MULE SPAREPARTS, YELHO, MARTIN ET DUBOIS
D-Frankfurt am Main, Raumstation Rödelheim - 24. Februar 2007
Das Leben ist schön - es lebe das Leben: Unter diesem Motto schotteten sich am Sonnabendabend zweitausend Figuren der selbsternannten Elite aus Politik, Gesellschaft und Kunst beim „Opernball“ von der Welt ab. Neunhundert Linke hatten der Bonzokratie das Schlagwort Her mit dem schönen Leben! entgegengesetzt und in Clownskostüm gegen die kleine Narrenwelt in der Alten Oper und gegen Globalisierung und Sozialraub im Speziellen mobilgemacht. Abends um sechs flogen Flaschen, Steine und Schlagstöcke. Eine Luxuskarre ging in Flammen auf. Die Polizei nahm 108 Krawallbereite fest. - Nur wenige Kilometer entfernt, stieg im linken Jugendhaus Rödelheim ein Punkkonzert. Es war das einzige in dieser Februarnacht in Frankfurt und die Gefahr, mit Versprengten der Clownsarmee aneinanderzugeraten, entsprechend groß. Es kam anders. Um neun Uhr waren Peanut und ich bei vier Euro Eintritt die ersten Zahlenden in der Raumstation überhaupt. Bei Konzertbeginn waren es um die vierzig. Die eine Hälfte sah aus wie Leben, die andere wie rote Rebellen. Einen Stinker in St.-Pauli-Kapu mal ausgenommen, war es ein friedlicher Rahmen.
Die Akteure hatten sich sehr viel Zeit genommen... 1 Stunde und 40 Minuten nach Einlaß kamen die Eröffner aus dem Knick: das Experimental-Rock-Duo MARTIN ET DUBOIS aus Bordeaux. Zwei kauzige, zwei sympathische Typen, Jungs wie reifer Wein, die zwischen acht Auftritten in Frankreich mal nach Berlin und Frankfurt abgestochen waren. M&D gingen mit lediglich zwei Instrumenten zu Werke: Schlagzeug (Martin) und Gitarre (Dubois). Klingt minimalistisch - und war fesselnd! Denn zur spärlichen Ausstattung gesellten sich große Herzen! Es war irre, welch´ drückende Klanggebirge die beiden mit ihren Nummern um „Pff“ und „Tout ce qui existe“ auftürmten: ein wortloser Schlagabtausch, ein mörderisches Kreuzfeuer aus einer erdigen Rockgitarre und hochgaloppierenden Trommelstöcken. Schön laut, schön warm; mal versonnen dahinplätschernd, mal lebhaft bis zum Gehtnichtmehr; beheimatet in den Gefilden von Post- und Noiserock und behütet von der Baskenmütze Ches. Und manchmal auch sehr an das deutsche Prog-Doom-Duo Beehoover erinnernd. Martin und Dubois zauberten 35 Minuten.
Weiter ging´s mit ebenfalls Franzosen. Ebenfalls aus dem Umland von Bordeaux. Ebenfalls rein instrumental. Und ebenfalls sehr beherzt: mit YELHO. Mit Jul und Dju an den Gitarren, mit Rage am Bass, Romu hinterm Schlagzeug und Niemand als Stimme. Ganz in sich und ihre Gitarren versunkene Künstler, wiegende Bewegungen, subtil berauschende Klangkaskaden, monumentale Spannungsbögen, vom behutsamen Herantasten über explosionsartige Ausbrüche und zurück in eine Totenstille: Yelho erinnerten mich sofort an die Postrocker Daturah (die ja wiederum mit den Stilbildnern Isis verglichen werden) - und stießen dennoch in ein anderes Horn. Yelho waren ein Fitzelchen rauher und schroffer als das Pendant aus Mainhattan, die Widersprüchlichkeit von Laut und Leise kam abrupter, und - im Kopfkino Yelho waren Töne aus Menschenmund zu verorten. Kein Gesang, nein, in höchster Ekstase herausgeschriene Wortfetzen von Sechssaiter Dju. Yelho gingen mit der 60sekündigen Apokalypse „Katya“.
Vierzig Minuten Däumchen drehen... Die Hauptdarsteller ließen sich feiern. Allzu lange für Peanut und mich. Die Uhr zeigte Die Uhr zeigte auf nachts um kurz vor eins, als die Frankfurter MULE SPAREPARTS mit diffusem Elektro-Noise begannen. Hinter den Mule Spareparts steckten zwei Mitglieder der zersetzten Post-Hardcoreler Röpe sowie der Noiserocker Confused: Pete (Geschrei, Gitarre) und Kevin (Schlagwerk, Geschrei). Treu ihrer Wurzeln kreierten MS dann auch einen Bastard aus alles weghämmernden Trommeln, brachialen Trossen und paranoidem Geschrei - eine kalte Hölle aus Hardcore, Screamo und Postrock. Alles zusammen. Und viel zu laut! Nach vier Stunden hatten unsere Ohren genug vom Vernichtungsspektakel, und die Lungen vom Nikotin. Nach dreißig Minuten Mule-Spareparts-Terror haben wir uns aus dem Orbit ausgeklinkt.
 
Die abschließende Fuck The System And Have Fun With Us-Sause lag weit über der Sendezeit. In acht Wochen ist London-Marathon!
 
Ach ja... Wenn das Herz denken könnte, würde es stillstehen: Diesen Satz hat jemand an die Klotür gekritzelt. Jemand ohne Geld vielleicht - aber mit Herz und etwas Glück im Gesicht.
 
 

Heiliger Vitus, 26. Februar 2007
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
MARTIN & DUBOIS
(22.40-23.15)
Titel unbekannt
 
YELHO
(23.35-0.10)
1. Yonke
2. Crilin
3. Eve
4. Celle la
5. Elle est oú
6. Captain Pepper´s
7. Living Room
8. Bub Song
9. Plastic Bernard
10. Dersh
11. Top Spin
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12. Katya
 
MULE SPAREPARTS
(0.50-?.??)
1. Intro
2. Aki
3. Schnell
4. 7/8
5. Popo
6. Pink
7. Neu
8. Plain
9. Leg
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10. Blues