RADKRITERIUM „RUND UM DIE KELTER“
Keltern-Ellmendingen, 11. Mai 2025
Prolog
 
Zurück in die Vergangenheit lautete die Devise des heutigen Radrennens vom RSV „Schwalbe“ Ellmendingen. Nachdem es lange als Rundstreckenrennen an der Peripherie stattfand, stieg nach mehr als zwanzig Jahren wieder ein kurzes, knackiges Kriterium mitten im Herzen des Heimatdorfs. Ein Schlagabtausch der besten Kriteriumsfahrer des Südwestens wurde in dem herben wie reizenden Winzerdörfchen zwischen Karlsruhe und Pforzheim erwartet. Neben dem deutschen Kriteriumsmeister Rapps startete der im Februar bei einem schweren Unfall auf Mallorca verunglückte Nationalfahrer und spätere Elite-Sieger Augenstein. Alles in des Wortes wahrstem Sinne drehte sich dabei um die alte Ellmendinger Kelter von 1939. Derweil sich der zweite Sonntag im Mai für Peanut und mich Stück für Stück zu einer weiteren traurigen Geschichte entwickelte: Vor sieben Tagen das Chaos beim Rennen im brandenburgischen Klettwitz, welches zunächst die Landesmeisterschaft Sachsens sein sollte... dann zu einem ganz normalen Straßenrennen gemacht wurde... und sich im Nachhinein im Rad-Net wieder zur Landesmeisterschaft wandelte (um mit einem undankbaren vierten Platz für mich zu enden). Es folgten aufreibende Tage mit hunderten abgründigen Kilometern auf Autobahnen, darunter zu einem Bahnrennen in Leipzig. Während mein Mädel ihrer kranken Mutter in Nordhessen Trost schenkte... am Freitag nach Dresden kam... um mich - nachdem ein Start beim dünn besetzten Airfield-Race in Berlin an der Anreise scheiterte - Samstag von Dresden nach Frankfurt am Main... und nach einer kurzen Nacht am Sonntagmorgen weiter in den Norden des Schwarzwaldes zu kutschieren!
.:: DIE STRECKE ::.
Die neue Kriteriumsstrecke in Ellmendingen war gespickt mit Intensitäten. Nach dem traditionellen Start im Steilanstieg vor der Winzerhalle und einem langen Zieher durch die Frankenstraße, rauschten die Fahrer durch eine technisch sehr anspruchsvolle Spitzkehre in die vor Schlaglöchern und Schleusendeckeln wimmelnde Otto-Maurer-Straße, und weiter hinab zur Durlacher Straße, um am Ufer des Arnbachs entlangzufahren. Zurück zum Start und Ziel führte ein Anstieg durch die Heldengasse und die Weinbergstraße, dem einzigem Flachabschnitt zum Durchatmen. Je nach Rennen variierte die Anzahl der zu absolvierenden 1,4 Kilometer langen Achterbahn, sodaß es über sieben bei den Schülern bis fünfzig (!) Runden im Rennen der Elite ging. Pro Durchgang waren 31 Höhenmeter zu überwinden. Im Rennen der Masters 4 waren es unterm Strich 775 Höhenmeter - fast zweihundert mehr als der Anstieg über die „Kanonenstraße“ zum Taunusgipfel Großer Feldberg!
.:: DAS RENNEN ::.
Um ein Haar verrechnet hätten wir uns in der Anreise. Zwar im Morgengrauen um sechs gestartet, kamen wir erst eine Stunde vorm Start in Ellmendingen auf der Grenze zwischen Baden und Württemberg an. Vollends verschätzt hatte ich mich allerdings in puncto Material: Schon beim Abholen der Startunterlagen in der steilen Winzerstraße war ich aus allen Wolken gefallen. Und nach einer Streckenbesichtigung war mir endgültig der Stecker gezogen. Unausgeruht auf einem acht Kilo schweren Aerorad samt einem Rucksack voller Sorgen, war in Ellmendingen nichts zu holen! Dazu strotzte die Startliste vor bekannten Namen. Vierundzwanzig hatten gemeldet. Kurz vor neun wurde die Streckenbeschallung angeworfen. Nachdem es jüngst in Offenbach an der Queich zu körperlichen Rangeleien zwischen einem Bauern und Streckenposten kam, entschuldigte sich der Sprecher bei den Anwohnern für das frühe Wecken, und äußerte, daß das Radkriterium bei so vielen Anstiegen eigentlich in „BERGKRITERIUM“ umbenannt werden müßte...
Das erste Rennen des Tages bestritt - bei immerhin getrennter Wertung - ein Feld aus sechzehn Mastersmännern (etliche mit grau schimmerndem Schopf), zwei blutjungen Juniorinnen sowie sechzehn Elitefrauen, darunter eine vom World-Tour-Team Ceratizit. Punkt neun war START, und um zehn am frühen Vormittag war schon wieder alles vorbei. Dazwischen ging es fünfundzwanzig Mal die Himmelsleiter an der Winzerhalle empor. Doch der erste Scharfrichter war bereits das Anfahren im Berg: Die Startlinie befand sich hundert Meter unterhalb der Einmündung in die Frankenstraße mitten im Anstieg. Wer nicht auf Anhieb ins Pedal fand, kippte um. Dummerweise hatte sich das 33köpfige Feld schon etwa acht Minuten vorm Peng im Anstieg positioniert. Als ich dazustieß war es schon zu spät. Meinen Versuch, mit eingeklickten Schuhen vom Zaun aus zu starten, rüffelte ein Ellmendinger mit einem knappen „Sportsmann!“. Als ehrlicher Sportsmann stand ich zum Lohn am Schwanz der Schar im Stau hinter Ladies, die nicht ins Pedal fanden. Und schon nach hundert Metern war die Spitze über alle Berge. Nach durchstandenem Auftakt mit Adrenalin und Laktat am Anschlag teilte sich das Feld in zig Grüppchen. Mit dem Allgäuer Gericke und dem Pfälzer Antoni blieben zwei Fahrer an der Spitze. Das Duo schluckte mich nach etwa acht Runden und erreichte gemeinsam das Ziel. Wobei Antoni, der bei Prämiensprints mehrere Flaschen Wein gewonnen hatte, seinem Kontrahenten den Sieg nach Wertungspunkten überlassen musste. Nach dreiundzwanzig Runden voller biestiger Anstiege, zermürbender Schlaglöcher und Kurven nicht für schwache Nerven, überquerte ich rundengleich mit vier Professionellen als Siebenter den Zielstrich. Das war heute das absolute Maximum. Direkt vor mir rangierte der Schweizer Eminger, der dreimal als Eisschnelläufer bei Olympia für Österreich startete, und später Radweltmeister der Masters wurde. Lokalmatador Mohr war nach zwei Runden raus.
Epilog
 
