A SAILOR´S GRAVE, SCATRIC, EAT UNDA TABLE
D-Frankfurt a.M., Elfer Music Club - 06. Juli 2007
Es war die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm, die an jenem milden Julisommerabend über Frankfurt lag. Stunden später sollte einen Handgranatenwurf von unserer Wohnung entfernt, auf dem Gelände der ehemaligen Flak-Kaserne Hausen, eine deutschlandweite Demo der NPD stattfinden. Zweitausend Rechtsradikale, zehntausend Linksradikale und achttausend Uniformierte wurden erwartet. Die nahende Ultrabrutale in schwarzer und grüner Vermummung war beinahe mit Händen greifbar..... Unbehelligt davon und in sicherer Entfernung, im „Elfer“ Eschersheim, fand am Vorabend auch noch ein Metal- und Hardcore-Konzert statt, auf dem ich mit meinem Mädel war. Zwei Osteuropäer waren mit uns in den Linienbus gestiegen. Ein dreistes „Nein“ auf die Frage des Busfahrers, ob sie im Besitz von Fahrausweisen seien, war nur ein weiteres Exempel, daß Frankfurt immer mehr in die Fänge von Multikriminalität, Gesetzlosigkeit und Gewalt gerät. Immerhin erreichten wir den Elfer unbeschadet.
Die aus der „Hauptstadt der Herzen, aus Meckenheim“ nahe Bonn stammenden EAT UNDA TABLE waren für THE BLACKOUT ARGUMENT in die Bresche gesprungen, welche zwei Tage zuvor absagten. Ein Gemenge von dreißig Leuten (so was wie eine befreundete Schulklasse, die bei jeder Gruppe wechselte), bekam nun aber keinen Rap (wie der Gruppenname befürchten ließ), sondern geschrienen Metalcore um die Ohren gehauen. Einen Mutant aus Hardcore und Metal also, der sich im Elfer schon epidemisch ausgebreitet hat. EUT gestanden, daß es für sie schwer sei, als „fremde Band vor fremdem Publikum zu eröffnen.“ Und letztlich war es der Vokalist, der trotz einer etwas leblosen und abgedroschenen Schau ab „Choke“ die Nachbrenner im toten Fleisch zünden und ein paar Nasen zu einem Ringelpiez anstiften konnte. - - In der Pause gab´s eine Wiederbegegnung mit den vor Wochenfrist im Sinkkasten erlebten Deathern Nausea, von denen die beiden Frontleute heute als Türsteher im Elfer fungierten. (Am Tag nach dem Sinkkasten hatten Nausea im Odinwald gespielt und eine kritische Situation mit einigen Skinheads gehabt, jemand von trug dort ein „Good-Night-White-Pride“-Hemd...)
Die mit neuem Sechssaiter agierendenSCATRIC hatten ihre Schäfchen vom Start weg im Griff. Ab 22 Uhr 55 tobte eine halbe Stunde lang der Violent Dance im Elferkeller. Scatric servierten einen Cocktail aus Screamo, Hardcore und Metal. Hier ein emotionaler Schrei, dort ein gurgelndes Grunzen, das Ganze forciert von chaotisch-treibenden und dabei gar nicht mal so einfallslosen Gitarren: Die Quinte aus Frankfurt war deutlich origineller als die vom Rheinland. Aber auch sie riß nicht vom Hocker. War einfach scheiße, sich als altes Eisen in einem Keller zwischen Halbstarken zu tummeln, zwischen Straight-Edgern und honigsüßen, straßgeschmückten Puppen. Oben am Tresen fand ich Zerstreuung unter Meinesgleichen, Biertrinkern mit Tattoos auf den Armen. Peanut zog sich die junge Allzerstörung um Scatric bis zum Ende rein und erkor sie zu den Siegern der Nacht.
Von 23 Uhr 40 an wurde mit der Mainzer Piratencrew A SAILOR´S GRAVE seebestattet. „Geil, daß nur noch die Hälfte Leute da ist. Aber Mainz hat ja auch nur die Hälfte Einwohner, die bessere Hälfte!“ Auf Frotzelei zum Gruß gab es dann - au backe! - Screamo, Hard- und Metalcore zum dritten. ASG eiferten ihren Vorgängern nach und zockten - mit Ausnahme einer feierlichen „Happy-Birthday“-Ode an eine gewisse Winona (die dooferweise auf dem Klo saß) - ihr körperlich-garstiges Programm linientreu vor zwölf Leuten runter. Leider fielen die vielversprechenden „Nula et Volvere“, „The Man They Call Jayne“ und „Move Me Sideways“ wegen diverser Unterbrechungen und Ruckeligkeiten live erheblich ab. Zwanzig Minuten nach Mitternacht waren alle Klischees und Stereotypen verarbeitet und der letztlich leblose Spaß mit den Mainzelpiraten vorbei. Beim Absackerweizen konnte man durch die Elferfenster beobachten, wie die Sailor ihre Instrumente in einen Scheiß-SUV einluden.
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
EAT UNDA TABLE
(21.55-22.30)
1. Elephants (Dressed like beauty queens)
2. Missing in Action
3. Heaven and Hell Collide
4. Choke
5. Another Ending
6. Dying in Silence
7. Death is Tradition
8. Rest in Peaces
 
SCATRIC
(22.55-23.25)
Intro
1. Heartrace
2. Human vs. Human
3. Neues
4. Scream for Me
5. One Night Lovestory
6. Put Your Hands Down
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8. Tell Me Something New
 
A SAILORS GRAVE
(23.40-0.20)
Titel unbekannt
Bhf Rödelheim
 
Wolkenquirle über Rödelheim
 
Blockade in Hausen
 
Gegendemo (© FR)
 
Straßensperre Landmannbrücke
 
„Zukunft und Heimat schützen - Gegen Kapitalismus und Globalisierung“: Als der Morgen des 7. Juli anbrach, gärte es im Frankfurter Westen. Ab 8 Uhr zogen am Himmel Polizeihubschrauber auf. Sechshundert Neonazis trugen die antikapitalistischen Forderungen des Nationalen Widerstandes nach Bockenheim, Rödelheim und Hausen. Dreitausend Linksautonome versuchten, den Aufmarsch durch Blockaden und Zerstörung von Signalanlagen in den Bahnhöfen Rödelheim, West und Sportfeld zu verhindern; achttausend Polizisten in gepanzerten Anzügen erstickten mit Gittern, Straßensperren, Hubschrauberstaffeln, Räumpanzern und einem hochprofessionellen Dienst jede Feindberührung im Keim. Mit zweistündiger Verspätung begann um 15 Uhr die Veranstaltung der Rechten; 15 Uhr 30 setzte sich der Marschzug vom Bahnhof West zum Industriehof in Bewegung; auf der Kreuzung Ludwig-Landmann/Rödelheimer Landstraße fand die Zwischen- und im Industriehof die Abschlußkundgebung statt. 19 Uhr löste sich die Demo auf. 19 Uhr 30 entfernten sich die letzten vierzig Einsatzwagen und Wasserwerfer der Polizei von der Landmannbrücke. Insgesamt wurden 209 Links- und 2 Rechtsradikale festgenommen; drei Polizisten wurden durch Säure verletzt. Die Bahn bezifferte ihre Schäden auf 300 000 Euro. Ein weiterer Tag, der einen mit einer Frage zurückließ: „In was für einer Welt leben wir eigentlich?“
 
 
Heiliger Vitus, 9. Juli 2007