ENDSTILLE, LYFTHRASYR, DEADWOOD
D-Frankfurt am Main, Nachtleben - 12. Oktober 2008
[666] Nicht überall dürften Endstille gern gesehene Gäste sein. Verteufelt von den einen, von anderen jedoch verehrt. Der Promotusse Evelin war es gelungen, ihren kritisch beäugten Schützlingen aus Schleswig-Holstein einen Auftritt in Frankfurt zu ermöglichen. Zweihundert Black-Metal-Lunatics waren dem Zeichen gefolgt, und hatten sich durch den seit Tagen gespenstisch in der Stadt liegenden Herbstnebel zum Keller unter der Konstablerwache durchgeackert. Den Anziehsachen nach handelte es sich zu achtzig Prozent um Sympathisanten von Endstille. Der Rest hatte sich Kleidung von Burzum und Bathory übergeworfen. Viele trugen lange Haare, manche schwarze Farbe im Gesicht, und sehr viele auch Eisen zuhauf am Leib.
Die mit weißen Gesichtern und schwarz umrandeten Augen aufmarschierten Grom, Irrlicht, Moorseele und Anti-Chris(t), kurz DEADWOOD aus dem Odinwald, machten Schlag 21 Uhr den Anfang - und verblüfften sehr. Mit brutalen Tieffrequenzen, abgründigem Poltern und unheilvoll herausgeröchelter Blutlust (zumeist in Germanisch), sprich mit Black Metal im ursprünglichsten Sinne des Wortes (dazu von bester Qualität), hatte das Vorauskommando die schwarzen Seelen im Sturm genommen! Und es tat sich Außergewöhnliches unter der Erde von Frankfurt! Kurz nach neun erfüllte eine Ode an die ferne Heimat die Luft. Ein Donnerschlag! „Dresden“! Moorseele, der Recke am Bass mit Sachsenblut in den Adern, weihte unserer Heimatstadt ein Mahnmal aus raserischem Schwarzmetall. „Dresden“ erinnert dem englisch-amerikanischen Bombenterror vom Februar 1945 in dessen Folge die wehrlose Schöne vier Tage und Nächte lang lichterloh brannte und zu Ruinen verglühte. Das wird nie verziehen! Auf die Schmerzen in der Seele ließ der schnelle Headbanger „Leid und Krieg“ die Schädel rollen, ehe „Death in Eternity“ die rohen Burzum zum Leben weckte. Mit zweiundzwanzig Minuten waren Deadwood kurz unterwegs, aber was sie boten - Lieder voller Zorn, Untergang und Finsternis - war äußerst eindringlich! Frontkrieger Grom sollte meinem Mädel später noch aus Versehen das Getränk umkippen - und sich ein Kreuz schlagend dafür entschuldigen.
Nun enterten LYFTHRASYR den Podest. Die gleichsam enigmatischen wie subtilen Nummern „Sections of Fascinating Cruelty“ und „Beyond the Frontiers of Mortality“ zeigten die Richtung an: Ab 20.50 Uhr herrschten sehr schnelle und mechanisch harte Takte von der Art eines Maschinengewehrs, die oft im Bund mit dem Todesambiente einer Orgel standen. Wobei die Herren aus Karlsruhe ausgerechnet heute auf ihren Live-Organisten Vethys verzichten mußten. Der orchestrale Moment kam somit vom Tonband - und nahm dem verbliebenen Dreikant etwas von seiner Ausstrahlung. Aggreash, Insorior und Skytorian lieferten zeitgeistigen Black Metal mit den alten Inhalten Haß, Tod und Verderben, wirkten dabei aber etwas frostig, glatt und ein wenig selbstinszeniert. Man muß kein Modefascho sein, aber Lack-und-Leder-Bondage ist einfach tuntig! Zumindest in meinen Augen war das so. Peanut hingegen schätzte das anders ein. Und de facto hatte sich zumindest Leitwolf Aggreash als Wirbelwind total verausgabt. Lyfthrasyr waren Inferno, Inferno und nochmals Inferno... Und doch haben es viele vorgezogen, draußen im Oktobernebel eine zu quarzen, als dem rabenschwarzen Ragnaröck von Lyfthrasyr zu huldigen. Im Grunde hat alles nur auf Endstille gewartet......
