TAGTEAM THORBEN, DROBE, MIND OCCUPATION, NAUSEA, MARIE WONDER
D-Frankfurt am Main, Sinkkasten - 29. Juni 2007
Support the Scene 88: Der „Sinkkasten“ hatte mit seinem Förderprogramm für die junge Garde von Rhein-Main wieder mal den einzigen Höhepunkt in Sachen Musik an jenem Saure-Gurken-Wochenende im Juni gesetzt. Wobei die Abfolge der Gruppen bis zuletzt offen blieb. „Der Ablauf wird beim Konzert festgelegt“, so die Klubleitung auf unsere fernmündliche Anfrage. Wie stets beim „Support the Scene“, wartete im Innenstadtklub „Sinkkasten“ die Invasion des Campus. Etwa 200 Bankdrücker und Freunde der Helden für einen Abend sorgten für eine halb volle Bude.
 
MARIE WONDER waren uns entgangen. Während sich das Fräulein vom Einlaß und der Onkel vom Mischpult eher gleichgültig über die Alternativrocker ausließen - „Keine Ahnung, wie die hießen. Waren nicht so gut, daß man sich den Namen merken sollte“ -, verifizierte es einer der Konzertgänger mit erfrischender Drastik: „Marie Wonder waren scheiße. Sie hatten fünf Songs. Alle fünf waren extrem geklaut - von Nirvana bis Blink 182.“
Den eigentlichen Auftakt bestritten für uns dann die nach einem At-The-Gates-Song benannten Death-Metaller NAUSEA, auf die ich so gespannt war. Myspace hatte Death, Thrash und Hardcore versprochen - und genau so kam es. Vokalist Flo, die Gitarristen David und Manus, der langhaarige Basser Grieche, sowie Trommler Tony hämmerten ein Kreuzfeuer aus melodisch geschrubbten Saiten, grindigen Knüppeln, verstörendem Gefauche und düsteren Visionen in den Raum, das in einem Zug mit Converge genannt werden muß (von denen Flo ein Hemd trug). Eigentlich waren Nausea waren sogar packender und intensiver als die Angesagten aus Amerika. Leider habe ich die erste Nummer und den Einstieg etwas verpaßt. Doch beim finalen „Neuen“ und dem achtminütigen Endzerstörer „Citizen Soldiers“ gab es auch für meinen Nacken kein Gnade mehr. Es war geil, zwischen zwei Dutzend wilden Headbangern die Haare rotieren zu lassen; jemand stieß einen begeisterten „New School“-Schlachtruf aus; Sechssaiter David streckte mir diabolisch die Zunge entgegen, und nach einer halben Stunde (21.20 Uhr) war das steil gehende Kommando aus Hofheim durch. Es war ein bißchen wie in den metallischen Achtzigern! - Flo erzählte mir im Anschluß, daß er (wie ich) beim verpflichtenden Converge-Konzert in Wiesbaden war und er den Idolen gar nach Schweinfurt hinterhergefahren sei. Die handbedruckte Demo-CD war noch so frisch, daß mein Abspielgerät sie glatt verschluckt hat...
Ohne Atempause ging es ab 21.32 Uhr weiter - mit dem Gegenentwurf zum Deathmetal: den in der Revolvercity ansäßigen Indierockern MIND OCCUPATION. Mind Occupation haben dann wohl allen den Puls in die Höhe getrieben und die Sinne im Handstreich okkupiert. Kreischende Puppen, auf die Bühne fliegende weibliche Textilien, durch den Sinkkasten schwebende Crowdsurfer und Peanuts Unken „Das werden doch wohl nicht die neuen Tokyo Bordell sein!“: Es war wie bei künftigen Superstars. MO bestachen mit einem absolut charttauglichen Mix aus Londonbeat, Britpop, Grunge und vereinzelten Skaelementen. Veredelt wurden die Melodien vom gleichsam rauhen und versoffenen wie hymnischen Organ des behüteten Fronters Tim, welches verdammt an den Bates-Sänger Zimbl (R.I.P.) erinnerte. Einziger Unterschied: Mind Occupation waren Durchschnittsmenschen und keine Durchgeknallten wie The Bates. Die besten Stücke, absolute Perlen in meinen Augen, waren das gute, weil nirvanaisch traurige „Searching“ sowie „Another Day in the Past“. Mind Occupation waren geil...
 
...unterste Schublade dagegen die in der Pause gekommene Clique mit den „Kein Bock auf Nazis“-Fetzen. Einem der dicken Lippen in die Augen geblickt, konnte der nicht lange standhalten und schaute schnell weg. Mit Feiglingen wird das nichts mit der Verhinderung des Nazi-Aufmarschs in Frankfurt am 07.07.07!
Die 22.35 Uhr aus dem Rodgau aufmarschierten DROBE waren so was wie die Verkörperung der neuen deutschen Jugend. Vom Intellekt über jeden Zweifel erhaben, charakterlich absolut korrekt, angepaßt - und ungefährlich bis matt. Typen, deren Gedanken und Gefühle nach innen fließen, die kaum Emotionen zeigen - und damit auch kaum Aura haben. Drobe - vier Buben mit trendig in die Stirn gekämmtem Haar - hatten allen anderen Gruppen ihr Schlagzeug zur Verfügung gestellt. Und servierten selbst einen anspruchsvollen und durchaus passablen Post-Prog-Rock mit wechselnd stillen und treibenden Momenten. Und einem echten Höhepunkt: der extrem eindringlich angekündigten Zugabe „Complexe Ideals“, bei der die Gitarre im Hendrix-Stil mit den Zähnen gespielt wurde... Der Rest war so schnell vergessen, wie er gekommen war.
23.25 Uhr - das Jungvolk war zur Hälfte abgezogen oder wollte keinen Krach mehr machen, ich war voll, wir sehnten das Ende herbei - gab es noch eine Fortsetzung in Sachen Hirnnektar: mit „500 Euro“ und TAGTEAM THORBEN. Auch die Methusalems des Abends erstarben nicht gerade in Aktionismus. Sie lieferten eine Art Hamburger Schule. Oder wie sie selbst sagen: Powerpop Punk. Heißt verhaltene Schrammelgitarren mit klugen Texten über die Liebe, den Alltag und die Welt, die nur schwerlich einen tiefen Eindruck hinterlassen. Die Lieder hörten auf Namen wie „Feuer“, „Noch immer da“, „Bergabwind“ und „Sterne“ und Sänger Lollo verteilte fünf Minuten nach Mitternacht die Schlafpillen ans Volk: „Letzter Song. 'Ende'. Wir waren Tagteam Thorben aus Bad Vilbel. Das war Support the Scene 88.“
 
 
Heiliger Vitus, 2. Juli 2007
(Bilder: Hl. Vitus)
ABSPIELLISTE NAUSEA
1. Wake the Sleeping
2. Anchor
3. Only for the Sake of Thinking
4. Stop Acting, Actor
5. Neues
6. Citizen Soldiers
 
ABSPIELLISTE MIND OCCUPATION
1. Stop
2. Waldemar
3. Searching
4. Hi-Hat
5. Broken Trust
6. Honest Honest
7. Another Day in the Past
8. Lucky Day
9. Someday
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10. Democracy
 
ABSPIELLISTE DROBE
1. ?
2. Words
3. Beware!
4. The Process
5. Cycle
6. Melismatic Dance
7. Neues
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8. Complexe Ideals