THE EXPLOITED, V8 WANKERS
D-Darmstadt, Goldene Krone - 29. Oktober 2007
Punk´s Not Dead: Am Ende eines sechsmonatigen Feldzugs über Europa, Asien und Australien rückten The Exploited in Südhessen an. Mein Erscheinen stand lange auf der Kippe. Denn erst am Vortag des Konzerts hatte die Lokführerschaftschaft für „einschließlich Montag keine weiteren Streikaktivitäten“ versprochen. Die Anreise war gesichert und abends kurz vor neun Darmstadts kriegsverschonte „Krone“ erreicht. „MusicXtreme“-Veranstalterin Eve hatte mir die Reservierung einer Karte für elf Euro angeboten, und mir dann an der Kasse sogar freien Eintritt eröffnet. Mit dem Nachteil, keine Karte zu bekommen. Was eine Schande gewesen wäre... bei den Karten mit dem legendären Mohikanerschädel! Nach Erwerb von Karte Nummer 399 war ich zum Froindschaftspreis von einem Zehner drin. Derweil eine ganze Armee Punker (echte!) den Außenbereich belagerte, verloren sich drin nur dreißig Gestalten: Poser, Pseudorevoluzzer, Möchtegernanarchisten, aber auch einige Glatzen und Gestalten in Hass- und Exploited-Nickis. Weil sich der Start um eine halbe Stunde auf 21 Uhr 30 hinauszögerte, stand fest, daß ich das Ende von The Exploited nicht erleben würde. Düster-Metal von Soleïlnoïr und Kronen-Pils zu Zweifuffzich halfen über die Zeit...
Aus unerfindlichem Grund waren die Berliner Streetpunks TOWER BLOCKS nicht angetreten. Dafür sprangen Offenbachs High Speed Rock and Roller V8 WANKERS ein, die gern als Vorprogramm mißbraucht werden (und denen ich schon zum vierten Mal huldigen durfte). „Wie ahr Wie-Eyt-Wänkörs from Offenbach-Town!“: Nichts Neues im Lager der sprücheklopfenden Schrauber um Latino Wanker Vulcanus, Big Wanker Schmuddel, Sexy Wanker Rico Dandruff, Dirty Wanker Dirty Dick und dem heute mit Clockwork-Orange-Bowler daherspazierten Boss Wanker Lutz Vegas. Während die V8-Wichser ihren aus Rose Tattoo, Elvis „The Pelvis“ und Kindheitsträumen aus dem Schaukelpferd entsprungenen Punk ´n´ Roll ablieferten, rückte der Zeiger unerbittlich über die zehnte Stunde - dem Start von The Exploited! - hinaus. Nach der Nummer für die gebrochenen Herzen, „This One is for You“, dem traditionellen Schluß „We Went Rocking“ und der notorischen Zugabe für alle Hardrocker, „Wankers Without a Cause“, hatten die Achtzylindrigen die vorausgesehenen vierzig Minuten voll. Immerhin paßten die dreckigen, ruppigen Lieder in die Schmuddelatmo der „Krone“ wie die Faust aufs Gretchen. Bis zum nächstenmal im Vorspiel der Großen...
 
Während V8W lärmten, hatte sich der Saal mit über dreihundert Kronenfreunden gut gefüllt. Auch Exploited waren eingetrudelt - alle, außer Wattie. Mit Glück konnte ich das letzte „Anarchy-Terror-Crew“-Shirt mit dem Schädel von Pushead erbeuten (zu fairen 13 Piepen übrigens).
Lang´ ist´s her... Im Mai 1996 hatte ich sie erlebt: THE EXPLOITED auf ihrem „Beat The Bastards“-Feldzug in der Hafenbahn Offenbach. Gewissermaßen in ihrer metallischen Phase, damals mit Pillbox und Doppelbock als Vorhut. Elf Jahre später gab´s nun ein Wiedersehen mit Wattie Buchan und Konsorten. Doch was sind elf Jahre in einem Vierteljahrhundert Bandgeschichte? Die 1980 in Edinburgh gegründeten Exploited sind - wenn auch nicht unumstritten - Legende! Der Exploited-Titel „Punk´s Not Dead“ prangt auf mancher Punkerjacke, wurde an Wände gekritzelt und ist so was wie der Kampfruf der zweiten Punkgeneration - und der des Oi! sowieso. Viel zu lange hatte es gedauert - erst der späte Beginn, dann Probleme mit der Technik (der Gitarrist hatte Wutschaum vorm Mund) - als die Barmy Army um 22 Uhr 55 mit „Let´s Start a War... Said Maggie One Day“ endlich das Geviert erstürmte. Wenigstens dieses Kultteil durfte ich noch erleben. Genauso wie „Police Shit“. Im dritten Jahrzehnt von Exploited wird Wattie nun zwar mit Sechssaiter Rob Davidson, Dreadlocken-Basser Irish Rob und Trommler Wullie Buchan von einer völlig neuen Crew flankiert, doch die Inhalte sind die gleichen. Mit bescheidenen Mitteln geht es gegen soziales Unrecht, Überwachung, Polizei, Korruption und den Kapitalismus überhaupt. „Fuck the System!“ ist der Name des neuen Albums wie auch der stete Leitgedanke des Trupps aus Schottland. Und dieser wurde und wird mit einem Maximum an Aggressivität platziert. Wattie, dessen feuerrote Braids gefallen sind, und der nun wieder einen Iro trägt, hat auch mit 45 nichts an Wut und Verachtung auf alle Welt verloren. Wie ein tollwütiger Pitbull, mit weit aufgerissenen Augen und ununterbrochen spuckend, ist er über die Bretter gesprungen. „Let´s start a war!“ hat er mit kaputter Stimme rausgebellt. „Hast du dem mal in die Augen geschaut? Der muß total verrückt sein!“, hat mir jemand zugeraunt. Exploited zerlegten die Krone in ihre Einzelteile. Für mich war das Massaker nach Nummer vier vorbei: Der letzte Zug nach Frankfurt hat alles verhagelt.
 
Beim Rausgehen gab mir Tourleiter Marco (ein Skin aus Freiburg) diese Auskunft: Exploited waren nur mit einem kleinen Bus unterwegs. Sie mußten auf das Schlagzeug des Klubs zurückgreifen, bei dem zwei Toms fehlten. Die Gitarren waren viel zu leise. Darmstadt sei „das Mieseste überhaupt“ gewesen... Ich selbst behalte Wattie und The Exploited in bester Erinnerung!
 
 
Heiliger Vitus, 30. Oktober 2007