GET WASTED AND BE DOOMED
 
THE LAMP OF THOTH, THE TEMPLE, THE LONE MADMAN, BLACK REVELATION, METALLUS, HIGH WARDEN
D-Leonberg, Beat Baracke - 7. Dezember 2024
Wie die Zeit vergeht... Abgesehen vom durchmischten Hammer Of Doom war es inzwischen zwei Jahre her, daß Goddess of Doom Peanut und ich in Form der Dutch Doom Days letztmals ein reinblütiges Doom-Ritual erleben durften. Den heutigen Hauptakt The Lamp of Thoth sahen wir vor fünfzehn (!) Jahren beim Doom Shall Rise. Erschreckend! Nun hatten die Strippenzieher vom Vaihinger Plattenlabel Journey's End und Hanga Paceñita in Leonberg vor den Toren Stuttgarts sechs klassische Doom-Metal-Gruppen zusammengerottet. Zum ordentlichen Line-up gesellte sich ein auffällig traditionelles Publikum. Als Schauplatz fungierte die „Beat Baracke“. Am Ende sollte das „Get Wasted“ ein unvergessliches Erlebnis sein, mit dem wohl jeder Anwesende etwas anfangen konnte. Im Unterschied dazu hatten Peanut und ich zermürbende Kämpfe zu durchstehen. Seit Monaten standen wir am Scheideweg in puncto Daheim - unserer mutmaßlichen Endstation. Dresden oder Frankfurt? Heimat oder Fremde? Völlerei auf engstem Raum oder selbstbestimmte Bescheidenheit? Heavyrockiger Osten oder doomiger Westen? Wir mußten uns entscheiden! Unausweichlich! Und kein Licht am Ende des Tunnels! „Ich möchte, daß du nicht mehr zweifelst“, hatte Peanut mich gebeten. Dazu zerriß sie die Trauer um ihren Vater und litt sie unter dem Trennungsschmerz von ihrer Mutter. Im Grunde hatten wir das Get Wasted schon geknickt. Bis ich die Eintrittskarten von der Post abholte - die Nummern 64 und 65 von zweihundert handwerklich hochwertigen Hardtickets. Selbst der Umschlag war von Hand mit magischen, esoterischen Symbolen bemalt. Und das für bescheidene zwanzig Euro pro Karte. „Eigentlich Pflicht!“, befand Peanut. Als Nachtlager diente das Plaza Inn in der Leonberger Innenstadt. Auch der Bassist der Finnen The Lone Madman weilte dort. Rechtzeitig zum Beginn trafen wir vor der im Grünen stehenden Doppelhalle „Beat Baracke“ ein. Links gelangte man zum Konzertraum mit einer Empore, rechts in eine Bar mit Ledergarnitur und dem Händlerstand. Hundert fanden sich ein, viele bekannte Gesichter. Vitus Frank aus den Niederlanden war angereist, Leute aus Österreich und vermeintlich Australien, Mitglieder von Mirror of Deception, Mountain Throne, Dawn of Winter und Mustum gaben sich den Zucker. Punkt 17 Uhr versanken alle in acht Stunden Doom Metal pur!
Das neue Festival begann im gedrosselten Tempo - und es endete im gedrosselten Tempo. HIGH WARDEN eröffneten den Reigen. Die unter den Kürzeln A.M., L.P. und S.H. agierenden „Hohen Wächter“ aus Münster lieferten sechs Schätze aus ihrem Demo 'Land Of Stone' von 2022 und dem brandneuen Albumdebüt 'Astral Iron' - Doom Metal in seiner ureigensten Form. Eine harte, klare Stimme traf auf heavy Trossen und malmende Trommeln. In der Regel begannen die Lieder im Schneckentempo und mündeten bisweilen in deathmetallische Riffgewitter. Weshalb der Frontmann nach einem Anti-Kater-Bier auch augenzwinkend „Geht alles viel zu schnell!“ befand. Angesichts der zu früher Stunde eher spärlichen Meute zeigte der Dreibund aus dem Westen starke Moral, wirkte authentisch echt bis auf die Knochen, und war total gut gespielt von der ersten bis zur letzten Sekunde. Speziell „Into the Valley of Death“ hallte noch sehr lange nach. Wenn High Warden der Vorgeschmack waren, sollte uns ein großes Ritual erwarten, bei dem sechs Kommandos um den Triumph kämpfen. High Warden waren nah dran, sehr nah!
