LOW FREQUENCY ASSAULT X
 
NAEVUS, CROWSKIN, THE TOWER, NIKANDER
D-Nürnberg, Z-Bau (Kunstverein) - 10. Dezember 2016
Sonnabend, 10. Dezember (2. Tag)
 
Am Morgen erwachte ich wieder zum Leben, und der Low Frequency begann von vorn. Immer und immer wieder. Nach einem Bummel durch den Adventstrubel der Altstadt samt Besuch im neuen EMP-Laden auf der Königstraße, standen wir abends um acht wieder vor der eisernen Tür zum Kunstverein. Neben den altvertrauten, stilvollen Flugzetteln und Plakaten waren für den LFA auch Eintrittskarten gedruckt worden: klein und handnumeriert. Dazu hatten die Macher das Foyer mit einer Bildertafel mit Auflistung aller jemals beim „Doom Over Nuernberg“ oder „Low Frequency Assault“ angetreten Gruppen ausstaffiert. Ich bekam feuchte Augen, als ich die eigenen Aufnahmen darauf sah! Trotz aller Liebe fanden sich nur knapp hundert Leute ein, darunter verstrahlte Jugend aus dem Punkbereich. An den Preisen für den Eintritt (unverändert 10 Euro) und das Bier (der halbe Liter für 1 Euro 50) kann es nicht gelegen haben. Auf Dauer einschläfernd wirkte der bordellrote Nebel vor und auf der Bühne. Wilder heute unterdes das Geschehen darauf...
Nach dem doomigen Vortag setzte es durch NIKANDER gleich zu Beginn einen Dämpfer für alle Slowbanger. Die Gruppe aus Mährens Hauptstadt Brünn lieferte zwar doomtauglichen, von massiven Trossen und Trommeln angetriebenen Sludgecore, der durch die hellen Schreie ihrer Frontfrau allerdings etwas grell von den eisenbetonen Wänden der Südkaserne hallte. Die Meute reagierte eher verhalten. Dafür hatten Nikander Musikkassetten mitgebracht, die sich nicht in Schwarz sondern in Grün zeigten, und auf 36 Stück limitiert waren! Und sie hatten immerhin noch ungleich mehr Tiefe und Doom im Blut als die stilistisch ähnlich Gearteten aus Potsdamzittaumagdeburg. Die anmutige Vokalistin Jana verblüffte am Ende mit einem hochdeutsch hingefauchten „Vielen Dank, Leute!“ - Vitus dankt im Sinne der tschechischen Ahnen mit „Dekuji, Nikander!“ zurück. Übrigens: Nikander hatten sich nach dem verliebten Müllmann aus dem Kaurismäki-Film „Im Schatten des Paradieses“ benannt...
Den nächsten Tschechen THE TOWER hatte ich besonders entgegengefiebert. Das Demo der Prager versprach puristisch-melancholischen Doom Metal wie ihn derzeit auch Apostle of Solitude, Pallbearer oder Caskets Open machen. Doch dann verhagelten erst Probleme mit dem eigenen Bassverstärker resp. der Verstärkeranlage des Klubs die Laune. Und schließlich ruinierte das Nervenflattern der Akteure auch noch den Rest. Allein zehn Minuten für die Justierung des Mikrofons und das Verlegen der Kabel am Boden: Das konnte nicht gutgehen. Ondra, Igor, Laco und Stas spielten dann anfangs auch diffus und ohne Druck, und wirkten ausgesprochen unsicher und gehemmt. Zudem bissen sich der geisterhafte Gesang des Leitgitarristen und die klaren Vokale des Rhythmusgitarristen. Erst nachdem die Führungsrolle auf die reine Variante fiel, blühten The Tower auf. Die Tschechen waren in der Folge zwar dicht am Leben, aber selbst ihre vermeintlichen Glanzlichter „Messiah“ und „Mausoleum“ alles andere als perfekt. Es blieb das Gefühl, daß die Chemie zwischen den Akteuren nicht stimmt. Die über weite Strecken recht hakelige Doomreise endete nach fünfzig Minuten. Na zdraví, The Tower!
Links vom schwarzen Zimtstern prangte das an die Wand gestrahlte Gruppenemblem CROWSKIN. Davor standen und saßen vier signalblondierte Typen mit Filzlocken und ein wahnsinniges Schneewitchen hinterm Mikro. Nach zwei Begegnungen 2009 war dies nun unser drittes Erlebnis mit der Horde aus dem Osten, und nicht zuletzt durch ihre neuen Mitglieder war sie nicht mehr wiederzuerkennen. Crowskin kamen mit kerngesunder Gesinnung und ballerten unter wildem Werfen der Dreads durch alle Klischees zeitgeistiger Musik mit subversivem Unterton in eindimensionaler Ausrichtung. Hier wurden die Core-Fanatiker - und davon hatten sich einige im Publikum verirrt! - bestens bestrahlt . Das Seltsame war nur, daß man sich die ganze Zeit außerhalb der Bühne unter Mützen und Kapuzen versteckt hielt. Wahrscheinlich waren Crowskin eine der Gruppen, die die Veranstalter ins Programm nehmen (müssen), um auch andere Zielgruppen zu mobilisieren. Hm, weiß nicht so recht... Nach 36 Minuten wüstem Brachialkrawalls waren die Jünger der Zeitlupe erlöst. Vier von Crowskin blieben als Unsympathen in Erinnerung.
Mit NAEVUS übernahm eine der wichtigsten Doomgruppen unseres Landes den Schwanengesang. Und Naevus zeigten ihren Vorgängern wo der True-Doom-Hammer hängt! Frontmann Groebel hatte die Menge mit seinem Zauberstimmchen zwischen Phantasie und Wirklichkeit vom ersten Moment an fest in seinen Fängen. Dazu fackelte mit Oli Grosshans, Sven Heimerdinger und Matze Straub die Originalbesetzung von 1991 ihr dunkel glimmendes Instrumentenfeuerwerk in den Raum. Obendrein erzeugte die räumliche Enge einen hautnahen Kontakt mit den Helden. Und wenn auch noch neue Funkenflüge wie „Dancing in the Summer Rain“, oder immergrüne Schwelgereien wie „Gallery of Fantasy“ gleich im Prolog erklingen, konnte für jeden Nostalgiker nur bedingungslose Abdoompflicht gelten. Bei Naevus rieselte der Doomzucker nur so vom Himmel, und nach der triumphalen Rückkehr mit 'Heavy Burden' und ihren Vorstellungen der letzten Zeit doomten Naevus auch in echt wieder übersinnlich. Gegenüber „Doom in Bloom“ vor zwei Monaten hatten die Württemberger ihr Programm sogar noch um zwei Titel aus Voodooshock-Zeiten auf stolze 13 erweitert. Doch auch für Naevus lief nicht alles optimal. So klagte der Frontmann hinterher über die klanglichen Verwerfungen im Kunstverein.
 
