DOOM SHALL RISE
 
REVELATION, REVEREND BIZARRE, SUBVERSION, WELL OF SOULS, OFFICIUM TRISTE, DAWN OF WINTER, VOODOOSHOCK, WYTCHCRAFT, WEED IN THE HEAD, TOLLWUET
D-Crailsheim, Turnhalle Triensbach - 8. Februar 2003
Sonnabend, 8. Februar (2. Tag)
 
Um zehn war ich munter. Strahlender Sonnenschein, stahlblauer Himmel, glitzernde Schneefelder: Draußen zauberte die Natur erneut ein Wintermärchen ins Hohenloher Land. Nach dem Sinnesrausch der letzten Nacht hing so mancher Doom-Shall-Rise-Fan ein wenig in den Seilen. So purzelte ich mit Peanut etwas verkatert runter in den Schankraum. Kalle und Jo erwarteten uns schon, und nach dem insistierten Seidel waren alle Geister wiederbelebt. Nach einer Lagebesprechung schwangen wir uns auf zum neuen Kultort. Weil der Linienbus nur alle drei Stunden fuhr, mußte ein Taxi her. Das kam als Mini-Format daher, und der Chauffeur hatte überdies Schwierigkeiten, die Nachbargemeinde überhaupt zu finden. Zufällig erspähte ich ein Straßenschild und wies dem Mann die Richtung. In Triensbach angelangt, führte uns eine Omi die letzten Meter zum Ziel. Eine Stunde nach Einlaß (13.45 Uhr) kamen wir in der Weilershofstraße Nummer eins an. Ein Rudel Metalheads stand davor: Haare bis zum Arsch, Kutten voller Aufnäher, hautenge Stretchhosen, knöchelhohe Turnschuhe. Mit Bier in der Hand und Papirossi im Mundwinkel an ´nem Kombi fläzend, aus dem ohrenbetäubender Thrash witterte. Ich fühlte mich zurückkatapultiert in die Achtziger. Das waren noch Zeiten. Heute indes gab ekstatischer Doom den Ton an! Am Halleneingang parkte noch eine Karre: eine mit der sinnigen Aufschrift „Tinnitus-Zentrum“. Wie sich später herausstellen wird, war es die des Frontmanns von Voodooshock...
 
