DUTCH DOOM DAYS XV
 
PHLEBOTOMIZED, EYE OF SOLITUDE, FAAL
NL-Rotterdam, Baroeg - 28. Oktober 2016
Prolog
 
Über die Jahre sind die „Dutch Doom Days“ zu Gräfin Peanuts und meinem Lieblingsfest geworden. Wenn ich so etwas sage, ist es nicht gelogen. Denn im Unterschied zu den entweder vermassten „Big Deals“ auf Partywiesen und in seelenlosen Mehrzweckhallen, oder den in loser Regelmäßigkeit steigenden Familientreffen irgendwo in der Provinz, war Rotterdam jedes Jahr die reinste Wundertüte. Es war immer wieder erstaunlich, wie tief das Fest in den Underground eintaucht. Die Doomtage von Rotterdam wirkten auch deshalb so echt, weil sie ganz oft frische, unverbrauchte Gruppen mit Legenden zusammenführten, und kaum ein Besucher oder Akteur dem anderen jemals zuvor begegnet ist. So ergaben sich immer neue prickelnde Erlebnisse... Ausgerechnet beim kleinen Jubiläum zur 15. Ausgabe drohten nun auch die Doomtage im Tiefland mit um die hundert Leuten zu einem in sich geschlossenen Milieu zu verkommen, das nur Musiker und deren Vertraute kennt... Andererseits konnte der Fan für gerade mal 40 Euro an drei Abenden insgesamt 17 Gruppen erleben! Und zwar im jüngst zum besten Rockklub Rotterdams gewählten „Baroeg“, welcher mit 35 Jahren ebenfalls ein kleines Jubiläum feierte.
 
Freitag, 28. Oktober (1. Tag)
 
Vertraut gemacht hatten sich Frau Peanut und ich zuvor schon mit dem Rotterdammer Ortsverkehr. Nachdem uns weite Wege, Baustellen oder die Fahrpläne der Öffentlichen in den Vorjahren immer zu teuren Taxifahrten zwangen, erreichten wir den Austragungsort im Süden der Stadt diesmal gemütlich mit der Tram 25 zum Preis von drei Euro pro Person und Fahrt. Im „Baroeg“ selbst war alles beim Alten. Links neben der Bar hatte die Firma Grau aus Stuttgart ihren Plattenstand mit den Festivalshirts (auf dem Rücken: alle 154 Gruppen seit 2002); und auch Strippenzieher Pim verwöhnte uns einmal mehr mit einem in gebrochenem Deutsch zelebrierten „Schön, euch bei uns zu haben!“
Beim Vortrupp FAAL wuchs die Besucherzahl von anfangs einem Dutzend auf etwa sechzig an. Und: Bei Faal war nichts mehr wie 2012, als die Gruppe von Brabant letztmals bei den Doomtagen auftrat. Von den Gründungsmitgliedern war nur noch Leitgitarrist Vervest dabei, dazu kam der langjährige und inzwischen sehr bullig gewordene Vokalist Nijhof. Am zweiten Sechssaiter, Bass, Orgel und Trommeln standen indes Neulinge. Und die bliesen auch neue Klänge ins Sextett. Abgesehen vom zwischen Donnergetös und Schneckentempo hin und her wogenden Dauerbrenner „The Clouds Are Burning“, brachten Faal nur neuen Stoff. Und der tendierte von finsterem Funeral eher zu melodischem Heavy bis Death Doom hin. Wenngleich nach dem radikalen Umbruch nach wie vor eine optische Kluft zwischen den Generationen klaffte, wirkte des Sextett diesmal stimmig und innerlich verschworen. Die stimmungsvolle Inszenierung in grünem Licht und waberndem Nebel tat das Ihre. Verbesserung bedurfte indes die lahme Körperlichkeit. Trotzdem war mit Faal der Auftakt gelungen.
EYE OF SOLITUDE fielen erstmal durch einen ihren weiblichen Anhänger auf, der mit tiefem Ausschnitt, Nylons und Stöckeln ein frivoles Spiel im Publikum trieb. Nicht so spektakulär gestaltete sich indes das Treiben auf den Brettern. Denn Eye of Solitude kamen mit einer völlig neuen Choreographie und waren - weg von magischem Schwarzlicht und Kerzen, hin zu einem ganz gewöhnlichen Auftritt - kaum noch wiederzuerkennen. Die Klänge variierten zwischen Klargesang und Grunzen, zwischen Funeral und Death Doom. Und: Wer sich ans Zeitschema hielt, hatte Pech gehabt. Denn die Gruppe aus London begann sieben Minuten zu früh. Eye of Solitude spielten - angetrieben von blankem Wasser - drei der vier Lieder von ihrer brandneuen Platte 'Cenotaph', in der Reihenfolge 1-3-2. Darunter befand sich mit dem melodramatischen Zwanzigminüter „This Goodbye, The Goodbye“ der Höhepunkt des ersten Abends. Final dankte Gruppengründer Daniel Neagoe Trommler Ahephaïm für einen „wonderful amazing job“. Der Leipziger hatte letzte Nacht erstmals mit Eye of Solitude zusammen geprobt. Schade, daß mit den ähnlich gelagerten, und ähnlich tief im Zeitlupentempo operierenden Faal und Eye of Solitude das Festival gleich zu Beginn weiterhin in Starre verharrte.
Von den aus Rozenburg stammenden PHLEBOTOMIZED hatten wir nicht allzu viel erwartet. Die Ende der Achtziger als Death-Grinder Bacterial Disease formierten und als Phlebotomized zum progressiven Death-Doom Übergelaufenen hatten wir bei ihrer Wiederkehr an der Livefront 2013 als pures Chaos erlebt - und enttäuscht das Weite gesucht. Da nach den Niederländern heute allerdings schon Schluß war, dachten wir uns: Halten wir durch. Und das wurde belohnt. Denn mit dem langhaarigen Heißsporn Ben de Graaff hinterm Mikro entwickelte sich im Verlauf ein spannendes Geflecht aus verspielt, verschroben und verschlagen. Dabei waren die sieben Phlebos so chaotisch, daß aus Wirrnis Ordnung wurde, und am Ende war die Crew sogar packender, als es zunächst schien. Im Laufe der Nacht wurde ferner der altgediente Gitarrist Middelbosch mit sichtlich Wehmut in den Ruhestand verabschiedet. Final gab es noch eine superbe Anhimmelung für Paradise Lost durch „Eternal“, und nachdem ihnen eine Verlängerung mit Maiden-Gitarren zugeschanzt wurde, und der Saalschutz bereits vors Podium drängte, waren die Holländer mit Rücksicht auf die Nachbarschaft kurz vor elf durch.
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
FAAL
(19.01-19.44)
1. In My Final Our of Grief
2. Nieuwe Remco
3. Nieuwe Pascal
4. The Clouds Are Burning
 
EYE OF SOLITUDE
(20.09-21.05)
1. Cenotaph
2. This Goodbye, The Goodbye
3. A Somber Guest
 
PHLEBOTOMIZED
(21.45-22.53)
1. Desecration of Our Alleged Christian History
2. Immense Intense Suspense / Barricade
3. In Search of Tranquillity
4. Subtle Disbalanced Liquidity
5. Devoted to God
6. My Dear
7. Mustardgas
8. I Hope You Know
9. Mellow Are The Reverberations
10. Eternal [Paradise Lost]
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11. Unknown
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((((((Heiliger Vitus)))))) , 4. November 2016