈBRE, CRIMSON SWAN
BE-Huy, Atelier Rock - 7. Dezember 2013
Prolog
 
Zwei Doom-Superfans aus Deutschland träumten seit einer kleinen Ewigkeit von richtigem, extremem Doom. Der ist in Deutschland rar - doch in Benelux regt sich was. Ein gewisser Mike Evelette hatte die Gefolgschaft zum ersten großen Doom-Ereignis in Wallonien rekrutiert, dem FROM DUSK TILL DOOM. Leisten konnten die beiden Deutschen sich´s eigentlich nicht. Den einen plagten alle möglichen Sorgen, der andere wollte mit den Moneten gemütlich zu Black Shape of Nexus, Obelyskkh und den Monsters Of Närmberch gondeln. Und normalerweise sollten sie sich auf den Marathon in Rom im März vorbereiten! Das Geld kratzten sie irgendwie zusammen... doch dann stand dem Feldzug in die Ardennen höhere Gewalt im Wege. Orkan „Xaver“ war am Donnerstagmittag von England kommend über Friesland und den Norden Deutschlands getobt. In der Nacht sollte das Unwetter Hessen erreichen. Damit war die Anreise von Peanut und mir in Gefahr...
 
Freitag, 6. Dezember 2013
 
Trotz aller Warnungen war die Bahn pünktlich. Binnen vier Stunden hatten wir uns zum einzig schönen Ort in einer ansonsten derben, krätzigen Gegend, nach Huy im Französisch sprechenden Teil Belgiens, durchgeschlagen. Zwischen Hügeln voller Schmutz, rauchender Schlote und des Atomkraftwerks Tihange, war unser Quartier geradezu beschaulich umrahmt: Wir logierten unterhalb des Zitadellenfelsens am Ufer der Maas. Die Zitadelle erlangte allerdings im Krieg als Internierungslager finstere Berühmtheit. Nicht nur rund um die Festung - in ganz Huy prangten Schilder mit den schicksalsschweren Zahlen und Namen „1940“, „1944“ und „Allemagne“. Der Haß auf Germania schlug uns auf Schritt und Tritt entgegen (und das lag nicht nur an der Eigenwilligkeit der Wallonen, die alles Nichtfrankophile gnadenlos ausgrenzten, selbst die Landsleute aus Flandern!). Auch der Austragungsort für „From Dusk Till Doom“ war vorbelastet. Im Haus an der Uferstraße Quai Dautrebande waren von 1940 bis 1944 die Kommandantur der Wehrmacht und die Gestapo untergebracht. Bizarrerweise befand sich in jenem Gebäude neben der Verwaltung des „Atelier Rock“ und dem Sitz der Anonymen Alkoholiker auch das einzige Klosett für die gesamte Doomgemeinschaft (rund 90 Männer und 30 Frauen). Das Konzert an sich stieg treppab im angrenzenden „Motor-Club de Huy“. Das alles hatten wir bereits am Freitag erkundet. Dem großen Tag fieberten wir in einer der zig Tavernen in der Altstadt entgegen. Im „Vieux de Huy“ kostete das Zauberelixir nur zwei Euro. Der Tag war nicht leicht für uns, doch es wurde spät...
 