14.45 Uhr passierten wir den wiederum total freundlichen Ordnungsdienst. Im Inneren herrschte Kahlschlag. Als Ersten nahm ich den Frontmann von Forsaken wahr. Noch immer voller Euphorie schwärmte Leo mit leuchtenden Augen von der letzten Nacht. Er hatte uns „seine Seele geschenkt“. Ja, das haben alle gefühlt. Und Leo gestand, daß Forsaken in den zehn Jahren ihres Bestehens noch nie auf deutschem Boden standen. Paar Clubgigs in Spanien und Frankreich hatten sie gehabt. Mehr nicht. Umso höher war der Gestrige einzuordnen. Siffi und Foppi waren wieder mit von der Partie. Der tags zuvor sichtlich gezeichnete Gitarrist wirkte richtig erholt. Auch die Mannheimer hatten den Kälteschlaf im Buswartehäuschen überlebt. Mit zehn Gruppen in neuneinhalb Stunden stand ein neue lange Nacht bevor.
Götterdämmerung, Kapitel zwei. TOLLWUET ließen von 15.00 bis 15.35 die Zeit still stehen. Über das Baseler Projekt mit dem undoomigen Namen wußte man wenig, keins ihrer drei Demos aus drei Jahren wurde aufgenommen. Die Menge war skeptisch. Ein gewaltiger Irrtum! Tollwuet zelebrierten genialen, reinrassigen Sludge Doom. Ein wenig so wie Eyehategod. Auch optisch. Erinnerte Gitarrist und Vokalist Roger Kolb doch sehr an deren Frontsicko Williams: langes Haar, abgewetzte Klamotten, ein bißchen schräg und heftig wie Sex zur besten Zeit. Flankiert wurde Kolb von Greili und Specki, der Bass-Abteilung, die noch dem Voodooshock gewaltigen Druck verleihen sollte. Mit der zehnminütigen, alles zermalmenden Sludgemaschine „Neoatlantikum“ war der Dreibund aufgebrochen. Nicht genug damit, daß „Neoatlantikum“ perfekt gespielt war. Oh, nein: Der Gesang erinnerte verdammt an Wino. Und das im besten Sinne! Ich hatte mich sofort in Tollwuet verknallt. Welch ein Einstieg in den Sonnabend! Schade bloß, daß der sonnenhelle Raum einiges von der Stimmung nahm. Tollwuet trotzten der Unzeit und ließen zwei Feuerbälle auf Schwyzerdütsch folgen. Greili klärte mich auf: es waren „Siebä“ (Sieben) und „Schnägg“ (Schnecke). Die Halle füllte sich locker auf, dem Rest entging eine weitere rumsende Dissonanz - eine Vitus-Walze, teils zu dritt herausgeschrien, mit aufheulendem Sechssaiter und einem Bass wie den Propellern eines Jagdbombers: „Dragon Time“...... Tollwuet liessen den Drachen zwölf Minuten fliegen. Meinetwegen hätten die Gopferdammi-Doomer bis zur Dämmerung weitermachen können. Tollwuet trafen meine Sinne heftig und ich würde sie gern mal in dunkler Umgebung durchleben. Das war Dooooooooooooom!!!!!!
WEED IN THE HEAD ließen von 16.00 bis 16.30 die Zeit still stehen. WITH entstammen den Wäldern des Mittelerzgebirges, der Wiege des ostdeutschen Dooms. Hervorgegangen ist die Gruppe aus der Asche - nein, nicht der eines Joints -, sondern der einer Hardcore-Combo namens Endlösung Schnabeltasse. Chef bei denen war Dreaming-Basser Thomas Schulz, und auch Trommler Tom Krüger überlebte das Projekt. Als Gitarrist Maik Buttler dazustieß, war die Idee vom „Kraut im Kopf“ geboren. Vierter im Bunde ist Sechssaiter André. Wie der Name verrät, frönten Weed den Sinneserweiterungen. Thomas hatte am Vortag mit Dreaming einen Autritt nach alter Schule - heute durfte er seine psychedelische Ader ausleben. Nach langem Umbau entführten uns die Sachsen auf einen Trip vom sonnenwarmen Wüsten- in den kühlen Sternenstaub, in eine Welt aus psychoaktiven Pilzen, wabernden Rauchkräutern und schillernden Farben. Waldschrat Buttler trug den bekifften Stonerrocker „Faster, Faster“ und das hippieske „L.S.D.“ vor. Es folgten zwei von Schulz gesungene Teile: erst das punkige „All Day Long“, dann der von Sons-of-Otis-Einschlägen verzierte „Luciferian Hellride“. Wobei natürlich alle mit Überlänge und Mary Jane bestückt waren. Im Finale hatte wiederum Maik die Ehre, Gott Shiva zu salutieren, und er zelebrierte das stonerige „No. 4“. Gegen die Tollwuetigen aus unserem südlichen Nachbarland war kein Kraut gewachsen, eine blendende Begleitung für den interstellaren Raum waren die Stonerdoomer aus Sachsen jedoch allemal!