„Flieger, grüß´ mir die Sonne“, „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“, „Der Wind und das Meer“: Nachdem Töne aus dem Grammophon die Zeit gekillt hatten, und sich der Gitarrist mit Wollmütze, Patronengurt und Grimassenschneiden in einer Art absurdem Humors im Gewitter der Blitzlichter warmposiert hatte, war die schicksalshafte Stunde gekommen - - - Ab 22.52 Uhr wurde jetzt gnadenlos zurückgeschossen. Der schwarzmetallische Zerstörer ENDSTILLE war in Stellung gegangen. Mit Iblis, Wachtfels, Cruor und Mayhemic Destructor. Vier Männern, jeder ein absolutes Unikum voller Charisma und jeder ein Held an seiner Ausrüstung. Was folgte, war zumeist lichtschneller, manchmal auch schroffer, rostiger Stoff. Genau so, wie man ihn liebt: mit Gift, Verderben und Anrufung der dunklen Macht am Anschlag. Und mit Terror auch für die Augen. Mit aschgrau getarnten Gesichtern, mit langen Haaren und Bärten und grimmig gebleckten Zähnen, mit schwerem Stahl auf den schweißnassen Leibern und Kampfschuhwerk unterm Fuß. Die traditionellen Eröffner „Dominanz“ und „Hate“ waren schon stark gewesen, ebenso wie „Bless“ - bis der Malmer „Ripping Angelflesh“ kam, und auch dem letzten Endstille-Verweigerer die Augen öffnete. „R.A.F“ kam weit vorn, ganz steil und sollte auch der Beste unter 14 absoluten Überhämmern bleiben. Darunter keinen Geringeren als den alten Todeskapseln „Frühlingserwachen“ und „Vorwärts!“, und dem von Kamerad Wachtfels mit irrem Grinsen eingeleiteten und in einem unmenschlichen Sturm der Trommeln und Gitarren krepierenden „Biblistburner“. Endstille hatten sich heute in einen wahren Endrausch gespielt, und alles, aber wirklich alles, zu Dreck und Staub zerlegt. Dieser Auftritt der Rotte aus dem Norden war das Faszinierendste, was in fünfzehn Jahren Nachtleben durch dessen Wände fegte. Soweit lege ich mich fest! Und der heutige Frankfurt-Feldzug der Endstille gehört fortan zu meinen dreißig geilsten Mördergigs aller Zeiten. Nach dem vehement verlangten „Navigator“ und dem final nackenbrechenden „Hetzer“ legten Endstille ihre Waffen nieder. Aber die 74 legendären Minuten für die Ewigkeit schwelen im Kopf weiter. „The German radio has just announced that Hitler is dead!
 
 

Heiliger Vitus, 16. Oktober 2008
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
DEADWOOD
1. The Hellish Gate
2. Dresden
3. Verlorenes Leben
4. Leid und Krieg
5. Wolves
6. Death in Eternity
 
LYFTHRASYR
1. Sections of Fascinating Cruelty
2. Beyond the Frontiers of Mortality
3. Servants in Silent Devotion
4. Venture and Value
5. Forgotten Hope for the Relinquished
6. Rage Towards Apathy
7. Bloodlust
 
ENDSTILLE
1. Dominanz
2. The One I Hate
3. I Bless You... God
4. Ripping Angelflesh
5. Worldabscess
6. Frühlingserwachen
7. No Heaven Over Germany
8. Vorwärts! (Sturmangriff II)
9. Endstilles Reich
10. Bilblist Burner
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11. Among Our Glorious Existence
12. Bastard
13. Navigator
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14. Der Hetzer (Batterie 4)