Wenngleich das Gruppenemblem genauso undoomig wirkte wie das der Vorgänger, servierten METALLUS einen epischen Höllenritt, der dem von High Warden in Sachen Vehemenz vielleicht sogar noch einen draufsetzte. Das lag am rohen, urgewaltigen Stil, dem wechselnden, oft im Duo kredenzten Gesang, und am wörtlich genommenen Festivalnamen. „Get Wasted and Be Doomed!“ blieb auch das Leitmotiv der Doom-Barbaren aus Warschau bei ihrem ersten Auftritt in der Fremde überhaupt. Die vom lockenmähnigen Doom Lord und seinem bulligen Gegenstück Hell´s Mage gefrontete, sowie dem schnauzbärtigen War Drum aus dem Hintergrund angestachelte Troika aus Polska, war äußerst mitreißend und entpuppte sich mit ihren Liedern zwischen Krieg, Magie, Untergang, Tod, Mystik sowie dem Bösen als ziemlich einzigartiges, doomiges Manifest. Neben einer Hymne wie „Metallus“, dem Kniefall vor H.P.Lovecraft mit „Shadow Over Innsmouth“, und dem zeitlupenhaften Droner „Funeral of the Sun“ (welch ein Liedtitel!), stand final eine heroische Ode an Valhalla in Form von „Odin´s Call“.
Mit BLACK REVELATION hatten wir vor zwei Jahren in der winzigen Zille Göppingen intime Erfahrunngen gemacht. Im Winter ´23 hielt Reverend Bizarres „Cromwell“ als Ausklang her - heute als Aufwärmriff. Damals dominierte der Vokalist allzu sehr. Heute machten M, J, A und MS keine Fehler und regierten das neue favorisierte Doom-Festival in Süddeutschland als Gruppe. Wobei M die Vorstellung minutenlang versunken über den Mikroständer gebeugt begann - um einen labyrinthischen Auftakt mit Überlänge folgen zu lassen. Mit einer Dauer von vierundzwanzig Minuten war der übergangslos zelebrierte Doppelschlag „There is a Demon Inside of Me“ und „SiyahVahiy“ der eindringlichste und womöglich doomigste Moment der Nacht überhaupt. Damit stahlen die Lokalmatadoren ihren Gästen gleich zu Beginn die Schau. Wobei Ms riesiges, zwischen klarem, klagendem und unmenschlichen Klängen changierendes Stimmvolumen etwas über dem Niveau der Instrumente lag, und andererseits der lauteste Sound auch manches Trommelfell verwüstete. Mit dem suizidalen „Black Revelation“ trugen die Vaihinger im letzten Drittel pechschwarze Gedanken ins Licht. Ein noch Unveröffentlichtes mit der Härchen aufstellenden Zeile „Only death is real“ setzte nach einer Stunde Doom in Vollendung den Schlußpunkt. Es war also ein perfekter Tag für Journey´s End und Gefolgen, deren Reise erst begann.
Turkka Inkilä, Juuso Raunio, Veera Vallinkoski, Leevi Lönnrot. Die Namen lassen es erahnen: THE LONE MADMAN kamen aus - Finnland! Gewöhnlich sind Truppen aus dem Land der tausend Seen okkult, sicherlich etwas sperrig und manchmal schwer zu greifen. „Der einsame Verrückte“ war da kein Abweichler. So begrüßte Herr Inkilä die Gefolgschaft mit einem diabolischen Lächeln auf den Lippen und den Worten „Good evening, Fucks!“. Gefolgt von einer Aufzählung der anwesenden Nationen, und einem nochmaligen „All of you are Fucks!“ Das wirkte unorthodox, war aber nett und spannend. Klar, daß der ziegenbärtige Kahlkopf mit seinen hintergründigen Äußerungen und einer zugleich glockenreinen wie schaurigen Singstimme im Zentrum stand. Flankiert davon lavierten sich die Saitenmänner in einen wahren Rausch, rotierten ihre Blondschöpfe wie vom Teufel besessen, und feuerten neben doomiger Tiefe auch so manches raserische Blackmetalriff in die Nacht. Die Finnen zogen die bis dahin meisten Leute an, und hatten mit einem Lied über den Tod namens „Oh Death“, einem Esoterischen namens „The Downfall“ (bei dem der Sänger nicht wußte, worum es geht), sowie einem über die im Doom hochpräsenten Hexen mit Namen „Häxan“ auch ein paar zumindest Obskure im Programm. „Häxan“ wurde in Jethro-Tull-Manier von einem Flötensolo eingeleitet, und final wie das deutsche „Hexen“ bei einer ganz üblen Exorzion dreistimmig herausgeschrien. Bei The Lone Madman konnte man getrost von einem abgründigen Spiel mit manipulierten Wahrnehmungen reden!