WYTCHCRAFT ließen von 16.50 bis 17.20 die Zeit (fast) still stehen. Ein Fünfer sollte genug Wucht haben, die Halle zum Wackeln zu bringen. Zumal wenn auf dem Haupt des Fronters ein riesiger Wikingerhelm thront... Wytchcraft waren junge Kerle mit noch wenig Charisma, „Grenzgänger“ aus dem Ruhrgebiet, die aus ihrer Liebe zu Candlemass kein Geheimnis machten. Der Auftakt „Questions“ zeigte es. Aber Candlemass sind unberührbar. Lied Nummer zwei, das keltisch gespickte „From Dusk Till Doom“, schlug eine progressive Richtung ein. Der Vokalist trug ein Shirt von Entombed zur Schau. Und grimmig, wild headbangend und harsch grunzend wie Vorbild „LG“ trug er auch „To Die in the Arms of Winter“ vor. Die Gitarren liefen feinfühlig, sie liefen schnell und hätten mehr Raum und Kraft vertragen. Zugleich hätte der Bass einfach nur wummern und donnern sollen. An einer lausigen Beschallung lag das heute nicht. Die konsequent durchgezogenen Hymnen „The Circle of Life“ und „Under the Surface“ waren gute Ansätze. Nicht mehr. Wytchcraft wirkten ein wenig wie Suchende. Wie Grenzgänger eben. Sie lieben die opulenten, epischen Melodien. Aber vielleicht sollten sie mehr ihre Herzen sprechen lassen. Daß es die Wytchis knacken lassen können, bewies die Anvil-Anhimmelung „Forget in Fire“. Dazumal zwar noch nicht auf Erden, bedeutete sie final einen Lichtblick. Keep on dooming, Wytchcraft!
VOODOOSHOCK ließen von 17.40 bis 18.20 die Zeit still stehen. Mit Naevus war Uwe Groebel ein Fackelträger des deutschen Doom Metal. 1999 lösten sich Naevus auf. Ein Jahr darauf meldete sich Groebel zusammen mit Trommler Straub und End-Of-Green-Basser Merkle zurück. Nach Zwists erfolgte ein Wechsel an Bass und Schlagzeug. Neben Gitarrist und Sänger Groebel stellten nun Greili und Specki den Voodooshock. Letztere hatten vor zwei Stunden noch mit Tollwuet im Licht gestanden. Und noch was: 2002 haben Voodooshock bei der von Hegedüs gegründeten Firma psycheDOOMelic ein wunderbares Debüt rausgebracht. Jenes brachten sie uns in großen Teilen nahe. Die Cosmic-Doom-Fusion aus Deutschland und der Schweiz startete mit der euphorisierenden „Showtime“. Nachdem die Instrumente fünf Minuten lang alles vorgeglüht hatten, trat Groebel ans Mikro - den Voodoo-Fetisch der Menge entgegenstreckend, und dabei einen unsagbaren Charme versprühend. Mit „Fountain of Freedom“ folgte ein Heavyrocker im Siebziger-Schick. Groebels betörende Vokale sorgten im Kontrast zu den Tieffrequenzen für einen prickelnden Effekt. Der Gesang schoß mich in die Stratosphäre - und die Gitarren doomten mich zurück in die Wirklichkeit. In jeder Faser des Körpers waren Bässe zu fühlen. Sodaß ich bei „Living in Paradise“ zwischenzeitlich sogar etwas Luft brauchte. Am Ausgang gab es Ohrstöpsel gratis. Zurück in der Halle trieb der Doomrocker „Tomorrow´s Bloom“ vorüber. Voodooshock brummten, dröhnten und groovten tonnenschwer im Cathedral-Stil. So fern wie der Abendstern von Trauerdoom entfernt, spannte sich der psychedelisch angehauchte „Rainbow Sky“ über uns auf. Nicht minder sinnlich kam die von tiefen Trommeln eingeleitete „Lady“ daher. Voodooshock haben mich zermalmt und befreit wie der Wind; sie waren eine echte Entdeckung im jungen Jahrtausend!