Sonnabend, 7. Dezember 2013
 
Nachdem wir uns mühsam erholt hatten, und nachdem wir am Mittag immer noch angeschlagen den mythischen, 1,3 Kilometer langen und bis zu 26 Prozent steilen Zielberg des Radklassikers Flèche Wallonne, die „Mur de Huy“ emporgestapft waren, kam es am späten Nachmittag zur Zelebration des Doom. Passend dazu lag eine graue Dezemberkälte über Huy. Das erste From Dusk Till Doom war dünn besetzt. Auf dem Höhepunkt tummelten sich laut Strichliste 68 Besucher im 300 Menschen fassenden Atelier Rock. 15 Euro betrug der Eintritt, sechs Gruppen traten auf. Mit Begleitern und Crew waren rund 120 Menschen vor Ort. An Flüssigkeiten waren Bier und Jägermeister-Shots für je zwei Euro am Start. Drei Liköre kosteten einen Fünfer, sechs samt roter Anstecklampe gab´s für einen Zehner. Hot Dogs für zwei Euro stabilisierten den Magen. Alle auftretenden Gruppen betrieben einen Stand. Das Festival unterdes lieferte keine Andenken. Es waren weder Flugblätter noch Karten gedruckt, und auch kein Textil. Soweit das Zahlenwerk.
Unter der Woche hatte ich einen Angsttraum durchlebt. CRIMSON SWAN hatten ein verstörendes Video gedreht, in dem die fünf Mitglieder von einer blonden Schönheit der Reihe nach mit Kugel, Plastesack, Strom, Strick und Wasser getötet wurden. Der Film kostete mich eine ganze Nacht... Heute war der „Purpurne Schwan“ sehr lebendig in Huy. Nur dreißig Leute sahen den rumpeligen Auftakt mit „Defiance“ um 16.40 Uhr. Trotz weichen Knien - nach „Doom Over Freiburg“ gaben Crimson erst ihr drittes Konzert; Liedfolge wie tags zuvor im „Crash“) - hätte ihr zwischen Zauber und Tod wogender Death Doom das Gros des „Hammer Of Doom“ verweht. Mit Simon hatten die Hamburger einen Frontmann, der nicht nur klar und tief sang, sondern der auch mit stechendem Blick für eine gewisse Aura sorgte. Glühende Zeitlupengitarren und eine Elektroorgel sorgten für die Untermalung. Crimson Swan verschenkten zwölf Minuten, doch auf den weiteren Weg darf man gespannt sein!
Die Nächsten begannen ihre Schau ziemlich unorthodox mit einer Frage. „You want three or four songs?“- um die Anzahl auf „quatre“ festzusetzen. Ungewöhnlich auch, daß der Sänger seinem Gitarristen vorm zweiten Stück die Saiten stimmte. Dazu hieß die Heimat Mechelen. Mechelen zählt zwar zu Belgien, liegt jedoch in Flandern, und Flamen sind für manche Feinde... Vandenhoeck, Blommé, Egberghs, Iolis und Lefebvre alias MARCHE FUNÈBRE gaben heute ihre erste Schau auf wallonischem Boden. Für die Dauer einer Dreiviertelstunde bekam Huy Schwarzmetall und Bringdichumdoom von höchster Qualität. Stimmen aus der Hölle trafen auf tiefe, wuchtige Instrumente. Die Lieder handelten von Schmerz und Trauer und strotzten dabei vor Kraft und Ewiglichem. Die längste Zeit ging es in beseelter Langsamkeit voran - bis raserische, in Burzum-Gefilden umherrumpelnde Gitarren einem die Schauer nur so übers Kreuz jagten. An der Spitze stand der langhaarige Arne Vandenhoeck dessen durchdringend klare Stimme ziemlich einzigartig im Doom ist. Als Vergleich können Osdou gelten, aber Marche Funèbre waren schwärzer. Der reinrassigste und durchgängigste Blackdoomer trug den Titel „Roots of Grief“, und die folgende Todeskapsel „Lethe“ brachte das Ende. Das Kommando aus Flandern zog mich erst peu á peu - und letztlich im Sturm in seinen Bann. Es glich einem selbstmörderischen Trip durch menschliche Finsternis. Marche Funèbre waren in meinen Augen heute nicht mehr zu schlagen! Die Kiste mit den alten und neuen Shirts war in Windeseile leergekauft...
Während sich die Dritten in Stellung brachten, wandelte jemand mit einem Ruf nach „Satan!“ durchs Publikum. Ihre Verbundenheit zu Luzifer demonstrierten auch verschiedene Akteure immer wieder durch eindeutige Gesten. Indes FADING BLISS mit Gefühlen, einem Schuß Gotik und viel Death Doom zugange waren. Mit zwei Vokalisten, zwei Gitarren, Bass, Orgel, Schlagzeug und edler schwarzer Kluft aufmarschiert, ließen Fading Bliss Pomp und Pathos befürchten. Aber so war es nicht! Und es kam auch nicht zum ewigen Kampf der Geschlechter hinterm Mikrofon. Dazu war Mel´s Frauenstimme viel zu betörend, und das abgründige Geröchel von Dahl viel zu echt. Im Verbund mit der Optik war das gemischte Doppel an der Front entwaffnend bis zum Niederknien. Ihre Gefährten hingen sich nicht minder rein. Leider kamen alle Ansagen auf Französisch (und Fading Bliss hatten einiges zu sagen...). Nachdem sich die sieben zu Beginn mit dem Rücken zur Halle zeigten, ließen sie im Finale einen weiteren Clou folgen: Nachdem die Vokalisten davongeschlichen waren, legte einer nach dem anderen sein Instrument zu Boden. Am Ende hielten sich nur noch ein Gitarrist und der Schlagzeuger im Licht. Empirische Trommeln beschloßen die Darbietung.
