GET WASTED AND BE DOOMED VOL. II
 
ANGEL OF DAMNATION, DEATH THE LEVELLER, OLD NIGHT, GÉVAUDAN, BOTTOMLESS, SOUL INVICTUS
D-Leonberg, Beat Baracke - 15. November 2025
Es ist wirklich wieder geschehen: Anfang des Jahres, nur einen Monat nach dem ersten Get Wasted And Be Doomed, hatten Hanga & Martin von Journey´s End Records verkündet, daß schon eine zweite Edition auf dem Weg sei, und erneut nichts als Doom Metal und gute Gefühle zu erwarten seien! Nachdem mit Gévaudan (England), Death the Leveller (Irland), Old Night (Kroatien) und Bottomless (Italien) vier Gruppen feststanden, und im September Deutschlands Angel of Damnation und Soul Invictus folgten, begann Ende Juni der Vorverkauf. Für schmale 25 Taler gab es limitierte, stilvolle Hartkarten. Spenden waren willkommen und wurden vom doomigen Untergrund sehr geschätzt. Wobei der Berichterstatter diesmal zu seinem Glück gezwungen werden musste. Zuerst wollte ich gar nicht ins Ländle fahren, tat mich dem Programm etwas schwer, und sah mich mit schweren Entscheidungen konfrontiert. Dazu kamen all die Sorgen in unserm Land. Viel zu viele davon. Der liebe Gott hatte diesen Ort sowieso schon vor ewigen Zeiten verlassen. Aber dank ihm hat mich meine Adjutantin Goddess of Doom Peanut dann doch überzeugt. Rechtzeitig hatten wir auch noch ein Hotel gefunden - bekamen ein frisches Gemach, in dem wir tanzen konnten, und vor dem der Hahn laut Kikeriki krähte! Unsere Anreise führte von Frankfurt über das pfälzische Speyer, wo sich in einem kreativen Industriehof eine lange Unterhaltung im „Veloloid“ entwickelte. Es ging um ikonische Rennräder aus den 70ern und 80ern, und damit den Versuch einer Rückkehr zu den eigenen Wurzeln. Kurioserweise war Philipps Freund Dominik Besucher in Leonberg... Dort vorm Hotel trafen wir auf zwei Doomheads aus Karlsruhe, die ihr Glück im schweizerischen Wallis fanden. Ferner nächtigten Gévaudan mit uns. Ende der fünften Stunde hatten wir den Katzensprung zum Schauplatz im Glemstal gemacht. Und hier schien alles wie vor einem Jahr. Das Stammpublikum von Mirror of Deception, Naevus und Mountain Throne war vor Ort, unser schwäbischer Bekannter Holger, der niederländische Vitus Frank, und erstmals der Laupheimer Komplize Kishde. Den halben Liter Flüssigmanna gab es für erschwingliche 3,50 Euro, vis-à-vis am Merch türmten sich Shirts und Platten, Gräfin Bathorlord verschenkte die auf 666 limitierte Schallrille 'Skeleton Veiled In Flesh' ihres Black-Doom-Projekts DoomThrone von anno 2003, und 16 Uhr 45 versank die Hundertschaft in achteinhalb Stunden Doom Metal pur........
Das zuletzt rekrutierte Kommando durfte den Reigen eröffnen. Unser Kishde fühlte sich an die 2010 beim Doom Shall Rise aufgetretenen Australier Rituals of the Oak erinnert. Die tief im traditionellen Doom verwurzelten SOUL INVICTUS aus Ludwigsburg brachten eine dunkle, weibliche Sehnsuchtsstimme, langsame, schwere Doomtrossen und Bässe, gepiekt von einigen okkulten Orgelklängen aus dem Off, aufs Geviert. Alles wirkte sehr düster und geheimnisvoll, strotzte vor Tiefe und Lebendigkeit. Gegründet wurden Soul Invictus vor neun Jahren von der barocken Sängerin Ashima und ihrem „Partner in crime“, dem Sechssaiter Micha. Nach wechselnden Mitgliedern stellten heute Rhythmusgitarrist Heiko, Bassist Matze sowie Trommler Markus bei dessem ersten Mal die Eskorte. Der Beste von sieben puren Doomern kam zum Schluß, in dem sich die Württemberger tugendhaft durch „Virtuos Suffering“ litten. Damit war auch klar, daß dies eine weitere unvergessliche Nacht wird!
Schwarzmagischer Okkult, purpurne Psychedelic, gedrosselter Heavy Metal, stolze Schönheit und ewigliche Geschichte: Wer konnte das sein? BOTTOMLESS entstanden im Schatten des Ätna im bodenlosen Palermo, kamen heute aus Treviso in Venezien und Bologna in der Emilia-Romagna, und zelebrierten gespenstischen, dunklen Doom Rock im Stile uralter Pentagram und Death SS. Im ersten Sturm standen dabei Sechssaiter und Vokalist Giorgio Trombino (mit hölzernem Passionskreuz auf der Brust), und die mit Löwenmähne, zerwichsten Jeans und einer Kette mit den Majuskeln DOOM gezierte Bassistin Laura Nardelli. Befeuert wurde das Duo vom Trommler David Lucido, der wiederum einen bizarren Sidecut trug und sich trotz Sprachbarriere keiner Worte mit den Anhängern schämte. Die Italiener fesselten mit den treibenden Liedern „Burning of the Vampire“ und „Let Them Burn“ gleich zu Beginn, und hatten nach einer voller Hall steckenden, etwas komplexeren Passage im Mittelteil dank ihrer südländischen Leidenschaft und Hingabe, und einer Seance-artigen Ausstrahlung final die Herzen auf ihrer Seite. Alles war mit Seele und Liebe gemacht, wie man es von Italia kennt. Niemand zog soviele Devoties in seinen Bann wie Bottomless!
