QUEENS OF THE STONE AGE, MUFF POTTER, SIN CITY CIRCUS LADIES
D-Wiesbaden, Schlachthof (Halle) - 31. August 2005
Am Ende eines flirrenden, wilden Sommers war eine Auszeit gekommen. Ferien vom Leben. Abtauchen unter Gleichgesinnte und Leute aus dem unsichtbaren Grund. Sagen wir mal: dem abgehobenen Untergrund. Kostete doch das Systemticket zur Stonerrock-Supergruppe des Joshua Homme im Vorverkauf astronomische 32,85 Euro...... In der achten Stunde traf ich mit Frl. Peanut in Wisibada ein.
Horden von Langhaarigen und Grasrauchern übersäten die Wiese unterm Wasserturm des „Schlachters“. Eine kräftige Prise Love and Peace durchwehte das sommerlich heiße Südhessen. Rappelvoll bis aufs letzte Stühlchen war auch der Biergarten der neuen Bar „60/40“. Alle wollten sie die Queens auf der 'Lullabies-To-Paralyze'-Tour sehen. Das Ereignis war seit Monaten ausverkauft. Von höchster Stufe waren auch die Sicherheitsvorkehrungen mit schikanöser Kontrolle bei den Männern und Taschenfilzen bei den Frauen. Man wollte sich von „stressendem Publikum“ reinigen. Dabei blieb auch mein Thorshammer nicht unentdeckt. Nachdem ich die Frage nach der Herkunft mit „Dresden“ beantwortet hatte, galt ich den Gorillas als unverdächtig und öffnete sich die Eingangsschleuse zur Großen Halle, in der zweitausend Studenten, Alternative und andere Heulsusas versuchten, die Hitze mit Bier zu überleben. „1800 bei diesem Aufbau“, wie mir ein Hartmann vom Saalschutz verriet.
Eins, zwei, drei, rubbeldiekatz... Passend zum Szenario boten die SIN CITY CIRCUS LADIES aus Kruzberg eine heiße Melange aus Blues, Psychobilly und Rockabilly. SCCL waren heiße Stricke, allein die Namen und Rollen... Trinity Sarratt: Eyelashes Vocals, Tambourine, Shambu Leroux: High Heels, Vocals, Tom Schwoll: Mean Guitar, Luscious Lloyd Clark: Slap Happy Big Bass, Steve The Machine: Sweety Killer Drums. So puffrig die Pseudonyme, so bizarr die Vita: Gruppengründerin Trinity war Streetblues-Sängerin in San Francisco, Shambhu ist ein Pariser „Trans-Punk-Revolutioner“, Tom war Gitarrist bei Extrabreit und Jingo de Lunch, Luscious stieß aus New York zur Kommune, und Steve trommelte für Extrabreit und die Terrorgruppe. Und dann diese Optik... Hinter den Mikros einerseits eine dralle Blondine mit sechziger Tutt. Andererseits eine Dragqueen mit Haaren und Wimpern schwarz wie die Nacht, Haut weiß wie Schnee und Lippen rot wie Blut. Hier ein kleines Schwarzes, enges Latex, Nylons und Stöckel. Dort eine Pilzfrisur und Fünfzigertolle. Dazu ein riesiger Kontrabaß... Leider waren mir zwei Nummern entgangen. Der Rest um die „Faster Pussycat“, um „Black Widow“ und „Break My Bones“ stieß auf schwere Zuneigung. Eine tolle Surfgitarre paarte sich mit femininem und amandalearhaft dunklem Gesang, durchgeknallten Bässen, Rumbas und Rasseln. Die kosmopoliten Damen und Herren kamen bei der Menge gut an, Tom versprach, daß man schon bald wieder in Wiesbaden sei, wünschte „Viel Spaß mit den Queens!“, und um 20.35 Uhr endete ein Vorspiel, daß sich gewaschen hatte.
Gemessen am Rest wirkten MUFF POTTER aus Münster bieder. „Angry Pop“ war es nicht gerade, was Nagel, Shredder, Dennis und Brami da mit der „Kleinen Welt“ und dem „Streichholz und den Motten“ zum Besten gaben. Die westfälische Indie-Band steuerte melancholischen Pop bei, einen kryptisch-melodischen Esoteriktrip in die Gefühle. Mal drängend, mal sehnsüchtig. Mit Wortspiel an Wortspiel, zumeist auf Deutsch, und voller unterschwelliger Traurigkeit. Und manchmal auch ein Lied über ein Spiel namens Sex wie „Wenn dann das hier“. Es war alles himmelhochjauchzend und todunglücklich. Und blutjung waren sie, die Westfalen. Und von allenfalls milder Anziehungskraft. Zudem schlich sich in die wenig spektakuläre Schau auch noch ein Hänger mit der Folge eines Neustarts ein. Muff Potter waren eine Gruppe mit Grips, die sich aber noch in der Reife befand - und von der Menge nur mit Höflichkeitsapplaus bedacht wurde. Es gab das neue, mit Latinoeffekten versehene „Antifamilia“, und Frontbursche Nagel traf es letztlich auf selbigen: „Wartet ihr auf die Queens? Sehr gut. Wir auch!“ Muff Potter hatten dann noch zwei. Zum einen „Placebo Domingo“. Zum anderen „Allesnurgeklaut“. Nach vierzig Minuten (21.30 Uhr) war es vollbracht.
 