ATARAXIE waren aus Rouen angerückt. Zwei von ihnen, Marquis und Berserk, hatten wir jüngst mit Funeralium bei den „Dutch Doom Days“ erlebt. Lange bevor die Akteure auf der Bühne standen, hatten sie die Gemüter durch ihr blondes Mademoiselle mit der bösen Burzum-Jacke erhitzt. Dazu sorgte Leitgitarrist „Berserk“ Patte-Brasseur mit makabrem Humor und wichtigen Allüren für Aufsehen. Als es nach einem aufwärmenden Black-Sabbath-Riff zur Sache ging, und nachdem sie einen starken Auftakt voller rauher Apparillos und morbider Vokale abgeliefert hatte, wirkte die Equipe aus Frankreich über weite Strecken seltsam karg und steril. Vielleicht waren die Erwartungen zu hoch, vielleicht lag´s am Blut der Normandie... Lange war der blonde Bassist von Ophis als bekennender Anhänger von Ataraxie der einzige Headbanger auf weiter Front. Erst nachdem Sylvain Esteve als Herr am weißen Sechssaiter sein Shirt und seine Starre abgestreift hatte, sprang der Funke über. Der viertelstündige, von halluzinierendem Death Metal gespickte Plattmacher, hatte es in sich. Aber im Geheimen hatte ich von den erfahrenen Funeral-Death-Doomern etwas mehr erhofft. Mit exakt 68 Zahlenden hatten Ataraxie das größte Publikum.
Sturm „Xaver“ hatte OPHIS in die Flucht geschlagen. Am Donnerstag hatten sich die vier aus Hamburg in Richtung Süden zurückgezogen, hatten die Nacht in Kassel verbracht, und sich am Freitag noch tiefer in den Süden zum „Doom Over Freiburg“ bewegt. Dort soll alles gut gewesen sein. Mit ihrer Ankunft im Maasland waren sie den Unbilden endgültig entkommen, und Punkt 21.15 Uhr hatten sie die Planken von Huy geentert. Nachdem wir Ophis beim „Doom Shall Rise“ im April erlebten, kam es heute zum zweiten Aufeinandertreffen. Mit ihrer Kreuzung aus Death-, Doom- und einer Spur Black Metal waren sie für Fans des extremen Doom die Faszinierendsten. Ophis haben sich weiterentwickelt. Im Frühling entsteht das dritte Langeisen. Auf dem Weg dorthin füllten sie ihre zornigen wie philosophischen Inhalte heute in eine Kapsel, die nicht ganz das Gift von zuletzt besaß. Ophis präsentierten sich seherischer, subtiler, und die fünf zelebrierten Teile klangen wie ein Mittelweg zwischen kalter, überfallartiger Black-Metal-Ästhetik und traditionellem, tiefem Doom. Die stärksten Momente - darunter das brandneue „Somnolent Dispondency“ - entfalteten sich im Mittelteil. Und weil Ophis ein Trupp aus Deutschland ist, und Tihange vor der Tür lag, beschlossen sie ihre Stunde mit einer funeraligen Reminiszenz einer bekannten deutschen Gruppe: der „Radioaktivität“ von Kraftwerk. Wer bei Ophis nicht headbangte, war völlig verstrahlt oder schon tot!
Das Schöne an Pim Blankenstein und seinem Rudel: Sie zeigen immer wieder, daß Nichts und Niemand perfekt ist. Nachdem Pim den Wallonen seinen Verzicht auf Ansagen in Französisch klargemacht hatte, und nach technischen Wirrnissen innerhalb der Saitenfraktion gleich zu Beginn, kamen OFFICIUM TRISTE anschließend umso stärker ins Rollen - und machten ihren nicht gerade begeisternden Auftritt bei den „Dutch Doom Days“ vergessen. Das heutige Programm war nicht nur um den gnadenlosen Deather „Burning All Boats and Bridges“ erweitert worden; auch Blankenstein, de Jong, Bijlhout, Meyer und Joordan doomten heute wie eine zu einem Block geschmolzene Mannschaft. Es wirkte alles intensiver und zwingender, was die altersmilden Niederländer, allen voran ihr Vokalist, boten. Über die Jahre ist Pims verrottetes und so unendlich desillusionierendes Timbre eins der unverrückbaren Markenzeichen im Doomladen überhaupt geworden. Bei aller Routine nimmt man dem Frontmann ab, was er sich mal um mal mit geschlossenen Augen aus der Seele leidet. Officium haben nicht mehr das Zerstörerische von einst, dafür standen sie heute mit Charisma und Atmosphäre auf dem Podium. Ihr Auftritt in Huy war der doomigste und größte der letzten Zeit. Mit „My Charcoal Heart“ und „Like Atlas“ besiegelten zwei Klassiker des Death Doom die achtzig Minuten von Officium, einen Abend voller Magie, und ein kleines Festival mit großen Herzen. Wir sehnen uns nach der Fortführung!
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
CRIMSON SWAN
(16.40-17.08 / ohne Gewähr)
1. Defiance
2. When Angels Fall
3. Onto This Silvery Path
4. A Waterfall of Sorrow
 
