MORNE, OCASO
D-Dresden, Chemiefabrik - 17. Oktober 2019
Morne (französisch für trostlos) und Ocaso (spanisch für Niedergang, Untergang): Die Namen der beiden Gruppen aus Boston und Dresden konnten aus dem Ratgeber „Anleitung zum Unglücklichsein“ stammen. Stilistisch bewegten sie sich im Dunst von Crust und Sludge, sprich: kontrollierter Attacke. Nach dem Heavy-Stoner-Doom-Ereignis drei Tage zuvor mit Dopelord kam heute nur ein Drittel an Gästen in die „Chemo“; also die klassischen fünfzig der Klubkonzis, darunter ein Doom-Addict aus dem weit entfernten Zwickau, der mit Peanut und mir auf der gleichen Welle funkte.
OCASO, eine weitgehend anonyme Troika aus Dresden, startete und endete mit gedrosseltem Sludge. Dazwischen lag eine halbe Stunde Volldampf artverwandt mit den Dis-Kapellen der frühen Achtziger. Ocaso machten kurze, knackige Lieder, die nach Ängsten und Zorn klangen. Grimmiges Gebrülle kopulierte mit rasenden Gitarren und halsbrecherischen Trommeln. Kein Lied näherte sich der Drei-Minuten-Grenze. Schnelles, extrem hartes Gemetzel wie ein Schlag mit der Faust. Nicht mein Fall. Mit Ocaso gingen auch die Freunde der Band.
Etwa vierzig erlebten die in Boston, USA, beheimateten MORNE. Nur für die waren Peanut und ich gekommen. Wir erhofften atmosphärischen Sludge in der Art von Downfall of Gaia - und bekamen eine Stunde komplexen amerikanischen Postmetal im fünften Gang... bevor die letzte Viertelstunde mit den wahnsinnig schönen Endzeitdoomern „Shadowed Road“ und „Surrendering Fear“ vieles wieder gut machte. Aber zu der Zeit war es meiner Adjutantin wegen der durchdringenden Lautstärke schon komisch geworden; ich selber hatte ein bißchen tief ins Glas geblickt. Das 2005 formierte Kommando um Milos Gassan, Jeff Hayward, Max Furst und Billy Knockenhauer (zu der nominell auch noch ein Keyboarder gehört), wirkte über weite Strecken etwas ruppig und überspannt. Verlorene Schreie, rauhe Trossen und dystopischer Krach erzeugten eine sehr bedrohliche, kühle und düstere Atmosphäre ohne die ewigliche Tiefe, die wohl eine Orgel verliehen hätte. Inhaltlich ging es eher depressiv zu. Nach einer gewissen Zeit wirkten die Akteure auch in ihren stereotypen Bewegungen erstarrt. Einzig der Bassist, dessen kahler Schädel, die Boots und skurrilen Verwringungen an den Boston-Hardcore der Achtziger erinnerte, brachte Leben aufs Geviert. Kurios war auch das polnische Englisch des Fronters, der sich an Mornes Auftritt vor zehn Jahren an selber Stelle erinnerte, und sich freute, in bekannte Gesichter zu sehen. Jammerschade, daß die Amis erst am Ende zwei Gänge runterschalteten. Ein bescheidenes „Thank you so much“ und eine geballte Faust besiegelten nach exzessiven siebenundsiebzig Minuten einen Spagat zwischen Blackened Sludge, Doom und Metal, zwischen Untergrund und Andienung des Mammon. Mornes Album 'To The Night Unknown' klang zuhause etwas wärmer als in echt.
 
 

Heiliger Vitus, 20. Oktober 2019, Bilder: Peanut
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
OCASO
(21.34-22.08)
u.a.:
Loss and Damage
Distasteful Waste
 
MORNE
(22.30-23.47)
1. To the Night Unknown
2. Not Our Flame
3. Scorn
4. Untold Wait
5. Shadowed Road
6. Twilight Burns
7. Surrendering Fear