68. KIRRLACHER KRITERIUM
LANDESMEISTERSCHAFT KRITERIUM BADEN-WÜRTTEMBERG
Waghäusel-Kirrlach, 27. April 2025
Prolog
 
Es war wiedermal soweit. Der letzte Sonntag im April war ein Radsporttag. Der ehemalige DDR-Bahnmeister und jetzige Chef des RV Kirrlach, René Richter, hatte zu einem Kriterium auf badischem Boden eingeladen. Immerhin 240 Fahrer waren dem Ruf gefolgt. Nicht im Programm standen die Elite-Amateure, die ihren Platz zugunsten der Deutschen Meisterschaft der Tretroller räumen mußten. Für die Amateure, Masters und Frauen indes ging es in Kirrlach um die Baden-Württembergische Meisterschaft im Kriterium. Blieb nur zu hoffen, daß Petrus mitspielt. Denn unter der Woche fiel Regen. Ich selbst hatte gerade keinen guten Lauf: Die Wohnprojekte in Frankfurt und Dresden bereiteten Probleme. Darunter litt inzwischen meine Partnerschaft. Und es kam alles noch schlimmer: Zu Wochenbeginn hatte eine Scheibenbremse den Geist aufgegeben. Der Ärger raubte mir neben Geld weitere vier Tage Lebenszeit. Ich war wütend! Wütend auf das Material, wütend auf die fehlende Hilfe, auf das Rennen, auf die Zukunft, auf mein Leben. Ich war wütend auf alles!!
.:: DIE STRECKE ::.
Am Morgen des 27. April war Kirrlach also Schauplatz einer Kriteriumsmeisterschaft. Dafür war eine Runde in einem abgeschiedenen Gewerbegebiet in der Oberrheinischen Tiefebene ausersehen worden. Start und Ziel befanden sich in der Kaigartenallee. Von dort führte der Weg über die windumtoste Industriestraße, durch ein rasantes Geschlängel Am Alten Flugplatz, sowie die Karl-W.-Müller-Straße. Durch die Nördliche Weinstraße kamen die Fahrer wieder auf die Kaigartenallee zurück, wo sich blöderweise neben einem Altglascontainer das Ziel befand. Der ein Kilometer kurze, brettflache Rundkurs über extrabreiten Asphalt versprach ein blitzschnelles Tempo. Die Masters mußten vierzig Mal rum.
.:: DAS RENNEN ::.
Nach einem zermartenden Nickerchen von etwa hundert Minuten wurde ich um vier Uhr nachts vom Handy geweckt. Um sechs fuhr meine treue Seele Peanut mich ins Ländle. Halb acht trafen wir bei böigem Wind und empfindlicher Kühle im Niemandsland zwischen Mannheim und Karlsruhe ein. Hinter uns parkte der französische Masters-2-Akteuer Million, der später im Rennen mit arroganten „Allez!“-Schlachtrufen stören sollte. Der Vorteil des ersten Rennens des Tages ist eine freie Besichtigung und des Warmfahren auf der Rennstrecke ohne Rücksicht auf andere Rennbetriebe. Nach drei Runden fror ich und entschied mich für ein wärmendes Unterhemd. Sieben Wettkämpfe wollten die Strippenzieher zwischen 9 und 17 Uhr durchziehen. Dementsprechend straff durchgetaktet war das Programm. Besonders stolz schienen sie auf das sonderbare Beiwerk der Tretroller - einer Mischung aus Radfahren und Laufen -, das mit einem extra Pavillon bedacht wurde.
Im Unterschied zu den meisten Rennen, wo man Altersklassen getrennt fahren läßt, war für Kirrlach ein gemeinsamer Start aller Mastersklassen bei getrennter Wertung ausgeschrieben worden. Damit ballte sich auf der Kaichgartenallee ein Feld aus 81 Methusalems mit Messer zwischen den Zähnen zusammen: 35 Masters 2, 30 Masters 3 und 16 Masters 4. Der START Punkt neun erfolgte mit einer Trillerpfeife - für mich aus der denkbar schlechtesten Position: dem Schwanz der Meute. Da hieß es, sich nicht kirre machen lassen in Kirrlach! Allerdings konnte ich mich mit jedem Viertel des Rennens auch ein Viertel im Feld nach vorn arbeiten. Vom ersten bis zum letzten Meter war dieser Kampf Adrenalin pur, bei dem achtzig Männer mit fünfzig Sachen über die Geraden und mit 40 Stukis durch die Kurven jagten. Trotz der hohen Geschwindigkeit, trotz Wertungssprints aller fünf Runden, trotz zusätzlichen Prämiensprints und trotz der schnellen, zum Teil gefährlichen Kurven blieb die Meute bis auf jene geschlossen, die vom Pech verfolgt den Anschluß verloren. Über die für ein Radrennen extrem kurze Runde und den glatten, trockenen Asphalt kamen alle verhältnismäßig leicht, Schwächere hingen im Windschatten, keiner ließ den anderen aus den Augen. Bis sich etwa zur Rennhälfte die Spreu vom Weizen trennte. Manche explodierten regelrecht, wurden überrundet, manche auch mehrmals. Final gelang den aus den Radsportbastionen Reute und Magstadt stammenden Halbprofis Heiny und Dürr die Flucht. Für den Rest entspann sich auf den Straßen südlich der Grand-Prix-Strecke Hockenheim auf den letzten fünf Kilometern ein harter Positionskampf. Als es zum letztenmal in die Kaigartenallee ging, konnte ich zwei direkte Rivalen niedersprinten und lag im ZIEL auf Rang sieben. Als Sechster platzierte sich kein Geringerer als der pfälzische Kannibale Antoni direkt vor mir. Der ursprünglich auf Platz neun geführte ehemalige Deutsche Mastersmeister Gericke wurde nachträglich zum Vierten gemacht. Von den alten Masters 4 konnte nur der Sieger einen einzigen Wertungspunkt ergattern; der Rest kämpfte um den Windschatten der Jüngeren.
Epilog
 