DAWN OF WINTER ließen von 18.40 bis 19.20 die Zeit (fast) still stehen. Fast. Denn mit dem Frontmann stehe ich auf Kriegsfuß. Mutz ist Profi. Er ist Inventar des führenden Metal-Megazins und Teil der Grammy-True-Metaller Sacred Steel. Und das ist die Krux. True ist das Gegenteil von Doom. True Metaller sind Poser. Wenn jemand Doom predigt und Metal praktiziert, ist das für mich unglaubwürdig. Mit seinem Seitensprung sang Mutz statt True Metal heute True Doom. Die alten Saint Vitus dienten als Blaupause. „Fallen Empire“ zum Beispiel, hätte der Kehle Scott Reagars entflossen sein können. Und auch das zum Frösteln schöne Anagram „Titus Vanis“ konnte Klassiker-Kenner sowie Vitus-Fans der Reagars-Ära begeistern. Gerrit reckte Fäuste gen Himmel, schnitt im Stile eines Priesters Kruzifixe in die Luft, stachelte seinen lethargischen Bassisten zum Mattewirbel an. Jener verzog nicht eine Miene. Und der kahlköpfige Knittel (auch bei Sacred Steel) wirkte plump wie ein Troll. Bombastisch-pomadisch plätscherte die Schau dahin. „Return to Forever“, „Slow is the Suffering“ und „Funeral“ registrierte ich unter Ohrstöpseln, und nach dem melodramatischen Stampfer „Sad Ocean“ sowie dem befohlen „laaangsaaamen“ „Dawn of Winter“ war der Klageengel aus Württemberg gefallen. Ohne die aufgesetzte große Emotionalität wären Dawn of Winter nicht schlecht. Aber an das Original reichten die Nachahmer nicht heran.
OFFICIUM TRISTE ließen von 19.40 bis 20.35 die Zeit still stehen. Bei Niederländern schlagen meine Alarmglocken. Nicht so bei Officium Triste (zu deutsch: Traurige Gemeinde). Officium waren anders. Sie kamen aus Rotterdoom, hatten Haare bis zum Arsch und waren das Beste, was das Tiefland je zeugte. Besser noch als Pestilence. Obwohl es zu denen Parallelen gibt. Denn Officium waren deathig ohne Ende. Düster und bleiern ging es los, mit „Deep Down“. Doch Officium können es auch unglaublich schnell. Und das mit Vorliebe! Pims Stimme hatte was vom Mumiengeröchel seliger Paradise Lost und die Gitarristen Johan, Gerard und Lawrence sowie Trommler Martin entfachten dazu ein apokalyptisches Getöse. Strahler schufen beängstigende Effekte, und „Roses on My Grave“ zerdonnerte eine vorübergehend aufgezogene Schwarzromantik. „Pathway“ floß dann wieder wie brennnder Phosphor. Nun tauchten die Strahler alles in Giftgrün, eine gespenstige Kälte kroch durch den Saal. Heavy as fuck: so kam die betörende „Camouflage“ über uns und weckte die deathigen Endachtziger zu neuem Leben. Mindestens die Hälfte der Meute schüttelte ihren Schädel. Mit dem „Stardust“ setzte es das nächste Gewitter. Der stete Wechsel zwischen Doom und Death schoß uns auf eine Achterbahn der Gefühle. Mal tief deprimierend, dann wieder zornig bis zum Bersten war auch „Lonesome“. Und Oraniens künftige Nationalhymne „This is Goodbye“ war noch nicht das Ende. Officium durften zumindest die vehement verlangte Zugabe spielen. Anathemas „Sleepless“ rundete die Schau ab. Officium waren perfekt-brutal wie das Uhrwerk Orange und für mich die Größten des zweiten Tages. - - Im aufgehenden Licht stürmte ein Langhaariger die Bühne, johlte ein „Hey-ho“, und zeigte sein Geschütz nackt, wie Gott es schuf...