Bei der Ankunft im Hotel hatte ich mich verirrt und war hinter einer offenen Tür statt in der Anmeldung auf einen Knilch mit Hut, dicken Augengläsern, zerzauster Mähne und eremitischem Bart gestoßen - irgendeine Gestalt zwischen Einsiedler und Rübezahl mit einem undefinierbarem Kauderwelch auf den Lippen. Jedenfalls schien er genauso erschrocken wie ich. Drei Stunden später stand dieser Typ auf der Bühne - um zu einer der Figuren der Nacht überhaupt zu erstrahlen! Derweil besagter Bruce Hamilton besessen seine rotblonde Mähne warf, galt für die Thorshammer-bestückte Gestalt im Zentrum: Angst, Verzweiflung und Todesnähe von und mit Adam Pirmohamed! Der Sänger und Keyboarder versteckte seine Qualen unter einer tief übers Antlitz gezogenen Kutte und schwarz lackierten Fingernägeln. Komplettiert wurden GÉVAUDAN durch die Herren Salt und Ames an Bass und Schlagzeug. Benannt waren die Briten nach der sogenannten „Bestie von Gévaudan“, einem Wolf, der zwischen 1764 und 1767 in der südfranzösischen Provinz Gévaudan hundert Menschen und tötete. Es gibt mystische Verfilmungen. Gévaudan waren als Erste verpflichtet worden, und hatten ihren ersten Auftritt auf dem Festland überhaupt. Sie verdrahteten brutale Doomriffs, Heavy-Metal-Soli und mit dunkler, qualvoller Stimme erzählten Schauder, und siedelten damit in einer ganz eigenen Welt zwischen Epic und Funeral Doom. Ein schlichtes „Thanks, we were Gévaudan“ besiegelte die Schau. Während Hamilton später mit Hut, Rucksack und Wallebart wie ein einsamer Nomade im Publikum erblickt wurde, verlustierte sich Pirmohamed nach seiner verstörenden Performanz etwas hochnäsig mit einem blutjungen Ding. Trotz rascher Entfremdung waren die Engländer für mich persönlich eines der faszinierendsten Rudel der bisherigen Festivalgeschichte - das schwärzeste sowieso!
Wie Englands Gévaudan durften auch die Kroaten OLD NIGHT erstmalig auf Kreuzzug durch Deutschland gehen. Old Night kamen als ein Quintett gefestigter Männer. Die drei Gitarristen trugen Haare bis zum Arsch, der Sänger und der Schlagzeuger Glatze. Alle waren uniform in schlichte schwarze Hemden und Hosen gekleidet. Alles wirkte durchgetaktet wie aus einem Guß bis hin zum synchronen Headbanging. Stilistisch lieferten Old Night klassischen, melodischen Doom Metal im mittleren Tempo wie er klassischer kaum sein konnte. Die Lieder wurden mitunter vierstimmig gesungen. Dabei durchwehte ein fahler, trostloser Unterton den vor einem riesigen Old Night-Vorhang stehenden Chor. Meine Adjutantin fühlte sich klanglich an Apostle of Solitude erinnert, während mir Schwedens Memory Garden in den Sinn kamen. Wie auch immer: Old Night waren nicht zwingend neu, strotzten eher vor Klischees, schienen aber eine kleine, treue Gefolgschaft zu haben. Nach einem äußerst elegischen Stündlein herzten sich am Andenkenstand mutmaßliche Landsmänner mit einem flammenden „Bruder!“ auf den Lippen.
Zur romantischen Auflockerung der harten Nacht traten die aus der Asche der Keltendoomer Mael Mórdha erwachten DEATH THE LEVELLER auf. Im Unterschied zu unserer Begegnung 2017 bei den tragischen Dutch Doom Days in Rotterdam, als der Vater des Trommlers starb (eine Drum-Maschine und viel Nebel ersetzten Shane Cahill), und Pascal Vervest von Faal von einer Straßenbahn tödlich überrollt wurde; und auch im Gegensatz zum Hammer of Doom 2022, als Death the Leveller mit einem alles wegpustenden Sturm glänzten, zeigten sich die Vier von gloomy Ireland heute eher von einer unspektakulären, feingeistigen Art. Trotz Lemmy-Konterfei auf dem Gitarrengurt würden böse Zungen ihren Stil als textlastige Poesie mit musikalischer Untermalung umschreiben und sie im Dunst von Alternative- und Postrock verorten. Sänger Denis Dowling wurde durch Gabriel Gaba (ebenfalls mit schwarzlackierten Nägeln) ersetzt. Damit änderte sich für die Hinterbliebenen Gerry Clince, Dave Murphy und Shane Cahill ALLES - genauso wie der „Tod alles gleichmacht, alle Menschen, ob Jung oder Alt, König, Monarch oder Kaiser“.
Zum Ende wurde es noch mal nostalgisch. Mit einstündiger Verspätung waren zur Geisterstunde ANGEL OF DAMNATION angerückt. Die Gruppe aus dem Grenzland zwischen Rhein und Neckar doomt amtlich seit 2004 - wurde in echt allerdings höchst selten und seit langer Zeit gar nicht mehr erblickt (wenngleich ihre Akteure über die Jahre Meriten bei Gruppen wie Dawn of Winter, Sacred Steel, Cross Vault und sogar den legendären Manilla Road sammelten). Das Get Wasted bot einen der raren Momente mit Angel of Damnation in natura. Die Akteure mit den Decknamen Doomcult Messiah, Avenger, Forcas und Neudi kredenzten ein von viel Gestik angetriebenes Fegefeuer traditionellem Doom Metals mit offenbar antireligiöser Gotteslästerei. Und wußten eine Schar textsicherer weiblicher Anbeter (auch mit südamerikanischem Teint) hinter sich. Reverend Bizarre und Saint Vitus dienten als doomige Vibes. Schwerstens! Sowohl den Gitarristen wie dem Sänger. Jener mußte absurderweise „Tee trinken, weil er noch Auto fahren mußte“, hat er gesagt. Während sich der kajalgeschminkte Trommler Neudi bescheiden im Hintergrund hielt. Dazwischen enterte Strippenzieher Martin das Geviert und offenbarte, daß es am 14. November 2026 zum GET WASTED AND BE DOOMED VOLUME DREI kommen wird. Es bleibt also spannend. Candlemass´ „Solitude“ hielt als Zugabe vor gelichteten Reihen her. Ein Uhr zehn war die schwarze Messe aus Deutsch-Südwest gelesen.
.:: ABSPIELLISTE ::.
 
