HAMMER OF DOOM XVI
 
SORCERER, MARTIN TURNER´S WISHBONE ASH, ISOLE, DARKEST ERA, OPHIS
D-Würzburg, Posthalle - 17. November 2023
Prolog
 
Würzburg im Ausnahmenzustand. Die Langhaarigen und Ewiggestrigen waren los. Und Goddess of Doom Peanut und ich waren wieder dabei - und hatten dafür die Dutch Doom Days in Rotterdam sausen lassen. Im Grunde war es wohl nur der Initiative meines Mädels zu verdanken, daß wir zum neunten Mal nacheinander überhaupt zum Hammer Of Doom gefahren sind. Die diesjährige Ausgabe zeichnete sich über weite Strecken nicht gerade durch Neuentdeckungen aus, die Gruppen waren bekannt, die Handlung folgte dem üblichen Muster. Wobei wir uns schon beim Blick auf die Eintrittskarten wunderten: Wird diesjahr überhaupt gedoomt? Denn erstmals prangte neben dem Festivalbanner kein einziges Gruppenemblem von den Hardtickets. Und: Sollte die „Poha“. Kirche des deutschen Doom, im Juli nicht gesprengt werden? Eine Bombe ging ganz am Ende hoch...
 
Freitag, 17. November (1. Tag)
 