Die Umbauten wurden von Liedern erfüllt, die sich seine Besucher im Vorfeld im Netz wünschen durften. Für die Zusammenstellung der Abspielliste war DJ Sebastian (Doom Over Nuernberg) verantwortlich. Goddess of Doom Peanut und ich verließen halb zwei den Z-Bau. Aber wir waren diesmal nicht die Letzten...
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
NIKANDER
(20.08-20.40)
1. Rozpálené Suky
2. Ve Stínu Val
3. Steel Willows
4. Set a Distant Lie
5. The Rain of Needless
6. Farewell
7. Tuna Tuny Bláta
8. Když Podmínka Odcházení Ztráci Se v Mlze Na Kterou Zapomíná Se
 
THE TOWER
(21.26-22.06 / Titel ohne Gewähr)
1. Messiah
2. Blood of the Romans
3. Mausoleum
4. Ageless Slumber
 
CROWSKIN
(22.36-23.12)
unbekannt
 
NAEVUS
(23.40-0.40)
1. Dancing in the Summer Rain
2. Heavy Burden
3. Black Sun
4. Gallery of Fantasy
5. Naked
6. The 3rd Sun
7. Whistling Tree
8. Future Footprints
9. Sky Diver
10. Cloudless Sunstreams
11. The Art to Love
12. Timeless Illusion
13. The Dwarves Revenge
Nachwort
 
Sonntag, 11. Dezember
 
Die Nächte in Nürnberg waren erschöpfend. Als P. und ich halb elf am Vormittag wach wurden, waren die Hotelkorridore verwaist. Auch Naevus, die sich das Quartier mit uns geteilt hatten, waren schon ausgeflogen. Die Zeit war wieder mal weg wie der Wind; die Zeit bleibt leider nicht stehen. Diesmal schien manches im Umbruch. Auch die alten Gedanken und Gefühle und die Vergangenheit lassen sich nicht immer wiederholen. Denkanstöße für die Organisation im Hinblick auf die verpflichteten Gruppen hatte ich bereits im Vorfeld geliefert. Vielleicht sollte man den Weg weg vom undoomigen Geist zurück zur Basis gehen, Gruppen nach Nürnberg holen, die auch im Herzen „low frequency“ sind. Wir wünschen auf jeden Fall viel Weisheit für 2017. Eine Zukunft ohne LFA möchten wir uns überhaupt nicht vorstellen.
 
 
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Doom, Fascination und Gewalt: ((((((Heiliger Vitus)))))), 14. Dezember 2010