In Gestalt der seit 2006 existierenden THE TEMPLE folgte die älteste noch aktive Gruppe der Nacht - und für Peanut und mich eine Wiederbegegnung mit den Helden des Hammer Of Doom 2017. Die Nonnen- und Mönchschöre vom Zweitwerk 'Of Solitude Triumphant' und das nachfolgende „The Foundations“ leiteten den Auftritt der Nordgriechen ein. Mit einem Mißgeschick an der Leitgitarre begann er etwas holprig und unruhig. Father Alex entschuldigte die Odyssee von Saloniki nach Germania. Und schon mit „The Blessing“ vom Überwerk 'Forevermourn' war alles gut, lag die Halle dem Doom von The Temple und dessen Mitgliedern Father Alex, Felipe, Stefanos und Paul zu Füßen. Alles wirkte philosophisch ernst, kathedralenhoch und authentisch. Während Father Alex den melancholischen Prediger äußerst nachvollziehbar verkörperte, bestach Sechssaiter Felipe wiederum mit hingebungsvoller Filligranarbeit. Flirrende Gitarren durchwehten den hypnotischen Grundton von The Temple, derweil Kerzen auf der Whiskeyflasche links und rechts der Bühne dem Rahmen eine feierliche Optik verliehen. Keinen Hehl machten die Hellenen von ihrer Achtung vor den Idolen. So widmeten sie „Premonotions of the Final Hour“ zwei Gruppen aus dem gelobten Paradies des Doom, den süddeutschen Mirror of Deception und Dawn of Winter (schade, daß „Mirror of Souls“ fehlte). Nach „Strength for a New Dawn“ ging die Gruppe mit der größten Strahlkraft mit „A White Flame for the Fear of the Death“ das Thema Tod ein weiteres Mal an. „Until Grief Reaps Us Apart“ vollendete es in grandioser Schönheit. Wer hier nicht hemmungslos headbangte war kein Doomer - oder schon tot! The Temple waren wie eine letzte Feier vor dem unausweichlichen Ende.
Auch THE LAMP OF THOTH hatten wir vor einer Ewigkeit erlebt. Heute wurden Frontmann The Overtly Melancholic Lord Strange und seine Trommlerin Lady Pentagram von niemand anders als Sealey von Iron Void am Bass unterstützt. Sealey hatte mir bei der abendlichen Ankuft vom langen Weg von Nottingham auf dem Wasserweg nach Rotterdam (elf Stunden), und von dort weitere sieben über die Autobahn nach Stuttgart berichtet. Daß er sich binnen drei Wochen zwanzig Lieder von der „Lampe“ erarbeitet habe; und nun was essen müsse. (Dabei blickte er wohl tief ins Hirsch-Weizenglas... unterdes ich jemand mit Jacke vom „Doom Shall Rise“ erblickte. Oh, mein Schatz - Lord Strange!) Nachdem am Bühnenrand eine Reihe schwarzer Kerzen entflammt war, starteten die in West Yorkshire Beheimateten eine halbe Stunde vor Mitternacht in ihre Schau. Mit heller Stimme erzählte der Offenkundig Melancholische Lord Strange obskure Geschichten seiner mittelenglischen Ahnen. Es begann schwarzhumorig, wurde im Verlauf trotz vom Publikum gereckter Laterne mit der Aufschrift „We Love The Lamp“ aber immer flotter, und hatte mit echtem Doom bald wenig zu tun. Bis der in Flammen stehende M von Black Revelation aufs Podium stürmte und „An Oath Sworn on the Ashlar Stone“ mitsang. (Ein Schelm, der denkt, hier hätte jemand seine Favoriten eingeladen, zwink, zwink.) Die Briten schauten etwas ungläubig, Sealey hatte sowieso viel Zaubertrank im Blut, und mit einer zierlichen Miss an minimalistischer Trommel war heute auch kein Tempel zu errichten. Wenngleich wir alle mit Blick auf Lamps Hintergrund ein paar Augen zudrücken mussten, hatten manche vor der Zugabe halb eins genug, waren dem englischen Trio infernale und dessen Folk und Rock gestreift von einem Hauch Doom überdrüssig, mußten auch Peanut und ich an die frische Luft......
.:: ABSPIELLISTE ::.
 
