THE HELLACOPTERS, THE DATSUNS, GAZA STRIPPERS
D-Frankfurt am Main, Batschkapp - 17. Dezember 2002

[13] Um Mitternacht sollte in Mittelerde der Ringkrieg in die zweite Runde gehen. „Die zwei Türme“ - der Orthanc, Festung des bösen Zauberers Saruman, und der Barad-dur, Sitz des dunklen Herrschers Sauron - sollten ihre Schatten über Gondor werfen. Smeagol sollte Ringträger Frodo und Sam nach Mordor ins Herz der Finsternis führen. Und Aragorn, Legolas, Gimli und die Rohirrim würden in Helms Klamm gegen eine Division Uruk-hai kämpfen. Noch 3 ½ Stunden mußten verstreichen. Zuvor gab es Gitarren aus Übersee. Und da knechtende Ringe und böse Türmen nahten: Auch in der Stadt am Main gibt es solche. Es wimmelt davon! - Leider nicht als „Hornburg“ erwies sich die „Batschkapp“. Eine halbe Stunde nach Einlaßbeginn, halb neun, erreichten wir die vermeintliche Festung. Und noch immer baute sich vorm Einlaß eine vielhundertköpfige Schlange auf. Frankfurts Ablärmhalle Nummer eins war zum Ersticken voll. Ein Wissender wußte, daß zu 600 Zahlenden noch 150 von der Gästeliste kamen. Aber für 400 Besucher ist die Kapp nur zugelassen!
 
Die GAZA STRIPPERS aus Chicago, Stadt der Gangster, spielten schon. Sie entpuppten sich als Bastard aus Glam-, Hard- und Punk Rock (auch Speedrock genannt); die Datsuns sollten ins gleiche Horn stossen; und die Hellacopters waren das gemeinsame Leitbild. Der Unterschied lag im heimischen Erdteil. Die Gaza Strippers kamen aus Nordamerika, The Datsuns aus Ozeanien, The Hellacopters aus Europa. Letzte schufen 1994 mit dem Album 'Supershitty To The Max!' den Stil. Ganze Legionen kupferten die Copters ab - und heute fanden sie in den Warmbläsern perfekte Nachahmer. Es sollte ein lausiger Abend werden. Von den Koksnasen um Rick Sims sahen wir zwanzig Minuten. Eine Nummer krachte auf die andere. Ungestüm, hysterisch, flach und schnell vorbei. Selten hab ich mich so gelangweilt.
 
THE DATSUNS folgten. Von dort, wo es Schafe und flugunfähiges Federvieh gibt, wo der unverfilmbare „Lord of the Rings“ seine bestmögliche Kulisse fand, vom südlichen Ende der Welt, kommen sie her. In Neuseeland wurden The Datsuns mit Lobeshymnen übergossen - mich langweilten sie fürchterlich. Die vier Milchgesichter um Dolf de Datsun schrammelten einen ähnlich uncharismatischen und verhuschten Speedrock zusammen wie die Amis. Einen Gang höher geschaltet vielleicht, Highspeedrock sozusagen, verziert von Deep Purple und Fuzz Metal. Und die Batschkapp barst vor Hominiden. Folgen: langes Anstehen und Betteln nach schalem Bier - und ein nur unter vollem Körpereinsatz möglicher Weg, es wieder loszuwerden. Wir zogen es vor, uns nebenan im Music-Club „Elfer“ bei Faßbier und Beschallung vom Band zu vergnügen ... und kehrten gegen 22.20 Uhr in die Kapp zurück. Zur rechten Zeit, denn...
THE HELLACOPTERS traten ins Licht. Oh, was habe ich die mal geliebt! 1995 waren die Höllenschrauber aus Stockholm noch der totale Untergrund. Frankfurts führender Plattenladen, der „Musikladen“, mußte mir deren Albumdebüt extra bestellen. Chefdenker Nicke war damals von den Trommeln bei Entombed ans Mikro und die Gitarre gewechselt, um als „Nick Royale“ dem Fuzzrock neues Leben einzuhauchen. Das Konzert zum Album war die reinste Headbang-Orgie. Doch damit war bald Schluß, denn nach dem Abgang des Gründungsmitglieds Dregen, der die Backyard Babies aus der Taufe hob, kamen zwei weniger schrille Nachfolger ins Geschwader. Seither ging es abwärts mit Nicke, Kenny, Boba, Strings und Robban. Der alte Geist aus AC/DC, Kiss und Motörhead verpuffte im Nullkommanix, aus durchgebrannten Heißspornen wurden berechnende Profis, und zwei Jahre später sollten sie´s mit einträglichem Mainstream treiben... Auf die letzten Platten habe ich verzichtet. Auch heute ließen die Schweden die ausgestreckten Arme gewieft, aber emotionslos über die Saiten rotieren - zu neuen Nummern, eine so flach wie die andere (und harmlos wie Gollum ohne Ring). Erst nach zwanzig Minuten folgte mit „Fire Fire Fire“ ein Kracher aus den Anfangstagen. Und „24 h Hell“ gab´s auch noch. Später nahm das Gedränge überhand. Die Kapp war wieder mal ein Tummelplatz voller Pseudo-Rock´n´Roll-Schmocks mit Flammenhemd und Eightball-Tattoo, ekligen Kettenrauchern und Stinkstiefeln, die nur kommen um Kontakte zu pflegen und rumzustänkern. Meine Freundin wurde aggressiv gerempelt. Wir sahen uns von einer Horde widerlicher Zombies mit finsteren Absichten eingekesselt, so wie Merry und Pippin von den Orks. Die Lage hätte eskalieren können. Als Nick Royale den Knaller „(Gotta get some action) Now!“ anstimmte (23.45 Uhr), stiegen wir aus dieser Freakshow aus. Der Tag, an dem die Gefährten gegen das Böse in Mittelerde kämpften, ging als eines der miesesten Konzis zeitlebens in unsere Annalen ein. Schade um die 18 Kröten Eintritt! Frodo führe uns ins Auenland!
 
 
Heiliger Vitus, 18. Dezember 2002; Bild: Da Fotografierverbot bestand, eins von der Hellaopters-Seite - Detroit, 17. April 2002)
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
GAZA STRIPPERS
1. Catfight
2. Outasight
3. The Suicide Lovers
4. Newburgh Housewives
5. Automat
6. Throttle Bottom
7. Yin and Yang
 
THE DATSUNS
1. Sittin' Pretty
2. Lady
3. Supergyration!
4. Harmonic Generator
5. What Would I Know
6. MF From Hell
7. Cherry Lane
8. Fink for the Man
9. In Love
10. Freeze Sucker
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11. Little Bruise
12. Goodnight Now [Cheap Trick]
 
THE HELLACOPTERS
1. U.Y.F.S.
2. All New Low
3. Toys and Flavors
4. Carry Me Home
5. You Are Nothin'
6. 1995
7. Better Than You
8. Down on Freestreet
9. Move Right Out of Here
10. Crimson Ballroom
11. No Song Unheard
12. Hopeless Case of a Kid in Denial
13. All I've Got
14. Hey!
15. Soulseller
16. (Gotta Get Some Action) Now!
17. Sometimes I Don't Know
18. By The Grace Of God