DOZER, SUNRIDE
D-Frankfurt am Main, The Cave - 14. Oktober 2002
Der Frankfurt-Marathon warf seine Schatten voraus. Noch dreizehn Tage bis zum Kampf. Eine Phase, in der Sportler früh ins Bett und nicht auf wilde Feste gehen. Zwei triftige Gründe trieben mich indes zur Schlafenszeit ins Frankfurter Stadtzentrum: die Suche nach einer verschollenen Promo-Sendung meiner Doomfreunde Mirror of Deception (die im Cave auftreten wollten, aber nie Rückmeldung von den Betreibern erhielten); und: der sehnliche Wunsch meines Mädels nach einem Wiedersehen mit Dozer. Es sollte ein Abend der Negativrekorde werden. Dauer von Einlaß bis Beginn: 1:20 Stunde; zahlende Besucher: 30; Preis fürs Flaschenbier: 4,00 Euro; eigener Umsatz: 7,50 Euro (Eintritt) + 0,00 Euro (Getränke) = 7,50 Euro. Und trotzdem war´s ganz schön: Nach langer Abstinenz gab es ein Wiedersehen mit Ex-Rock-Hard-Redakteur Müller (der ist dem Hamsterrad entstiegen, zieht jetzt sein eigenes Ding durch, und steht noch immer auf Doom); ich traf Cave-Bucher Tamo (und konnte hoffentlich etwas für die erwähnten Mirrors tun); und schließlich gab es auch noch Waberwälle...
One, two, three, four... SUNRIDE, ein Quintett aus dem finnischen Jyväskylä, gibt´s seit 1996 und sie machten Riff Rock. Treibenden Stoff, der etwas an frühe Hellacopters denken ließ, aber auch ganz klare Parallelen zu Orange Goblin und ähnlich rottigen Stonerrockern besaß. Es war riffgewaltig, was Sunride da um ihr Langwerk 'The Great Infiltration' fabrizierten. Den Suomis gelang es perfekt, gefühlvolle Psychedelik und arschtretenden Fuck´n´Roll unter eine Kappe zu bringen. Einem rotzigen Volldampfrocker folgte im nächsten Moment ein todtrauriger Runterzieher... nur um nach Luft zu schnappen und das Wah-Wah-Pedal danach umso heftiger durchzutreten. Wobei Bandleader Jani Peippo - optisch übrigens das Double von Nils Schumann gemeinhin - stimmlich sehr an James Hetfield in dessen 'Kill ´em All'-Phase erinnerte. Die Lieder trugen Namen wie „Vinegar Fly“, „The Earthmover“ und „Deadwrong Companion“. Ja, und das die Reise über deutschen Boden an die Substanz ging, war vor allem Sechssaiter Mikko anzumerken. Ernährte sich der Bursche doch ausschließlich von Rotwein. Starke Schau, Sunride!
Ungleich gravierendere Spuren hatte der achte Auftritt zur 'Conspiracy'-Tour beim Borlänge-Bong DOZER hinterlassen. Meister Nordin fand heute nur selten sein hymnisch-staubiges Timbre, und Sechssaiter Tommi, Bassist Johan und Schlagzeuger Erik, wirkten längst nicht so agil wie Sunride. Für mich eine derbe Enttäuschung, hatten mich die Tre Kronor doch zehn Monaten zuvor an gleicher Stelle im Sturm genommen. Zu den neuen Kyuss hatte ich sie ernannt. Nach dem Trip in die Tiefen des Alls folgte heute die Rückkehr zur kleinen Konspiration auf Mutter Erde. Trotz spirituellem Pfefferminztees im Blut sind bei mir nur die Fuzzexplosionen „Let the Shit Roll“, „Fullcircle“, „Inside the Falcon“ und „Riding the Machine“ hängengeblieben. Der Rest war nicht das Gelbe vom Ei. Vielleicht lag´s an nicht maximal ausgesteuerter Technik... oder das Neuwerk ist so schwach... Wenngleich Dozer noch immer schöner stonern, als das Gros der Gilde - von der Brachialität eines Bull-Dozers waren sie in dieser Nacht so weit weg wie der Pluto. Schlag Mitternacht - zur ersten Zugabe - einem von Fredrik solo vorgetragenem Blues auf der Akustikgitarre - verließen wir das Cave. Beim nächstenmal wird alles wieder gut!
 
 
Heiliger Vitus, 15. Oktober 2002