SHEPHERDESS, WHISTLE JACKET, THE GREAT BURIERS
USA-Somerville, MA, Abbey Lounge - 22. April 2008
Die Sieben-Hügel-Stadt Somerville nördlich von Boston hatten wir am Tag nach dem Boston-Maraton beglückt. Boston ist die Heimat von Gruppen wie Isis, Converge und Dropkick Murphys. Ferner war Boston in den Achtzigern die Brutstätte von Aerosmith sowie der US-Hardcore-Szene um Gang Green, Slapshot und Death Before Dishonor. Die Unis im Dreieck zwischen Maine, Atlantik und New York liefern das Kanonenfutter für den Hardcore. Mit Harvard lag eine davon nicht weit vom heutigen Konzertort „Abbey Lounge“ entfernt. Um neun waren wir von einem zwielichtigen, nach Schnaps riechenden Mulatten dorthin kutschiert worden. Der Klub in der Beacon Street lockte mit „Cheap booze and Rock and Roll 7 nights a week since 1933“; man buchte Garagen-Combos; sogar Klos mit Spülung baute der neue Betreiber im Vorjahr ein. Für sieben Dollar und einem auf die Hand gedrückten PAID-Stempel waren wir drein. Zwei Dutzend verloren sich in der aus einer „Pub“- und einer „Main Stage“ bestehenden, etwa 150 Personen fassenden Doppelhalle. Darunter der abgewrackte irische Bartender, zwei Schrate mit verfilzten Bärten und Zöpfen, sowie ein vor Jahren in Frankreich studierendes Mädel, das immer noch perfekt Deutsch sprach. Bier kostete zwischen 3 (Bud Nulldrei) und 4,50 Dollar (Smithwicks Nullvier vom Faß), also knapp drei Euro.
THE GREAT BURIERS alias Joshua Loomis, Andrew Leonard und Ariel Rejman machten um 21 Uhr 15 den Anfang. Es gab Prog Rock. Sachlichen, nüchternen Gitarrenrock mit gedrosseltem Tempo und einer hell näselnden Singstimme zu verorten zwischen Bob Dylan und Wolfgang Niedecken (dessen amerikanisches Ebenbild Loomis sein konnte). Nach einer sehr trockenen, stocksteifen Performanz zu Beginn, nahmen die Bostonians erst spät - ab „This Land is Not My Land“ - Fahrt auf. Die finalen Lieder erinnerten mit ihren gelegentlichen Eruptionen dann auch etwas an die experimentellen Indiehelden Motorpsycho. The Great Buriers waren unterdes ein eher lauer Psych-Aufguß. „Okay, my band left the stage...“: Mit diesen Worten stöpselte Mister Loomis nach einem halben Stündlein aus. Die meisten Besucher erlebten den Auftritt plaudernd an der Bar.
„Thank you for coming. We are WHISTLE JACKET.“ Grausiger noch als die von Loomis war die Stimme der zweiten Kapelle von der Ostküste: Sie klang wie ein bizarr-psychotischer Kindsgesang. Damit ist der Störfaktor aber auch benannt. Der Rest war durchaus effektvoll und mitreißend. Auch Michael, Dan, Matt, Spenser Gralla und Noah Bond kamen aus Boston. Und auch sie machten etwas Indie Rock - Indie mit einem gewaltigen Schuß Art Rock. Die nach einem Pferd benannte Whistle Jacket waren ein Mischmasch aus einem gewissen Campus-Charme, etwas Gaga, etwas gute Laune, einem schweinischen Shirt und viel Grips. Ein ziemlich irrwitziger Ritt auf abgefahrenen Elektrogitarren und wilden Trommeln, von denen eine am Bühnenrand drapiert war und abwechselnd vom hyperaktiven Multiinstrumentalisten Matt bedient wurde. Bei zwei Liedern standen Whistle Jacket - verstärkt um einen Gitarristen aus Seattle und zwei Herren aus San Francisco - sogar zu siebt auf der kleinen Rampe. Die stärksten Momente kamen am Ende, besonders beim Grunger „Skip and Jump“. Whistle Jacket galoppierten eine Dreiviertelstunde.
„Thank you for sticking around. We are SHEPHERDESS.“, lautete die Vorstellung zu Beginn der Geisterstunde. Auf einen peinlichen Streit zwischen der Frontfrau und ihrem barfüßigen Bassisten folgte die wunderbarste Musik der Nacht - mit Ladypower Made in Massachusetts. Hilken Mancini an Sechssaiter und Mikro, Emily Arkin an Baritongitarre, Geige und Gesang, Winston Braman am Bass, sowie Trommler Mike Savage verkuppelten Indie Rock mit Post Grunge und Punk. Der gemischte Vierer bestach mit knallharten, furiosen Apparillos, Anarcho-Charme und der trotzigen Attitüde der extrem taffen und ansehnlichen Mancini. Der aggressive „Green Seat“ und die bissige „Aquaplanagerie“ knallten wie eine durchbrennende Popcornmaschine und waren die Killer schlechthin! Lange Rede, kurzer Sinn (und Gänseblümchen zur Hölle): Shepherdess waren ganz einfach am zackigsten und heftigsten drauf, und das halbe Stündlein die nicht ganz günstige Reise allein wert! Mit sechs smoothen Schmittswix im Blut haben wir um Mitternacht den Heimweg nach Boston angetreten.
 
 
Heiliger Vitus, 25. April 2008
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
THE GREAT BURIERS
(21.15-22.13)
1. Lowest Rung
2. New Matrou Saint
3. You Need to Ask
4. Shut up
5. Heading for the Bootlicker
6. Dig Bitches
7. Lilac Tree
8. Loser In the First Place
9. This Land is Not My Land
10. Romance
11. Warz
 
WHISTLE JACKET
(22.18-23.03)
1. Cheatin Heart
2. Hey Kid
3. Ally´s Cookies
4. Whistle Jacket Theme Song
5. Love You Back
6. Summer Secret
7. Fire Alarm
8. Quitting Cigarettes
9. Dog and Cat
10. Say Hello
11. Skip and Jump
12. Knife Fight
13. Stairway to Heaven
 
SHEPHERDESS
(23.07-23.37)
1. Not Gonna Be There Now
2. Anything
3. Who Wants to Be
4. Green Seat
5. Blackout
6. Aquaplanagerie
7. Creem
8. Faith