SOUL INVICTUS
(16.45-17.37)
1. Long Night
2. Weak
3. Blind
4. Harmful Shelter
5. Hello
6. Thin Line
7. Virtuos Suffering
 
BOTTOMLESS
(18.07-19.00)
Intro
1. Burning of the Vampire
2. Let Them Burn
3. The Great Unknown
4. Stand in the Dimming Light
5. The Talking Mask
6. By the Sword of the Archangel
7. Centuries Asleep
8. Shadows Call
 
GÉVAUDAN
(19.32-20.31)
1. Umbra
2.-4. unbekannt
 
OLD NIGHT
(20.55-21.50)
1. Daughter of Summer Dawning
2. Homebound
3. The Last Child of Doom
4. Hearken and Remember
5. Entwined
6. Mother of All Sorrow
 
DEATH THE LEVELLER
(22.24-23.25)
1. The Hunt Eternal
2. Gone Forever
3. Boat Man
4. So They May Face the Rising Sun
5. The Crossing
6. How to Break Pernicious Spells
 
ANGEL OF DAMNATION
(23.55-1.09)
1. Eternal Life in Hell
2. Lost in a World of Despair
3. Into the Coven of the Damned
4. Dragged to the Torture Wheel
5. Warning from the Sky
6. Evangeline
7. Falling Down to Hell
8 Tear Off the Veil Off the Sun
9. Anal Worship of the Goatlord
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10. Solitude [Candlemass]
Unser schwäbischer Komplize Kishde wäre besser mit uns gegangen. Das hätte ihn vor einem Sturz mit verschraubtem rechten Ellbenbogen bewahrt. So erreichten Peanut und ich in einer heilenden milden Nachtbrise das Hotel mutterseelenallein. Nach uns zogen noch ein Mann mit großem Radio und eine Frau mit Hund durch die alten Straßen im dörflichen Stadtteil Eltingen. 3 Uhr 10 krähte der Hahn vor unserm Fenster ein letztes Mal. Halb vier knipsten wir das Licht aus.
 
 
((((((Heiliger Vitus)))))), 18. November 2025