EREMIT, ECHO SOLAR VOID
D-Dresden, Chemiefabrik - 11. Juni 2023
Unser Entschluß zu diesem Doomkonzert fiel in buchstäblich allerletzter Sekunde. Ich selber war in gleißender Mittagssonne vor den Toren von Freiberg ein Radrennen gefahren und abends entsprechend grau. Dazu kam, daß wir Eremit vor einem halben Jahr bei den Dutch Doom Days in Rotterdam erlebt und nicht in bester Erinnerung hatten. Eremit sollten direkt nach Faal auftreten - deren Gitarrist Pascal Vervest jedoch in der Nacht zuvor unmittelbar vorm Klub „Baroeg“ von einer Straßenbahn getötet worden war. Statt innezuhalten, lagen an Eremits Stand politische Aufkleber rum... Doch Goddess of Doom Peanut hatte unterschwellig Lust auf den heutigen Abend in der „Chemo“. Bald ein Jahr hatten wir uns im Dresdner Lieblingsklub nicht blicken lassen. Nach langem Hin und Her rafften wir uns mit Beginn der achten Stunde auf. Der Einlaß war für 19 Uhr 30, der Beginn für 20 Uhr 15 angesetzt; der Stempel auf die Hand kostete 15 Euro. Geschätzte sechzig Leutchen verloren sich in der Halle im Schatten der Petrikirche. Im Barraum saßen die Bekannten Gabi und Jens ganz allein herum. „Kaum ist Doom, seid ihr da“, grinste Jens...
ECHO SOLAR VOID hatten zum Glück mit einer Viertelstunde Verzug um halb neun begonnen. Damit hatten wir überhaupt nichts verpaßt. Sechssaiter Martin Dozot, Viersaiter Alexandre Vrydagh und Schlagzeuger Laye Louhenapessy agierten nach dem alten Strickmuster des Stoner Doom mit dickem Nebel, subtilen Kapuzen, ekstatischen Bewegungen und manischen Zeitlupenriffs durchdrungen von verlorenen, heiseren Schreien aus dem Nichts (in diesem Fall vom Trommler). Der Dreibund aus Brüssel präsentierte sein Langeisen aus dem Jahre 2021, welches aus einem einzigen, achtundvierzigminütigen Lied besteht, welches „das Ergebnis von zwei Jahren voller Weltraum- und Heavy-Musik ist, die zu einer anstrengenden Reise durch viele Landschaften führte“. Dabei entfalteten Echo Solar Void ein düsteres, rauhes Szenario frei von jedem Schnickschnack, und trugen zudem eines der brüchigsten Gruppenlogos aller Zeiten zur Schau. Typisch belgisch eben, Und in diesem nebulösen Szenario gab es sowieso nur wenig Licht. Sowohl die Doom-Musik wie die unaufgeregte Darbietung überzeugten jedenfalls auf ganzer Linie.
Im Unterschied zum Auftritt im November in Rotterdam kamen EREMIT heute nicht zu zweit, sondern gleich als Quartett, und hatten neben Frontschrat Moritz Fabian und Trommler Marco Baecker mit Pascal Sommer einen zweiten Gitarristen sowie mit Hendrik Bredemann einen Trompeter an Bord. Stil und Machart ähnelten sich. Doch heute setzten die Sludge-Drone-Doomer aus Osnabrück mehr denn je auf die größenwahnsinnige Version. So steckte der Fronter gleich zu Beginn ein zwei Meter langes Schwert in eine Scheide zentral am Bühnenrand. Während man sich beim neuen Sechssaiter mit seinen überdick kajalumränderten Augen sehr an ein Mitglied von Kiss erinnert fühlte. Und der nur in der Anfangssequenz auftauchende Trompeter in einem unbequemen „Good Night White Pride“-Shirt steckte. Immerhin hielt sich die verschwommene Optik diesmal in Grenzen. Eremit machten mit einer neuen, postmetallischen Ausrichtung rund ums Drittwerk 'Wearer of Numerous Forms' erst nachdenklich, setzten auf Rhythmuswechsel, satten Rums und kritische Untertöne (für den, der sie verstand),.wurden in der zweiten Hälfte aber richtig doomig im Sinne der Vorbilder Sunn O))), und berührten letztlich doch auf eigene Art. Der finale Knall blieb allerdings aus. Und nur zwei Dutzend erlebten das Ende. Das lange Schwert steckte bis zum Schluß um 23 Uhr unberührt in der Scheide.
 
 

((((((Heiliger Vitus)))))), 13. Juni 2023