SMITH & WESSON
ITA-Tropea, Bar Macrì - 1. Oktober 2002
Wer reist, hat manchmal auch aus einer abgeschiedenen Gegend viel zu erzählen - etwa von der Spitze des italienischen Stiefels. Das hoch oben auf einer Tuffsteinklippe gelegene Tropea ist ein kleines südländisches Paradies am Ende der Welt. Mit schroffen Gipfeln, türkisfarbenem Meer und malerischen Sonnenuntergängen hinterm Stromboli ist es ein Traumort für Romantiker, der Strand eine Kulisse voller dramatischer Anmut. Doch auch die Stadt hatte etwas zu bieten. Das Nachtleben im Labyrinth aus engen, verwitterten Gassen fand in der Bar Macrì an der Piazza Veneta statt. Hier genoß ich mit Peanut oft eine warme Herbstbrise. Manchmal lockten knackige Klänge ins Innere des alten Adelspalastes. Edle Hölzer, rotes Leder, schwere Kronleuchter, prachtvolle Gemälde und ein mafiöser Barmann mit Zigarre und Zwirbelbart machten aus dem Ort einen mit dem Hauch des Besonderen. Eines Tages klebte am Portal ein handgeschriebener Aushang (Internet war hier noch nicht am Start): „The Café Macrì presents: Live Music Jam Session. Questa sera ore 21:30.“ Nicht zu glauben: ein Konzert! - - Drei Tage davor hatte ich in einem kleinen Krämerladen mit selbstgebrautem „Limoncello“ (Limonenlikör) gesündigt. Danach hatte ich höllische Bauchschmerzen und konnte zwei Tage nichts essen, nur Kamillentee trinken. Heute feierten wir wieder das Leben, betraten um neun das Macrì - und sahen vier kauzige Burschen, die nach einem Soundcheck mit Stainds „It´s Been a While“ die Gitarren wieder einpackten. Des Italienischen nicht mächtig, harrten wir bei Birra alla spina, Vino rosso und Avantgarde vom Klavier der Dinge......
... bis um zehn die Kerle noch mal in die Saiten langten: SMITH & WESSON, benannt nach der amerikanischen Bleispritze. Aber S&W waren Söhne Tropeas, dazu einer aus Südtirol. Die grungige Einlage nach Staind sollte die einzige ihrer Art bleiben. Der eigentliche Auftritt bestand aus Coverversionen. Nach dem Motto „Lieber gut kopiert als schlecht selbst erfunden“ wilderten Smith & Wesson in melancholischem Blues, huldigten Eric Clapton, Cat Stevens, CCR ( „Bad Moon Rising“ und „Green River“ ), den Stones, Lynyrd Skynyrd und Rory Gallagher. S&W waren eine jener Gruppen, denen es nicht um Moneten, sondern der Freude am Rocken ging. Dunkel waren sie. Und brodelnd wie der Feuerberg Stromboli auf der Insel gegenüber. Jimi Hendrix´ „Hey Joe“ haben sie zelebriert. Mit jaulenden Gitarren, spröden, warmen Vokalen und erdigen Trommeln. S&W hatten ihre fünfzig Tropeaner - darunter ein Langhaariger in Carcass-Shirt - mitgenommen auf eine Reise in die gute alte Zeit. Jene dankten mit schwelgerischem Tanz. Aber auch neue Sternchen wie Bon Jovi und Alanis Morrisette wurden in harte Riffs gesteckt. The Doors´ auf zehn Minuten ausgewalzter „Roadhouse Blues“ vollendete nach einer Stunde den ersten Teil. Päuschen... ein Bier... und auf zu weiteren Schrulligkeiten. Little Richards „Lucille“ bekam ´nen herrlich schroffen Schuß verpaßt. Und so nahm die Festa ihren Lauf. Kein schneidender Metal, kein malmender Doom. Aber eine schöne Erinnerung an Bella Italia. Und wer sinnt in mediterraner Kulisse nach finsteren Liedern? Smith & Wesson ballerten noch etliche in die Nacht. Für uns war´s Mitternacht finito... denn am Morgen war Training für den 26 Tage später steigenden Frankfurt-Marathon.
 
 
Santo Vito im Oktober 2002
(Das Bild ist von Santo Vito, der Film entstand in Tropea, Italien)