ROYAL REPUBLIC, FATA EL MOUSTACHE MORGANA
NL-Amsterdam, Bitterzoet - 18. Oktober 2010
Viele große Stars lassen Amsterdam aus und treten stattdessen im Ahoy in Rotterdam oder im Vredenburg in Utrecht auf.“ Ein deutscher Reiseführer hatte gewarnt, und genau so sollte es in der Woche nach unserem Marathon in Amsterdam sein. Kein Zeichen von Metal, keins von Punk und erst recht keins von Doom in der Stadt der Freigeister und Hippies. Einzig im „Bitterzoet“ sollte was gehen. Leider hatte der Reiseführer den Klub am verkehrten Ende der über 400 Hausnummern zählenden Spuistraat angesiedelt, so daß wir in die falsche Ecke marschiert waren. Das Bittersüß fand sich nicht am Leidseplein - wo auch das „Melkweg“ steht -, sondern bei den Nutten, Luden und Haschstuben beim Hauptbahnhof. Für acht Euro bekam man seinen „Toegangsbeweijs“ (Eintrittskarte) in die Hand gedrückt. Drin erwartete uns so was wie ein kleines Revuetheater oder, besser gesagt, eine große Bar mit Tanzfläche, die in Bordellrot getaucht war und über der eine riesige Glitzerkugel schwebte. Üblicherweise tanzt man hier zu alternativer Musik, zu Punk, Rock und Hip-Hop, wie auch zu Soul und Funk. Am heutigen Montagabend standen zwei Rockgruppen auf dem Programm, eine aus Holland, eine aus Schweden. Achtzig Leute im Studentenalter sorgten für eine entspannte Atmo bis an die Apathie heran. Für einen viertel Liter Brand-Bier waren 2,30 Euro zu entrichten: ein fairer Preis in der Amstelmetropole.
Aus heiterem Himmel fingen um 20 Uhr 46 FATA EL MOUSTACHE MORGANA zu rappeln an. Hinter der Gruppe mit dem bizarren Namen steckten fünf Jungen aus Amsterdam mit den nicht minder entrückten Spitznamen Sharpy Sharpy!, Crashtestdummy, Roze, El Tempo und De Molen. „They are Amsterdam´s best band“ hatte das Netz lautmalerisch vermeldet. „El Moustache“ servierten eine schräge, aber durchaus prickelnde Melange aus verstaubtem Hard Rock und glamouröser Neuer Deutscher Welle, die von einigen Spritzern Funk, Jazz und Nonsens veredelt war. Dabei kam neben der klassischen Besetzung auch ein Elektropiano zum Einsatz. Blickfang im Geschehen war der von allen Frolleins angehimmelte Traumprinz hinterm Mikro. „El Moustache“ lebten in erster Linie vom dunkel-romantischen Charme ihres Sängers, der die Stücke oft behutsam bis still erzählte, sie manchmal aber auch mit großer Leidenschaft in der Meute stehend darbot. Mal auf Niederländisch, mal in Englisch, mal französisch. Im Grunde glich keins dem anderen. Unter all den obskuren Kram hatte sich auch ein melodramatischer Klumpen von Überlänge und das final von einer wabernden Stoner-Rock-Gitarre durchdrungene „Ma Copine Electrique“ geschmuggelt. Die ganze Fata Morgana zusammen währte eine gute halbe Stunde. Im Anschluß freute sich Gitarrist Crahtestdummy über den regen Zuspruch am ersten Tag der Woche, und Bassist Roze (mit Motörhead-Shirt bekleidet) schenkte (!) mir sogar das letzte Exemplar des kultigen Silberlings von 2010. Uh yeah!
Unverkennbar inspiriert von den Hellacopters: Das wäre mein Vorwurf an ROYAL REPUBLIC. Trotzdem sollte man das Rudel aus Malmö nicht als Verschnitt ihrer Landsmänner abtun, im Gegenteil: Was sich anschließend durchs Bittersüß metzelte, war ein irrer Rock-´n´-Roll-Overkill von moderner Machart und absoluter Eigenständigkeit. Funkige Gitarren schufen das Einzigartige im Spektakel. Und dabei hatte alles denkbar übel begonnen: Nach der ersten Nummer hatte eine Endstufe ihren Geist aufgegeben. Aber die Schweden bewiesen Schlagfertigkeit und stellten ein kurzes Verschwinden mit späterer Rückkehr, oder die zwischenzeitliche Ausrichtung eines „Royal-Republic-Quiz“ zur Auswahl. Nachdem ein Mädel die Anzahl der Mitglieder richtig erraten hatte, startete man umso wilder durch. Mal bemühten Grahn, Irengård, Almén und Andreasson die frühen, spröden Copters (wie in „Cry Baby Cry“); sie konnten es aber auch noch etwas härter (wie in der „Full Steam Spacemachine“); und sie waren vor allem schnell. Schließlich können die Royalen in 36 Minuten 13 Lieder spielen. Schnell bis zur Schmerzgrenze. So daß der muskelbepackte Andreasson nach der Hälfte fast zusammenklappte. Eine Kokspause richtete den Schlagzeuger wieder auf. Für „Oi Oi Oi“ gestand wiederum der Sänger seine Schwäche für harten Stoff. „Oi Oi Oi“ war von dröhnenden Echos eingeleitet, es spannte sich über knapp zehn Minuten und endete mit dem Black-Sabbath-Riff von „Iron Man“! Alles zusammen wurde nach einer Dreiviertelstunde vom Hochglanzrocker „Tommy-Gun“ beschloßen. Grahn hatte bei Letztem mit einer Vrouw aus dem Publikum getanzt und war danach mit dem Gitarristen durch die Meute verschwunden, derweil sich der Bassist und Trommler für den Hinterausgang entschieden. Keine Zugabe, und auch kein Verlangen danach. Mehr hat das Bittersüß nicht gewollt, und alles endete so schräg, wie es begann. Es war gerade mal halb elf. Mit Royal Republic hat die Schwedische Rock-Invasion die neue Spitze ihrer Bewegung.
 
 

Heiliger Vitus, 22. Oktober 2010, Bilder: Vitus & Peanut
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
FATA EL MOUSTACHE MORGANA
(20.46-21.19)
1. Chantal
2. Discolight
3. The River
4. Stockholm
5. Hou Me Vast
6. Wicky Wacky
7. 1995
8. Konzept
9. Wasted
10. Ma Copine Electrique
 
ROYAL REPUBLIC
(21.47-22.32 / ohne Gewähr)
1. Walking Down the Line
2. All Because of You
3. I Must Be Out of My Mind
4. Cry Baby Cry
5. Full Steam Spacemachine
6. President´s Daughter
7. Vicious
8. OiOiOi
9. Underwear
10. The End
11. Tommy-Gun
Onkel Vitus auf Hasch in Amsterdam