WELL OF SOULS ließen von 20.55 bis 21.40 die Zeit still stehen. Oh, haben die mir leid getan. Schier erdrückend waren die Vorgänger gewesen. Zudem sah es noch vor Monaten nicht gerade rosig aus für die Gruppe aus Ulm. Nach diversen Bäumchen-wechsel-dich-Spielen der Mitglieder - neben Gruppenkopf Frank Hellweg ist nur Sänger Petro Kapakos von Anfang an dabei - war dem angestammten Trommler vorm DSR eine Sehne gerissen. Andy wurde durch Stecker ersetzt. Also das reinste Chaos für die nach einem Lied von Candlemass benannten Doom-Metaller aus dem Ländle. Doch Hellweg ist ein ein Riffhexer von altem Schrot und voll guter Ausstrahlung. Auch Petro hat davon im Überfluß. Zum Auftakt schickte uns mit „Tears of the Proud“ eine energiegeladene Ballade zurück ins Vorvorgestern. Die Hymne „Legion of Doom“ folgte. Und ausgerechnet jetzt ging den Speakern etwas die Luft aus. Schade auch, daß der Jüngling am Bass seltsam versteinert wirkte. Doch Petro headbangte auf Teufel komm raus und powerte mit wundervoller samtiger Stimme das treibende „Evil Sign“ in die Menge. Herr Hellweg hingegen zermorphte geradezu mit seiner Sechssaitigen und ließ die Saiten heulen, daß ganz Triensbach erzitterte. In vorderster Linie wirbelten Leute von Thunderstorm und Forsaken ihre Mähnen. Auch ich schickte das Hirn nun endgültig auf die große Reise. Well of Souls zelebrierten den sphärisch schleppenden „Blackened Sky“, sowie das von einem irrwitzigen Gitarrensolo veredelte „Lost My Way“. Düstere Visionen einer vergifteten Umwelt - „Beyond the Void“ - läuteten das Ende ein - in dem uns das schwerelose „Flying“ noch etwas Lebensweisheit auf den Weg gab. Frank hielt eine kurze Weiherede und erinnerte, daß das „Doom Shall Rise von Bands und Fans des Doom für Bands und Fans des Doom“ geschaffen wurde. Er bat, daß „jeder seinem Nachbarn einen donnernden Applaus spenden möge“. Eure Majestät, das haben wir getan!
SUBVERSION ließen von 22.05 bis 23.10 die Zeit still stehen. Wie Dreaming und Weed entstammte auch diese seit 1992 in fester Besetzung operierende Rotte dem Doomquartier im Erz. Mehner, Uhlmann, Müller und Schaarschmidt verquickten derb-destruktiven Sludge mit brachial-emotionalem Hardcore zu fiebrig-zornigem Sludge Metal und gaben dem Gebräu mit einem Schuß Stoner die Würze. Subversion waren wie ein Bastard aus den Namenspendern Crowbar und den von Toten erwachten Carnivore! Auf den einleitenden Arschtreter „Scratch“, die Häme „Outta Here“ und den Berserker „Goner´s Trial“ folgte eins mit dem schönen Titel „A Losing Race“ - und holterdiepolter hatte ich vier Halberle vernichtet. Damit war ich allerdings ein Waisenknabe gemessen an Mehnert, der wirkte, als gäb´s kein Morgen. Bei „B.M.C.“ plagten ihn Texthänger. Vielleicht lag´s am suizidalen Trauma, das er inszenierte? An Einflüßen von außen? Jedenfalls sah der Sänger schlecht aus, Mehnert ging körperlich an die Grenze. Um nicht zu sagen: er glich einem delirierten Wrack. Unentwegt rüttelten seine Komplizen ihn auf. Und dann gurgelte er es mit Wucht heraus - all den Zorn, die Verweiflung. Und Mike kann singen! Nachdem die Brecheisen „Tons of Tar“ und „Jesus on Welfare“ weitere Endszenarien aufgetürmt hatten, schlug mit „Hot Season“ final eine Lässigkeit den letzten Rost aus dem Nischel. Subversion waren nichts für Mädchen, und mit ´nem frischen Frontmann könnte aus denen was Großes werden. Den Sumpfgeistern Louisianas hatten Subversion heute einen krachenden Hieb versetzt.
REVEREND BIZARRE ließen von 23.30 bis 0.25 die Zeit still stehen. Magister Albert, Peter Vicar und der Earl of Void aus dem finnischen Lohja waren die Radikalsten. Die drei stehen auf Kruzifixe, Thorshämmer und Patronengürtel, und verkörpern die Codes bis zum Gehtnichtmehr. Ihr Doom ist die sarkastischste Agonie und Misanthropie die man sich überhaupt vorstellen kann. Fopp verriet mir, daß Rev. Bizarre eine der Gruppen sei, wo alle Mitglieder nicht bloß etwas vorgeben, sondern die Musik wirklich leben. Schade, daß ich nur die wenigen Proben im Netz kannte. Und dabei haben die Nordmänner