Darauf hieß es, sich neues Bier zu holen... an der umlagerten Bar, hinter der sechs Thekenkräfte (darunter ein Mädel in Doombluse von Mirror of Deception!) eine ungleiche Schlacht gegen tausend durstige Kehlen führten. Allen liefen die Körpersekrete in Bächen runter - bis die Aufsicht den Notausgang öffnete und Luft ins Innere wehte.
QUEEN$ OF THE $TONE AGE. Vorab wurde das Faktotum aus Lo$ Angele$, U.$.A., mit Superlativen nur so zugeschüttet: „Geniale Liveband. Gigantischer Sound. Genrebildend. Retter des Rock. Mehr geht eigentlich nicht. Danket dem Herrn für diesen Gig. Ihr seid so gut zu uns!“ Aber auch Bestürzung und Bangen: „Notarzt erteilt Josh Homme Auftrittsverbot“. Dazu eine Routenänderung: Absage für Dortmund und Verschiebung von Hamburg wegen islamischer Terroranschläge in London. Kommen sie? Oder kommen sie nicht? Beschämend auch die Preise für Textilien von QotSA: Kurzärmler 25, Girlieblusen 30, und Bundeswehrhemden mit eingesticktem Emblem 90 Euro! Die Queens machten sozusagen Ca$h. Dazu kursierten Gerüchte wonach Kyuss sterben mußten, weil Homme seinen Schulabschluß nachholen wollte. Wenn es stimmt: Verachtung, nichts als Verachtung! - Unter diesen Orakeln begann der Auftritt der „Königinnen der Steinzeit“. Gitarrist und Sänger Joshua Homme hauchte zum Gruß ein knappes, fast scheues „Hallo“ ins Mikro. Nachdem der Chef seine Besetzung wie nach jedem Album komplett ausgetauscht hatte, bediente heute Troy van Leeuwen die zweite Gitarre, Dan Druff den Bass, Natasha Shneider das Keyboard und Joey Castillo die Trommeln. „Someone´s in the Wolf“ peitschte durch die Halle. Und wie auf Kommando lag die den Indie-Robot-Rockern vom anderen Stern zu Füßen. Und wenn man schon beim Wahnsinn ist, gleich noch die mit „As fast as we can“ angesagte Drogenhymne „Feel Good Hit of the Summer“. Mit ihrem einzigen Inhalt - der Aufzählung verbotener Substanzen: „Nicotine, valium, vicadin, marijuana, ecstasy and alcohol“, und dem Stakkatoreim „Co-co-co-co-co-cocaine“. Die Menge drehte durch, rempelte und verspritzte Flüssigkeiten. Frauen tanzten in Verzückung auf den Schultern ihrer Männer. Keine Chance, ein Bild zu knipsen. Es folgte eine Intimreinigung von Homme - mit einem vom Publikum spendierten Staubwedel. Und weiter im Irrsinn - mit dem entrückten „Everybody Knows that You´re Insane“. Dann dieses klimpernde Klavier zu „Go with the Flow“ (samt dem ersten Crowdsurfer). Gefolgt vom nicht minder rauschhaften „Avon“ (untermalt von hunderten in die Luft gereckten Armen). Doch leider war nach den bekannten Krachern rasch der Lack ab. Es folgten einige eher psychedelische als knackige Neunummern vom Wiegenlied-Werk. Mit weniger drückenden Gitarren und seichtem Gejammer von Homme - welcher einige Pfunde zugelegt hat, aber dem es trotz Überpräsenz einfach an Charisma fehlte. Der reguläre Teil endete nach einer Stunde mit dem „Song for the Dad“. „No One Knows“ bedeutet die erste Verlängerung, und der Desertrocker „Regular John“ beschloß den Trip. Ende gut, alles gut? Einige Kritische hatten sich schon in den Schlachter geschmuggelt...
 
Ich hatte viele Königinnen gesehen, an jenem Mittwoch im August. Die, mit der ich 13 Jahre verbunden war, verlor ich nachts halb drei auf dem Nachhauseweg am dunklen Ufer der Nidda. Am Tag der „Queens“ stand meine Beziehung mit Peanut am Scheidewg.............
 
 

Heiliger Vitus, 2. September 2005
.:: ABSPIELLISTE QUEENS OF THE STONE AGE ::.
(21.55-23.20)
 
1. Someone´s in the Wolf
2. Feel Good Hit of the Summer
3. The Lost Art of Keeping a Secret
4. Everybody Knows That You Are Insane
5. The Sky Is Fallin´
6. The Bronze
7. Go With the Flow
8. Avon
9. Make It Wit Chu
10. Little Sister
11. Monsters in the Parasol
12. Burn the Witch
13. Tangled Up in Plaid
14. A Song for the Dead
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15. No One Knows
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16. Regular John