MARCHE FUNÈBRE
(17.30-18.18)
1. These Fevered Days
2. L' Avenue des couers passes
3. Roots of Grief
4. Lethe
 
FADING BLISS
(18.45-19.28)
Intro [Dead Can Dance]
1. 1462 Part II
2. Illusion
3. Chant de Ruines
4. 1462 Part I
5. A Walk Through Despair
 
ATARAXIE
(19.53-20.54)
unbekannt
 
OPHIS
(21.15-22.14)
1. The Mirthless
2. Dead Inside
3. Somnolent Dispondency
4. The Halls of Sorrow
5. Radioaktivität [Kraftwerk]
 
OFFICIUM TRISTE
(22.45-0.05)
1. This Inner Twist
2. Your Heaven, My Underworld
3. The Sun Doesn´t Shine Anymore
4. Burning All Boats and Bridges
5. On The Crossroad Of Souls
6. The Wounded and The Dying
7. The Silent Witness
8. My Charcoal Heart
9. Like Atlas
Epilog
 
Sonntag, 8. Dezember 2013
 
Am Morgen bin ich ein letztes Mal am Maasufer zum Schauplatz des Geschehens gelaufen. Nachdem die befreundeten Bands in einer Bar am Markt eine nächtliche „After Party“ gefeiert hatten, kündete heute am Atelier Rock nichts mehr von Doom. Einen Schwarzgeklufteten oder Langhaarigen haben wir in Huy nicht mehr erblickt. Bevor Katerstimmung aufkommen konnte, habe ich treu dem Motto „Fight Fire With Fire“ mit belgischem Bier gleich weitergemacht. Peanut hatte den Kanal noch von den Tagen davor voll. Nach einem längeren Aufenthalt und einer Überdosis Nudeln in Lüttich haben wir in der vierten Nachmittagstunde die Grenze zu Deutschland überschritten. Wir hoffen auf eine Rückkehr ins verwunschene Huy 2014! Evelett bestätigte sein Motiv für eine Wiederholung der Geschichte. FROM DUSK TILL DOOM FÜR IMMER!
 
Merci und Salutionen
Mademoiselle P.
Hotel du Fort
Chris und Mike
Officium Triste
Ophis
Ataraxie
Fading Bliss
Marche Funèbre
Crimson Swan
 
 

((((((Heiliger Vitus)))))), 11. Dezember 2013