solch ein suizides Fluidum verströmt. Mit „Doom Over the World“ fing ja alles noch leidlich entspannt an... Doch schon beim zynischen Malmer „In the Rectory“ flossen acht Minuten lang nur verstörende Fragmente von Tönen... dann eine zweiminütige Eruption... um schließlich zum am Stillstand zelebrierten und auf Unheil reduzierten Doom zurückzukehren. Die obskure Hymne „Doomsower“ schloß sich an. Wobei Rev. Bizarre nicht nur wahnsinnig eindringlich, sondern auch HEAVY wie ein Panzer daherkamen. Ein Slowbanger von 40 Grad unter Null - die viertelstündige Klagezeremonie „Hour of Death“ - folgte. Reverend Bizarre sind tödlich für labile Seelen. So starrte der Magister immer wieder in meine Augen und erzeugte so einen irritierenden Effekt. Oder war das Satan persönlich? Höllenbeschwörung war es allemal. Anflehungen von einem dunklen Ort, stinkender Schwefel, brodelnder Teer, siedendes Pech: Wenn das jemand ist, dann Reverend Bizarre! Der „Fucking Wizard“ schließlich, ein Haß speiendes Ungeheuer, das erst nach 13 Minuten mit ´nem sabbathschen Riff für Aufatmen sorgte, bedeutete die finale Auslöschung alles Irdischem. Fünf Stücke in einer Stunde lassen die Schwere wohl erahnen. Leider hatte der Magister von Beginn an Schwierigkeiten mit der Ausrüstung. Dies lag erwiesenermaßen allerdings nicht an seinem Baß oder dem Verstärker, wie man vermutete. Denn später schrieb er mir, daß er den selben Baß auch auf der folgenden Tour verwendete. Trotzdem haben Reverend Bizarre regiert! Hoffentlich erscheinen sie mal in kleinem Rahmen. Wer weiß, was dann passiert... Schwarz wie die Nacht! Kill! Fuck! Hail!
REVELATION ließen von 0.50 bis 2.15 die Zeit still stehen - wenngleich ich keine Antenne zum Prog habe. Aber Revelation aus Baltimore, Maryland, U.S.A. sind Legende! Sie sind die einzigen Nichtkapitulierenden der Doomschmiede Hellhound, und die Urheber und wichtigsten Vertreter des Progressive Doom, in dem Doom, Rock und Jazz verschmelzen. Ihre Alben 'Salvations Answer', 'Never Comes Silence' und '...Yet So Far' waren Stilpräger der frühen Neunziger. Ferner kannte ich Revelation nur vom Bild her. Und jetzt standen sie in Fleisch und Blut auf der Bühne in Triensbach. Den Koloss mit kahlem Kopf, dunklem Blick und Bart hinter Mikro und Sechssaiter hätte ich nicht als Dennis Cornelius erkannt. Aber er war es! Dazu kam mit Trommler Steve Branagan das Gründungsmitglied von 1986, sowie der große Jim Hunter am Viersaiter. Revelation starteten mit einem alten Trommelfeuer namens „Unreal“. Doch dann wurde es schwierig: Es folgte ein Rodeo aus Balladeskem (wie „Images of Darkness“), Schwermütigem (wie „Alone“), experimentellen Brüchen, änigmatischen Tempowechseln und labyrinthischen Wendungen (auch innerhalb eines Liedes). Das wirkte auf Dauer anstrengend, aber die Amis fuhren vom Klang her den Straßenkreuzer des gesamten Festivals. Es war der gerade Rocker „Little Faith“, der alle aus der Zersplitterung von Schnell und Langsam, Filigran und Versonnen riß. Und ein weiterer unbekannter Malmer sollte die hundert Überlebenden im Enddrittel noch richtig in Wallung bringen. Beim krachenden Wirbelsprenger „Morning Sun“ bewegte ich mich mit zehn Halberle im Blut veitstanzend und nicht mehr bei Sinnen das Haar schüttelnd hinter den Männern von Thunderstorm. Die melancholisch beginnende und in einer wahnsinnigen Rifforgie endende Erklärung „Wounds Which Never Heal“ besorgte den Rest. Revelation kamen nicht ohne Zugabe davon. Der Speeddoomer „Long After Midnight“ beschloß das größte Doom-Ereignis zeitlebens. Um 2.15 Uhr erstarb der letzte Hall, alles zerstreute sich im Wind......
 

