THREE STEPS TO THE OCEAN, ARROYO
D-Frankfurt am Main, Ponyhof - 6. März 2010
Das „Bett“ wurde im alten Jahr zum „Ponyhof“ gemacht. Hinter den schlüpfrigen Namen stecken aber keine Sexclubs oder Bordelle - beim „Ponyhof“ handelt es sich um die Fortführung eines alten Indie-Klubs im Kneipenviertel Frankfurt-Sachsenhausen. Neue Pächter, neue Tapeten, neue Tiefstrahler - und fertig war die Verwandlung. Somit ist dies auch kein Report aus dem Puff sondern einer von ´ner schönen Episode mit dem Postrock zu der uns Three Steps to the Ocean eingeladen hatte! Es war schön und erfrischend zugleich. Denn im kalten März war im Klub das Öfchen ausgefallen. Kälte herrschte auch angesichts der Besucherzahl. Neben dem Personal, den Künstlern und deren Schäfchen - darunter zwei kleine Italienerinnen, hübsch und mit Fotoapparaten bestückt - sorgten zwanzig Zahlende für arktische Einödnis. Fünfunddreißig Menschen: mehr waren es nicht!
Ab 21 Uhr 40 wurde die Leere geflutet. Subtil sirrende Heavygitarren und vehemente Bässe übernahmen nun das Regiment. Dazu Trommeln und Töne aus einem Elektropiano Made in Japan. Screamos erfüllten den Raum. Jene wie aus heiterem Himmel hereinbrechenden Schreie zwischen Niedergeschlagenheit und Verlorensein, die bei ARROYO deutsch zelebriert werden. Der Einsatz einer Mundharmonika und eines Megafons stiftete dem Ganzen eine experimentelle Note. Arroyo berührten mich vom ersten Moment an. Weil mir das zurückgenommene Wesen des Postrock in den letzten Jahren immer seelennaher geworden ist. Postcore ist was zum Nachdenken. Wie alle Postrocker klangen auch die aus dem Taunus kommenden Schießer, Pöpperling, Gumbert, Senzek und Friedrich eher pessimistisch. Die Inhalte waren von endzeitlichen Visionen bestimmt. Regengleich vom Himmel fallende Vögel kommen darin vor. Es geht um Entfremdung in diesem ruhelosen Fluß der Zeit und die Ausbeutung der Natur. Wobei die Nä#228;he beim Wasser liegt. Arroyo - das spanische Wort für Bach sagt es schon. Betrüblicherweise riß einem der Gitarristen gleich zu Beginn der Gurt. Die folgende Darbietung von einem improvisierten Holzstuhl nahm dem Akteur die Körperlichkeit - und dem Auge leider etwas den Reiz. Mit drei brandneuen Teilen, dazu dem mahnenden „Kanaan“, gingen Arroyo zu Ende. Es war undefinierbar schön.
THREE STEPS TO THE OCEAN: Wofür das wohl stehen könnte? Für die Zusammensetzung der Gruppe - Three Steps: Gitarre, Bass und Schlagzeug - to the Ocean: zu Fragmenten aus dem Synthesizer? Vielleicht für eine Metapher zur Endlösung? Die Anleitung zur Handlung? Oder bloß den Weg zum Wasser? Vier bärtige Italiener zelebrierten einen alles verschlingenden Wirbel aus Postrock, Drone Doom und Ambient, der wesentlich dunkler als alles davor war. Mit einem Neuen, noch namenlosen Donnergebraus, mit Stille, Explosionen und Schockwellen hatte es angefangen... und schon mit dem nachfolgenden „Remember Lynne Cox“ war so manche Doomgruppe in den Schatten gestellt. An Tiefe setzte der Rickenbacker-Bass zu „December 31st 1844“ sogar noch einen drauf. Bevor „Diomede“ etwas stiller, für die Augen aber umso schwärzer daherkam. Auf halber Strecke angelangt wurde verdunkelt, schwerer Nebel wallte über die Bühne. So daß sich alle Sinne den Klängen hingeben konnten. Unglaublich Hypnotisches ähnlich Burzums transzendentalem Filosofem entfaltete sich, und im lautlosen Finale von „It´s a Minute, Maybe More, Since I Could See“ war der Schlagzeuger minutenlang wie in Totenstarre (oder bei einem Gebet) über seinem Instrument zusammengesunken. Ein allerletztes heftiges Gewitter durch „Il Quinto Giorno“ bedeutete nach fünfzig Minuten das Ende eines großen Kunstwerks, das wirklich jeden berührt hatte. Getrieben von Bässen und durch die Beschränkung auf zwei Saiteninstrumente hatte sich eine für die Stilart einzigartige Wucht und Bodenständigkeit ergeben. Andrea, Andrea, Davide und Francesco, so hießen die vier Anstifter aus Sacrum Romanum Imperium. Sie hatten das für mich bis dahin ultimativste Postrock-Konzert aller Zeiten geliefert - und dabei ihre Emotionen noch nicht mal voll geöffnet! Ich flehe, die Jungen aus Mailand noch mal zu sehen. Ich hatte so viele Fragen........
 
Im hereinbrechenden Sonntag soll es noch das Platten-Konglomerat aus Electro, Indie, New Wave und Fantasy Pop Quoi?! mit DJ Travis Trademark gegeben haben.
 
Unser Abzug verlief riskant: Eintracht Frankfurt hatte Prügel von Schalke bezogen - daheim! Beim anschließenden Gelage in Alt-Sachsenhausen hatten frustrierte Fans die Wege rund um den „Ponyhof“ in ein Minenfeld aus Kotze und Scherben verwandelt. Zur Mitternacht war Polizei aufmarschiert. Nein, das Leben ist kein Ponyhof.
 
 
((((((Heiliger Vitus)))))), 8. März 2010
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
ARROYO
(21.40-22.20)
1. Neues ohne Titel
2. Neues ohne Titel
3. Kanaan
4. Neues ohne Titel
 
THREE STEPS TO THE OCEAN
(22.48-23.40)
1. Untitled (this is a brand bew song still without title)
2. Remember Lynne Cox
3. December 31st 1844
4. Diomede
5. It´s a minute, maybe more, since I could see
6. Il Quinto Giorno