OSTRA CRIT DRESDEN
Dresden, 11. August 2023
Prolog
 
Die Wochen vorm Rennen wurden von zwei Dingen beherrscht: dem Wetter und vollkomener Orientierungslosigkeit. Besonders in der vorletzten Woche dominierte Regenwetter. Der morgendliche Blick galt der Wettervorhersage: Wann öffnet Petrus ein Fenster mit drei Stunden ohne Regen? Und dann waren die Wolken doch schneller und ich binnen hundert Meter nass bis auf die Knochen. Dazu war ich drei Wochen ohne Gruppentraining und ohne Wettkampf. Nur die „Bergrennen“ am Wochenende gegen Unbekannte der Frankfurter Radszene zwölf Kilometer hinauf zum Feldberg brachten mich mal an die Leistungsgrenze. Viel schlimmer noch: Stunden vorm geplanten Großen Preis von Mehlingen am 5. August erlitt der wichtigste Mensch in meinem Leben, Peanut, einen Allergischen Schock. Damit war mein Start beim Rennen nahe Kaiserslautern geplatzt. Vielleicht war es auch eine Vorhersehung. Das nächste Rennen stieg in einem komplett anderen Zipfel des Landes...
.:: DIE STRECKE ::.
Statt zigmal durch ein häßliches Gewerbegebiet am Po der Welt manövrierte die Strecke im innerstädtischen Landschaftsraum Ostragehege, einer grünen Halbinsel im Westen der Dresdner Altstadt. Sie führte als Fünfeck mit einer Länge von 1,4 Kilometern auf dem Messering rund um das historische Gebäudeensemble des Erlweinschen Schlachthofs, dem jetzigen Messegelände und der Eliteschule des Sports. Im Norden war sie von alten Linden und der Elbe gesäumt, im Süden grenzte die Ostraflutrinne an. Ausgangs jeder Runde war eine kleine Rampe zur Schlachthofbrücke zu nehmen. Dennoch sorgten glatte, breite Fahrbahnen und eine fließende Streckenführung mit nur einer scharfen Kurve für hohe Geschwindigkeiten.
.:: DAS RENNEN ::.
Eine Auferstehung des DDR-Radkriteriums „Pieschner Hafenfest“ ausgenommen, wird es eine kürzere „Anreise“ zu einem Wettkampf für mich wohl kaum noch einmal geben: Start und Ziel lagen nur 900 Meter Luftlinie von unserer Wohnung über die Elbe hinweg entfernt. Doch selbst auf diesem kurzen Weg erwischte mich die Pechmarie. Alle vier Kettenblattschrauben hatten sich gelöst, eine kratzte gefährlich am Rahmen. Keine Rede von einer Verschwörung... Zum Glück halfen mir die am Start postierten Jungs vom „Superkool Cycling Team“ mit dem passenden Werkzeug aus der Patsche. Derweil ich wieder in meine Verliererrolle der gesamten Saison hineinwuchs, traf unser Dresdner Freundespaar ein. Goofy und Hella waren extra wegen uns gekommen, wir hatten uns lange nicht gesehen. Und dann verschob sich der Peng wegen verspäteter Ankunft der Rennjury - erst von 16.30 Uhr auf 17.15 Uhr... und schließlich um eine weitere Viertelstunde auf 17.30 Uhr. Die Zeit wurde mit der Vorstellung jedes einzelnen Fahrers überbrückt.
Als in der Hitze der sechsten Abendstunde das Kommando zum START ertönte, hatte ich schon vierzig Einrollkilometer hinter mir. Und dann ging es vom ersten Meter an gleich in die Vollen. Voraus lagen vierundzwanzig Runden à 1400 Meter mit acht Wertungssprints. Die Teamfahrer von Urkrostitzer und Silchert übernahmen sofort die Regie und brachten sich in jeder dritten Runde in die günstigste Position zum Sprint. Nach dem ersten Renndrittel raste der mehrmalige deutsche Stehermeister Ralf Keller wie gewohnt in die Ferne - um als Solist das komplette, völlig aufgesplitterte und resignierende Minifeld zu überrunden. Die verbliebenen Wertungspunkte sicherten sich die üblichen Verdächtigen. Wobei ich gleich beim ersten Sprint meine Bestimmung gefunden hatte und als Fünfter immer wieder nur knapp an den Früchten vorbeifuhr. Keller, Großegger, Wellner und Ristau übertölpelten mich jedesmal mit einem Antritt auf den letzten hundert Metern hinauf zum Strich vor der Brücke. Vielleicht lief auch das Experiment mit Sex sechs Stunden vorm Start gegen die Wand? Mir fehlte jegliche Spritzigkeit. Dank doppelter Punktezahl im Endspurt blieb nur Platz fünf im ZIEL. Es war alles normal unnormal wie immer...
Epilog
 
Die Rennen der Fixies und Jedermänner bildeten den Höhepunkt beim „Revolution Crit“. Einer schlichten und sehr stimmungsvollen Veranstaltung. Gemacht von einer modernen, jungen Generation voller Tattoos, lässiger Klamotten und entspannter Musik. Schon die Nummernausgabe im mit Sonnenliegen bestückten Hof des Messerings 7 wirkte etwas „anders“. Ein Stand schänkte frisch aufgebrühten Bohnenkaffee und Capuccino aus, Heißluftballons stiegen vom Festplatz in der „Rinne“ zu abenteuerlichen Luftfahrten empor, Alt und Jung saßen in Grüppchen unter Bäumen im Gras. Und trotzdem kam es zu einem Einsatz der Polizei, da ein Autofahrer einem wegversperrenden Sanitäter über den Fuß gerollt war... Nachdem Goofy mir vor und nach dem Rennen beratend zur Seite gestanden hatte, und Peanut mit Hella und Goofy lange um die Runde geschlendert war, gesellte sich im Ziel der drittplatzierte Düsseldorfer Wellner zu uns, Er erzählte vom traurigen Schicksal seiner Frau, und daß er durch sie bewegt nach vielen Jahren wieder mit Radsport angefangen hatte.
 
 
Danke von Herzen
Goofy, Hella und Peanut
 
 
Vitus, 15. August 2023, Bilder: Peanut
.:: ZAHLEN UND ZEITEN ::.
Wetter: sonnig, 26ºC, leichte Brise aus Westnordwest (7 km/h), 45% Luftfeuchtigkeit
Typ: Kriterium
Länge: 34 km
 
Gesamtmeldungen: 99
Masters 4: 11, Jedermann Kat. 3+4: 32, Jedermann Kat. 1+2: 15, Fixie: 36, Frauen: 5
 
Masters 4
Gemeldet:
11
Am Start:
10
Im Ziel:
10
1. Ralf Keller (RSG Muldental Grimma) 38 Pkt., 46:29 Min.
2. Marco Großegger (SC DHfK Leipzig) 26, -1Rd.
3. Markus Wellner (RC Musketier Wuppertal) 19
4. René Ristau (RC Kleinmachnow) 12
5. Mario Voland (Dresdner SC 1898) 2
6. Jürgen Bomball (RSV AC Leipzig) 1
 
Ergebnisse
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