Glück hatten wir in der Anreise und der Unterbringung. Am Donnerstag hatte die Bahn einen Warnstreik durchgezogen, dessen Auswirkungen noch am Freitag zu spüren waren. Langfristig im Voraus ausgebucht waren wie stets am Festivalwochenende auch sämtliche erschwingliche Hotelbetten. Die vom letzten Jahr im „Siegel“ existierten garnicht mehr. Also checkten wir notgedrungen im „Vier Jahreszeiten“ ein - in Würzburg, nicht Hamburg... Die räumlichen Anordnungen in der Posthalle hatten sich gegenüber letztem Jahr erneut geändert. Die DJ-Fläche für die Aftershow-Party war abgeschafft. An dessen Stelle stand der Metal-Markt, gefolgt vom Sitzabteil und dem Konzertraum. Weiterhin im Sinkflug befand sich die Besucherzahl. Am Freitag rückten etwa fünf- und am Sonnabend siebenhundert an. Kaputte Gestalten erblickte man diesmal kaum. Vielmehr waren es entweder reife Herrschaften, die sich ein Wochenende lang in Bandzipper oder Metalkutte „forever young“ fühlten (manche echt, manche wie Clowns anmutend). Oder notorische Festivalpilger aus dem Ausland. Aber welcher Student kann sich auch ein um dreißig Euro verteuertes Wochenend-Ticket für 104 Euro leisten?
Des einen Leid ist des anderen Freud´. Oder wie Phil es formulierte: „Hallo Hammer Of Doom! Wir sind OPHIS aus Hamburg. Leider ist bei Goat Explosion eine Ziege zu viel explodiert. Deswegen sind wir jetzt hier. Seid ihr hierzu bereit?“ Oh ja, das waren wir! Respektive die anfangs nur dreihundert Gäste, die statt des ausfallenden Doom Metal aus Leipzig Funeral Doom Death aus Hamburg erleben durften! Mit ihrer inzwischen stabilen Besetzung bestehend aus Phil Kruppa, Flo Lange, Olly Kröplin und Ole Fink lieferten Ophis vom ersten Ton an eine gewohnt professionelle Schau. Absoluter Mittelpunkt war natürlich Frontmann Kruppa, der nicht nur morbide Ansagen draufhatte, sondern die hohe Kanzel auch mit seiner schieren Präsenz beherrschte. So setzte es nach dem Malmer „Carne Noir“ und dem ultraslowen, mit deathigem Chaos besiegelten „Ressurectum“ ein „Hammer Of Blast Doom, wir machen gleich weiter! Denn die Zeit hält nicht an, die Zeit tickt unbarmherzig weiter!“ Mit „The Perennial Wound“, dem einzigen Stück vom letzten Album (alle natürlich mit Überlänge!), waren Deutschlands führende Doomer leider schon über die Hälfte ihres Weges hinaus, bevor mit „Earth Expired“ eine Altigkeit aus dem Jahr 2010 (doch relevanter denn je!) den Auftritt beschloß. „Hammer Of Doom, es war uns eine Ehre! Viel Spaß mit den anderen Bands. Bis zum nächstenmal!“, lauteten Phils letzte Worte. Aber da wußte er noch nichts vom Lauf der Dinge, die sich am Sonntag offenbaren sollten. Ophis waren stark, kamen aber nicht ans unwirkliche Doom Shall Rise 2013 ran.
Wie bei jeder Gruppe wurde nun das auf einen Drumriser drapierte Schlagzeug von DARKEST ERA auf die Bühne gerollt. Es wog die Hälfte dessen von Ophis - was sich prompt auf den Klang auswirkte. Und wie fast jede Gruppe waren Darkest Era in etwas einfallsloses schlichtes Schwarz gekleidet. Doch auch die Nordiren gaben sich selbstbewußt. Hatten sie doch in Person ihres Sängers Krum ein wahres Schwergewicht in ihren Reihen. Die fünf starteten vehement, wurden aber bald langweilig. Darkest Era spielten mittelschnellen Celtic Metal, dem etwas die Tiefe fehlte, oder wohlwollend gesagt: der frostig kalt klang. Und irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, daß die Gruppe neu zusammengestellt war. Am Ende ihrer Darbietung stand eine Halbballade namens „Tithonus“. Zur Verwunderungen beendeten die Briten sie mit einem akzentfreien „Thank you! We were Darkest Era! Gute Nacht!“
Der Auftkat der am Bottnischen Meerbusen beheimaten ISOLE brauchte ein bißchen, um in Schwung zu kommen, bot aber eine gute Gelegenheit, sich mit den Akteuren vertraut zu machen. Neben den langhaarigen Sechssaitern und Gruppenköpfen Daniel Bryntse und Crister Olsson, die wir beide vom Doom Shall Rise 2005 kannten, waren Bass und Schlagzeug mit Jimmy Mattsson und Victor Parry neu besetzt. Allerdings waren beide inzwischen auch schon zehn Jahre Teil der Gruppe und kannten sich aus gemeinsamen Jahren bei Ereb Altor. Isole harmonierten in Perfektion - nicht zuletzt durch die jüngste, ausgedehnte Tour zusammen mit Ophis, mit denen sie heute kurzfristig wiedervereint waren. Nach den etwas fahlen „By Blood“ und „Beyond the Horizon“ folgte mit „The Songs of the Whales“ der treibende Eröffner des brandneuen Langeisens 'Anesidora' - und eine halbe Stunde melancholischer Epic Doom Metal Made in Sweden vom Feinsten. Natürlich wurden Isole ihrem Ruf als angenehme Zeitgenossen, denen zwischendurch vor Rührung sogar die Worte fehlen, gerecht. Das extrem eindringlich zelebrierte „The Lake“ blieb als eines der besten Lieder des Festivals überhaupt im Gedächtnis. Zum Abschied kredenzten die bärtigen Langhaarigen aus dem Nordland ein sehr altes Lied von 1994, entstanden noch unter dem Gruppennamen Forlorn: „Moonstone“.
„Mister Turner kommt auch schon aus der Richtung Altersheim. Ich lach mich immer tot, wenn ich so sehe, wer mal wieder auf der Bühne steht. Wishbone Ash ist minimum fünfzig Jahre her... Weiterer Kommentar erübrigt sich.“ Unser Frankfurter Freund Jochen, Besucher des Love-and-Peace-Festivals mit Jimi Hendrix 1970 auf Fehmarn, und seither Rockfan auf Lebenszeit, hatte uns gewarnt. Und dann stand sie über uns, die schlohweiße Legende in Sakko, bunter Pluderhose und karierten Turnschuhen: der Gründer, Bassist und Sänger der 1969 formierten Wishbone Ash - um alte Lieder von Wishbone Ash zu spielen. MARTIN TURNER´S WISHBONE ASH entpuppte sich als eine leicht bekömmliche und entspannende Geschichte. Turners helle, frische und leicht samtige Stimme überzeugte mit wärmenden Honignoten, die von filigranen Gitarren und einem riesigen goldenen Schlagzeug abgelöst wurden. Die Stimmung im Saal kippte und die Fläche unter der Bühne leerte sich dramatisch. Sowas hatte Martin Turner nicht verdient. Aber als einer der letzten Hippies auf Erden war der Engländer beim Hammer Of Doom am falschen Ort. Nach meiner Wahrnehmung widmete er final eines dem Russen Tschaikowsky, und ließ auf jeden Fall die mythenumwobenen „Seventies, Sex & Drugs & Rock & Roll: We call it 'Doctor'.“ aufleben. Die Menge gierte unterdes nach dem neuen Stolz aus Schweden...
Nach den Engländern übernahmen mit leichter Verspätung Punkt elf wieder die Wikinger das Ruder. Anders Engberg, Kristian Niemann, Peter Hallgren, Justin Biggs und Stefan Norgren hatten wir bereits bei der abendlichen Autogrammsitzung als Supersympathen kennengelernt. Vier Stunden später standen die „Zauberer“ aus dem Nordland auf dem Geviert: alle mit langem Haar und Bart - bis auf den Sänger, den wiederum ein Ledermantel umhüllte. Wie ihre Landsmänner brauchten auch SORCERER eine gewissen Anlauf, um sich warmzuboxen. Doch ab dem vierten Lied waren sie drin. Vokalist Engberg hatten seinen Mantel abgelegt, stellte Sechssaiter Hallgren als „We have a young guy here. He is from 1984, I think. It´s a good year!“ vor, und ließ Stoff aus ebenjender Zeit vom Stapel. Was folgte war eine beeindruckende Machtdemonstration in Sachen Epic Metal mit doomigem Einschlag. Sorcerer feierten heute ihren vierten Auftritt beim Hammer Of Doom - es war ihr bester! Wenn mich nicht alle Sinne täuschen, tönte vor der Pseudozugabe aus irgendeinem Winkel Bon Jovis „Livin´on a Prayer“. Sorcerer hätten gut in die glorreichen Achtziger gepaßt. Eine halbe Stunde nach Mitternacht setzte die Düsterhymne „The Sorcerer“ den Schlußpunkt unter einen geistig und körperlich äußerst anstrengenden Tag.
 