Nach Rennende verlustierten sich Rennfahrer am Kuchenbuffet, unter Schirmen mit Käffchen oder Gerstensaft. Dabei ergaben sich Plaudereien mit dem sympathischen Kannibalen Walter Antoni und einem gewissen „Porno-Ralle“. Mit einem Teller voll Kuchen und einem Umschlag mit zehn Euro Preisgeld machte sich Peanut mit mir zur frühen Mittagsstunde auf den Rückweg nach Frankfurt. Die Fahrt über die Autobahn glich einem nicht enden wollenden Trip durch einen gleißenden Backofen voller Blech. Tags darauf entdeckten wir, daß an der Rennstrecke in der Durlacher Straße einst der Astronom Kepler lebte, der die Bewegung der Planeten um die Sonne entdeckte. Ein gutes Omen für weitere Rennen?
 
 
Nicht endender Dank
Peanut, daß du diesen Wahnsinn mitgemacht hast!
 
 
Vitus, 12. Mai 2025, Bilder: Peanut
.:: ZAHLEN UND ZEITEN ::.
Wetter: sonnig, 13ºC, leichter Luftzug aus Nord (4 km/h)
Typ: Kriterium
Länge: 35 km
 
Meldungen: ca. 250 (lt. Veranstalter)
 
Im Ziel: 156
Elite-Amateure: 32, Amateure: 38, Masters 4: 15, U19: 8, U15: 15, U13: 15, U11: 5, Weibliche Klassen: 28
 
Masters 4
Gemeldet:
24
Am Start:
16
Im Ziel:
15
1. Heiko Gericke (RSC Kempten) 26 Pkt., 1:03:43
2. Walter Antoni (TSV Neupotz) 21 Pkt.
3. Richard Schlude (RV Pfeil Magstadt) 13 Pkt.
4. Roland Ries (RV Pfeil Magstadt) 0 Pkt.
5. Harald Beideck (RSV Concordia Forchheim) 2 Pkt., -1 Rd.
6. Christian Eminger (RB Brugg, Schweiz) 0 Pkt., -1 Rd.
7. Mario Voland (Dresdner SC 1898) 0 Pkt., -2 Rd.
 
Ergebnisse
Rad-net