HIGH WARDEN
(17.00-17.40)
1. unbekannt
2. unbekannt
3. The Pale Hunter
4. Revelation at Henneth Annûn / Evil Descends
5. Into the Valley of Death
6. unbekannt
 
METALLUS
(18.10-18.55)
1. Devil's Demon
2. Metallus
3. Great Hall of the Battle Hammer Cult
4. Shadow Over Innsmouth
5. Funeral of the Sun
6. Quetzalcoatl
7. Odin's Call
 
BLACK REVELATION
(19.25-20.25)
1. There is a Demon Inside of Me
2. SiyahVahiy
3. The Fall of Decadence
4. Black Revelation
5. Neues
 
THE LONE MADMAN
(20.55-22.00)
1. Let the Night Come
2. Soul Stillborn
3. Oh Death
4. The Downfall
5. Häxan
 
THE TEMPLE
(22.10-23.13)
Intro (Me to lichno tou astrou)
1. The Foundations
2. The Blessing
3. Reborn in Virtue
4. Strenght for a New Dawn
5. Premonitions of The Final Hour
6. A White Flame for the Fear of Death
7. Until Grief Reaps Us Apart
 
THE LAMP OF THOTH
(23.33-X.XX)
1. The Lamp of Thoth
2. Wings of Doom
3. Agent Fire
4. You Will Obey
5. Sing Us You Slay
6. Emperor of Dreams
7. High on the Evil Eye
8. An Oath Sworn on the Ashlar Stone
9. Screamer
10. Hoods in the Woods
11. Zombies Lair
12. Frost and Fire
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13. I Love the Lamp
14. Blood on Satan's Claw
15. Me Man (Me Drink)
Wiederum große Gefühle entwickelten sich bei unserem Aufbruch. Draußen in der Eiseskälte saßen an einem langen Holztisch erschöpft und von Gott und der Welt verlassen Father Alex, Stefanos und Felipe. Besonders Felipe wirkte wie eine zerbrechliche Seele. Auf meinem Wunsch nach Autogrammen rief der Father Trommler Paul hinzu, derweil ich vom Händlerstand einen Filzer lieh. Die deutsch-hellenische Sprachbarriere unterband mehr. Doch es war nicht unser letztes Mal mit The Temple und Doom! Das GET WASTED AND BE DOOMED geht weiter! Begraben wir das Jahr in Leonberg!
 
 
((((((Heiliger Vitus)))))), 10. Dezember 2024