Es war ein Riesenerfolg, daß ich mich bei den Leuten, die da unterwegs waren, in der Spitze der teils 25 Jahre Jüngeren behaupten konnte. Mit dem 7. Platz von 20 gemeldeten Masters-4-Fahrern hatte ich heute alles erreicht, was möglich war. Nach Rennende wurden die Feinde zu Freunden und bauten im Zelt und am Bierwagen das Adrenalin ab. Der schmächtige Westerwälder Rommelfanger mußte gleich zu Beginn eine Runde schlucken, und hatte kurz vorm Ziel einen Platten, den die Dichtmilch notdürftig reparierte. Wuppertals Wellner blickte angesichts einer erneuten Holzmedaille niedergedrückt ins Leere. Während die beiden Hessen Weber und Fürtig über gemeinsame Bekannte sinnierten. Mit einem Teller voll Kuchen und einem Umschlag mit zehn Euro Preisgeld machte sich Peanut mit mir zur frühen Mittagsstunde auf dem Heimweg nach Frankfurt.
 
 
Vitus, 30. April 2025, Bilder: Peanut
.:: ZAHLEN UND ZEITEN ::.
Wetter: sonnig, 13ºC, leichte Brise aus Nordnordost (7 km/h)
Typ: Kriterium
Länge: 40 km
 
Gemeldet: 240
 
Im Ziel: 210
Amateure: 48, Masters 2: 32, Masters 3: 27, Masters 4: 15, U17: 13, U15: 24, U13: 16, U11: 7, Elite-Frauen: 28
 
Masters 4
Gemeldet:
20
Am Start:
16
Im Ziel:
15
1. Dirk Trautmann (RV Komet Delia 09 Köln) 1 Pkt.
2. Markus Kratz (RSC Neustadt)
3. Ralf Weber (RSC Niddatal 1988)
4. Heiko Gericke (RSC Kempten)
5. Markus Wellner (RC Musketier Wuppertal)
6. Walter Antoni (TSV Neupotz)
7. Mario Voland (Dresdner SC 1898)
 
Ergebnisse
Rad-net