ACID KING, ACID ROW
D-Dresden, Chemiefabrik - 17. August 2023
Endlich wieder ein doomtaugliches Konzert in Dresden! Mit Acid King aus USA! Bei dem Ansturm in der „Chemo“ war ich nicht der Einzige mit dem Gedanken. Hundertfünfzig drängten sich heute in der sengendheißen Konzerthalle, in der die Belüftungsanlage den Geist aufgegeben hatte und es nach der Vorgruppe kein kaltes Bier mehr gab. Dazu hatte ich mal ganz ketzerisch gegrübelt, wieso man eine Gruppe mit fast dem gleichen Namen einlädt, die mutmaßlich die Musik doppelt und deren Mitglieder die Kinder des sechzigjährigen Originals sein könnten? Aber egal: Nach aufreibenden Wochen auf dem Rennrad war heute eine Auszeit gekommen. War eigens dafür sogar im Vorverkauf am Rundkino gewesen und hatte eine Karte für achtzehn Euro ergattert. Kurzfristig mit an Bord war dann auch mein Mädel, das nach einer schwierigen Mission in Hessen und stundenlanger Fahrt über die Autobahn erst in den Abendstunden wieder in Dresden eintraf. Heute wurde das Leben als Stonerparty zelebriert!
„Hello Dresden! We are ACID ROW from Prague! It´s good to be here again! We´ve come to destroy this evening!“ So lautete die schelmische Antwort auf jegliche Befürchtungen. Die Tschechen entfachten vom ersten Ton an ein Feuerwerk an Energie und Esprit. Während Alex Fonar mit funkelnden Augen, obsoleten Mörderkoteletten und klarem Timbre den glamourösen Frontmann gab, und der bis unters Dach tätowierte Radek Bacík überschäumend die Batterie malträtierte, war es insbesondere Sechssaiter Dominik Klesa, der mit irrem Dauergrinsen und ekstatischen Posierereien immer wieder tiefgründige Momente in den exaltierten, durchgebrannten Radau mischte. Die bedingungslose Hingabe verlieh diesem Auftritt eine Wucht, die noch lange nachhallen sollte. Rein stilistisch kombinierten die drei Verrückten aus unserem Nachbarland schweren Stoner Doom, lässigen Heavy- und ausschweifenden Psychedelic Rock mit einer kräftigen Prise Noise und Grunge. Wo sie allein schon optisch total überzeugten, muß auch ganz klar gesagt werden, daß Acid Row verdammt starken Stoff am Start hatten. Der doomig angehauchte Auftakt „Devil´s Dance Floor“ und der massive Überdoomer „The Emperor“ setzten die Schlaglichter der Nacht. Der Abschied vorm Ende ihres Sechzig-Minuten-Sets mit „Edge“ lautete: „The show is over, but the beer is not!“ Mit eigener Nähe zur Tschechei wurde es mir richtig warm ums Herz!
In Sachen Intensität und Körperlichkeit trennten die Tschechen und Amis Welten. Während ACID KINGs Tour-Bassist als reinkarnierter Phil Lynott regungslos die coole Socke mimte, und sich der eher unscheinbare Trommler immerhin einmal kurz vom Schemel erhob, stand die blonde Lori S., Königin des Stoner Doom, im Mittelpunkt der Nacht und bezirzte mit klarer, tiefer Stimme und ihrer scheuen Art - die sie heute mit einem in die Luft gereckten Teufelszeichen bizarr durchbrach. Ohne Zweifel lassen sich Acid King neben Sleep, Sons of Otis und Yob als eine der Gründungsgruppen des amerikanischen Stoner Doom bezeichnen. Vor drei Dekaden erschien ihr Demo, seit Jahren ist Lori nun auch hierzulande in natura zu erleben. Wie oft auch die Männer an ihrer Seite kamen und gingen, die betont weibliche Ausrichtung jedes Auftritts von Acid King wurde immer durch seine Fronterin Lori hervorgehoben, zu deren Kindsfräulichkeit viel Milde und Sanftmut gehören. Heute mischten sich sarkastische Ansagen darunter, wie „We are Acid King. Welcome to your show“ oder „The price is heiss!“ (als Lohn fürs finale Selbstbildnis mit Publikum). Das neue Album „Beyond Vision“ wurde zusammen mit Jason Landrian von Black Cobra geschrieben, mit dem sie vor acht Jahren durch die Welt zigeunerte. Pulsierende Industrialpassagen sollen neue Impulse im eher rauschhaften Kosmos der Kalifornier setzen. Doch der heutige Auftritt glich dem von uns 2015 in Frankfurt besuchten sehr. Die Klänge flossen ruhig und still wie das Wasser der Elbe dahin - alles so wie früher. Nebel hätte hier etwas Mystik bewirkt. So fehlte der Legende die Magie. Nach fünfundsiebzig schweißtreibenden Minuten besiegelten zwei Altigkeiten die Schau: Acid Kings allererstes Lied überhaupt: „Lead Paint“, dazu der Dauerbrenner „Free“. Als viele schon gegangen waren, kam Lori (eine Brezel mümmelnd) noch mal kurz raus. Während sie mir das einzige Autogramm gab, versagte sie es einem Fanboy mit Vinyl...
 
 

Heiliger Vitus, 20. August 2023
.:: ABSPIELLISTEN ::.
(ohne Gewähr)
 
ACID ROW
(20.40-21.40)
1. Devi´s Dance Floor
2. White, Rich and Beautiful
3. Hot Rod Super Soul
4. No Church on Sunday
5. Get Life
6. Sublime
7. Cut it Out
8. The Emperor
9. Black Blizzard
10. Edge
 
ACID KING
(22.10-23.25)
1. One Light Second Away
2. Mind's Eye
3. 90 Seconds
4. Coming Down from Outer Space
5. 2 Wheel Nation
6. Electric Machine
7. Drive Fast, Take Chances
8. Beyond Vision
9. Color Trails
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10. Lead Paint
11. Free