Ich konnte nicht fassen, daß es aus war... traf Hellweg... es hätte nie mehr enden sollen... Einzig die Gefährten riefen mich zur Räson. Hätte draußen in der Kälte nicht unsere Droschke gewartet, würde ich heute noch in der Halle von Triensbach stehen... Crailsheim sehen und sterben... Freier Fall......
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
TOLLWUET
(15.00-15.35)
1. Neoatlantikum
2. Siebä
3. Schnägg
4. Dragon Time [Saint Vitus]
 
WEED IN THE HEAD
(16.00-16.30)
1. Faster, Faster
2. L.S.D.
3. All Day Long
4. Luciferian Hellride
5. No. 4
 
WYTCHCRAFT
(16.50-17.20)
1. Questions
2. From Dusk Till Doom
3. To Die in the Arms of Winter
4. The Circle of Life
5. Under the Surface
6. Forget in Fire [Anvil]
 
VOODOO SHOCK
(17.40-18.20)
1. Showtime
2. Fountain of Freedom
3. Living in Paradise
4. Tomorrow´s Bloom
5. Rainbow Sky
6. Lady
 
DAWN OF WINTER
(18.40-19.20)
1. Fallen Empire
2. Titus Vanis
3. Return to Forever
4. Slow is the Suffering
5. Funeral
6. Sad Ocean
7. Dawn of Winter
 
OFFICIUM TRISTE
(19.40-20.35)
1. Deep Down
2. Roses on My Grave
3. Pathway (of broken glass)
4. Camouflage
5. Stardust
6. Lonesome
7. This is Goodbye
******
8. Sleepless [Anathema]
 
WELL OF SOULS
(20.55-21.40)
1. Tears of the Proud
2. Legion of Doom
3. Evil Sign
4. Blackened Sky
5. Lost my Way
6. Beyond the Void
7. Flying
 
SUBVERSION
(22.05-23.10)
1. Scratch
2. Outta Here
3. Goner´s Trial
4. A Losing Race
5. B.M.C.
6. Tons of Tar
7. JC on Welfare
8. Hot Season
 
REVEREND BIZARRE
(23.30-0.25)
Opening Ceremony
1. Doom Over the World
2. In the Rectory
3. Doomsower
4. Hour of Death
5. Fucking Wizard
 
REVELATION
(0.50-2.15)
1. Unreal
2. Images of Darkness
3. Alone
4. Little Faith
5. Morning Sun
6. Wounds Which Never Heal
7. Long After Midnight
Epilog
 
Sonntag/Montag, 9./10. Februar
 
Das Doom Shall Rise hatte seine Feuertaufe erhalten. Es blieb die Erinnerung an viele schöne Stunden und Begegnungen. Die Tage im Februar leben fort. Es gab Gewinner (Forsaken, Thunderstorm, Officium Triste, meine Flamme, die Genthiner, Psychedelic-Márk, die DSR-Veranstalter, die Verpfleger & die Sicherung, den Engel-Keller), Legenden, die nie enttäuschen können (Dreaming, Mirror of Deception, Well Of Souls) und Paukenschläge und Hoffnungen für die Zukunft (Doomshine, Semlah, Tollwuet, Voodooshock, Weed In The Head, Subversion sowie der finstere Astalosch). Vor manchen liegt noch ein Stück Weg voraus. Verlierer gab es keine. Doomer sind ohnehin schon ganz unten.
 
Ein Wermutstropfen fiel angesichts der nachfolgenden, von den drei Gruppen so genannten „The Sickness Tour“. Revelation, Mirror of Deception und Reverend Bizarre teilten sich einen Tour-Van und sind vom 9. bis 15. Februar durch Deutschland und Belgien getingelt. Vor allem Mirror wären gern in Frankfurt aufgetreten. Schon ein halbes Jahr zuvor hatte Foppi auf einen Auftritt in der Mainstadt gehofft. Promomaterial und zig Mails gingen an die einschlägigen Klubs. Ich selbst suchte Kontakt zu deren Betreiber - vergebens. Alle Versuche, ein Konzert in Frankfurt zu organisieren, blieben erfolglos. In letzter Minute mußte die Route geändert werden. Am 10. Februar doomten die Freunde stattdessen in Idar-Oberstein, am 11. in Dresden, ferner noch in Ellwangen, Jena, Gent, Hannover und Recklinghausen. Foppi war es ein Herzenswunsch, daß ich den Tross nach Sachsen begleite. Auch der Traum blieb unerfüllt: Ich wurde nicht vom Dienst freigestellt. Am fünften Tag mußten wir Crailsheim verlassen. Das Schicksal will es, daß der Doom ein Schattendasein führt. Doch Doom ist Liebe. Und Liebe überwindet alles! Ich sehne mich kräftig nach euch!!
 
Kuß und Schluß, Vitus.
 
 
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Heiliger Vitus, 16. Februar 2003