Die traditionelle AFTER SHOW PARTY entfiel. Auch Freunde oder Bekannte trafen wir heute nicht. Einzig Tom und Andrea aus Göppingen waren am Freitag vor Ort. Stattdessen bediente ich mit meinem Mädel am roten Kühlschrank im Hotel. Wir tranken kostenlos Frankenwein und fielen gegen drei ins Bett.
 
 
Heiliger Vitus, 22. November 2023
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
OPHIS
(18.00-18.45)
1. Carne Noir
2. Resurrectum
3. The Perennial Wound
4. Earth Expired
 
DARKEST ERA
(19.05-19.50)
1. One Thousand Years of Night
2. Sorrow's Boundless Realm
3. Floodlands
4. The Collapse
5. A Path Made of Roots
6. Tithonus
 
ISOLE
(20.10-20.55)
1. By Blood
2. Beyond the Horizon
3. The Songs of the Whales
4. Beyond the Black
5. Dead to Me (The Destroyer Part I)
6. The Lake
7. Moonstone
 
MARTIN TURNER´S WISHBONE ASH
(21.15-22.30 / Titel alle von Wishbone Ash)
1. The King Will Come
2. Warrior
3. Throw Down the Sword
4. Rock 'n Roll Widow
5. Ballad of the Beacon
6. Baby What You Want Me to Do [Jimmy Reed]
7. Lady Jay
8. Phoenix
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9. Lady Whiskey
10. The Pilgrim
11. F.U.B.B.
12. You See Red
13. Blind Eye
14. Living Proof
15. Blowin' Free
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16. Doctor
17. Jail Bait
 
SORCERER
(22.50-0.20)
1. Morning Star
2. Sirens
3. Unveiling Blasphemy
4. Abandoned by the Gods
5. Curse of Medusa
6. Crimson Cross
7. Reign of the Reaper
8. Queen in Black
9. The Dark Tower of the Sorcerer
10. Ship of Doom
11. The Hammer of Witches
12. Lamenting of the Innocent
13. The Sorcerer
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Heiliger Vitus, 20. November 2019