THE MIGHTY THREE, DATURAH
D-Frankfurt am Main, Hazelwood Studio - 2. Juli 2005
Die nach dem trinkfreudigen Kapitän der „Exxon Valdez“ benannte Hazelwood Records war eine noch junge Plattenfirma in unsrem Frankfurter Wohnviertel Rödelheim. Aber niemand anders als Lemmy von Motörhead soll in den rotbraunen Ziegelwänden schon mal ein Video gedreht haben... Heute gaben sich im Flair einer Studioatmosphäre Europas Kings of Swamp, The Mighty Three, die Ehre, um in einer konspirativen Sitzung ihr Albumdebüt vorzustellen. Mit von der Partie waren die sehnlichst erwarteten Postrocker Daturah, ebenfalls mit Langdebüt im Gepäck. - - Immer noch etwas benebelt von einer sliwowitzdurchtränkten Nacht beim Jugo ums Eck, verspürte ich heute abend Lust auf die Frucht Datura stramonium, auch Stechapfel genannt. Halb zehn war der Ort der Vergnügung erreicht, für einen Zehner war man drin. Neben der offiziell erst im September erscheinenden Mighty-Three-CD enthielt der Preis mit der „Yellowstage“ eine todschicke und in seiner Emotionalität grundverschiedene Umgebung. In den 1930ern von Menschen im Dienste der Schuhmaschinenfabrik gefüllt, ächzte das im ersten Stock beheimatete Hazelwood heute unter zweihundert kreativen Hipstern, roch es nicht nach Schmutz und Öl, sondern glamouröser Feier für die Schickeria. Dieser Abend war heiß, gottverdammt heiß!
Um zehn ließ Fiepen das gelbe Holz der Bühne erzittern. Mathias Heng, Flo Ebert, Benni Möller, Patrick Bellinetti und Ralf Bördner, auch als DATURAH (früher Datura) bekannt, hatten ihren Trip auf dem Donnerball gestartet. Waren diese Dissonanzen noch Probe? Oder schon Auftritt? Schnuppe! Bei Daturah ist sowieso alles fließend. Das „Lovelight“ flutete in den Raum. Traurig, schön, zerbrechlich - und von in einen Kleiderkoffer (!) projizierten Stummfilmen in Wackeloptik untermalt (kahle Küsten, leere Straßen usw.). Damit war die Welt von Daturah widergespiegelt: eine voller Düsternis und unterschwelliger Depression (und der Andeutung eines Fitzelchens Hoffnung). Daturah verzichteten auf Worte. Allein die flackernden Gitarren schufen eine ungeheure Tiefe, einen Mahlstrom desillusionierender Musik. Atemlos aufs „Lovelight“ brach die „Apocalypse“ herein. Trügerisch still beginnend, einschmeichelnd fast. Doch bedrohlich anschwellend, und in einem krachenden Gewitter aus Trommeln, Bässen und Gitarren gipfelnd. Das alles wurde wie immer bei Daturah vom wilden Werfen der Dreads und den ekstatischen Verrenkungen der Akteure, einfach einer superintensiven Hingabe, begleitet. Gleich der Verlauf auch bei „Kinski“. Nur schlichen sich in diesen Klangwall erstmalig auch verzerrte Wortfetzen. Aber nicht welche aus Menschenmund, sondern aus dem Komputer! Auch wenn Daturah nicht jeder versteht, und ich erneut nicht headgebangt habe - das blasierte Publikum zerstörte alle Stimmung -, so war auch dies wieder ein bis zum Ende ergreifender Auftritt! Ein viertes abgedrehtes Teil, noch unbetitelt aber mit epischer Länge, besiegelte diesen Abgesang auf die Welt.
Halb zwölf fiel die Klappe für drei Männer, die einige Blutwäschen hinter sich haben dürften: Zeit für THE MIGHTY THREE alias „Doc“ Wenz (Gitarre und Gesang), „Reverend“ Krug (Doppelbaß) und „Sir“ Ditzner (Kleines Schlagzeug). Hinter den „Mächtigen Drei“ stand die Stammriege der elfköpfigen Blaskapelle Mardi Grass.BB., dem nach dem Karneval von New Orleans Blues benannten Flaggschiff von Hazelwood Records. Drei gestandene wie charmant-skurrile Typen. Wenz bestach mit Latinobärtchen, spitzen Schuhen und der Tatsache, daß er uns das gepolsterte Höckerchen entführte, auf dem wir so schön logiert hatten. Der unter einer Schiebermütze steckende Reverend wiederum war früher Teil der Krautrock-Pioniere Guru Guru und ist so was wie der Geistesdenker im Bunde. Als Schrägster erwies sich aber Ditzner, der mit Wallebart, weißer Wollmütze und Robe an einen spirituellen Meister erinnerte. Als Trio schüttelten sie Cajun und Country samt einem Schuß Tequila zu einem fiebrig-feuchten Südstaaten-Cocktail, den sie Southern Swamp nannten. Der an die Fuzztones erinnernde „Rumble“ machte den Auftakt, gefolgt von „Hey There!“, das auch als Untermalung des Schlangentanzes im „Titty Twister“ dienen konnte. Wenz erleuchtete jedes Stück mit Worten aus dem Knigge. Es gab „ein Lied für jene, die stets alles geben, immer scheitern und die man gerade deshalb in die Arme nehmen möchte, um zu sagen: 'You are My Favorite Nerd'.“ Im Laufe des Abends war die Hitze unerträglich geworden. Das Partyvolk schwamm im eigenen Saft. Auch der Doc, der mit verruchter Stimme „passend zum Klima el Paso“ vermeldete. „El Paso“ war ein geiles Instrumental, der Titel sagt´s ja... Es gab eine „Countryballade, eigentlich ein typisches Nashville-Duett, aber (zwinkernd) sie ist gerade nicht da: 'Tennessee Waltz'.“ Obwohl alles sehr knackig war, setzte Mitternacht der Exodus ein. Die Schwitzigkeit... Selbst dem Doc ging die Lust flöten. Nach einem Disput mit dem Robenträger, der daraufhin ungläubig grummelte und den Kopf schüttelte, war nur noch eins drin. Und ausgerechnet da sprang dem Doc eine Saite - „welches er eigentlich verhindern wollte.“ Die Nummer hieß „Psychoflute“ und beschloß die Plattentaufe der drei Gurus mit dem Kontrabaß aus Mannheim. Halb eins wünschte Wenz „noch einen schönen Abend bei einigen gepflegten Getränken und distinguierten Temperaturen.“
 
 
Heiliger Vitus, 4. Juli 2005
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
DATURAH
(22.05-22.55)
1. Lovelight
2. Apocalypse
3. Kinski
4. Neues
 
THE MIGHTY THREE
(23.25-0.15)
1. Rumble
2. Hey There!
3. Bad July
4. Prescription
5. Cormorant
6. Favorite Nerd
7. War Crimes
8. Funkyfier
9. Sandbox Love
10. El Paso
11. Hummingbird
12. If There Was Love
13. Southern Train
14. Lisa-Marie
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15. Sucker in the Cage
16. Tennessee Waltz
17. Motoboat
18. Your Old Lady
19. Psychoflute