DOPPELBOCK, ODIUM
D-Bad Homburg vor der Höhe, Musik Club Gambrinus - 4. April 2003
Nach der alkoholischen Ausartung vor einer Woche mit Tankard in Amberg, hatte deren Frontmann Gerre heute zu einer neuen Schwermetallattacke geladen. Es war keine Einladung, sondern ein Befehl! Und so waren Kunden von Geiselgangstertours den Helden von der Oberpfalz zum Südhang des Taunus gefolgt. Das heutige Massaker firmierte als 5. BAD HOMBURGER METALNACHT. Um neun rückte ich im Gambi an. Der Laden war ordentlich voll. Gerre betätigte sich mit Unterstützung von Rock-Hard-Krachexperte Buffo als DJ. Letzter wiederum übermittelte mir die Nachricht, daß meine Unheiligkeit jüngst im Gastbuch von Tankard niedergemetzelt worden sei. Auf diesen Schrecken mußte ich ein Weißbier trinken ... und erblickte Schlagzeuger Zissel von Tankard, der sich mit mir abklatschte.
21.35 Uhr standen ODIUM auf der Rampe. Odium? Wer sind die? Dabei existierte der Fünfer aus Südosthessen schon seit zehn Jahren. Stellte sich die Frage: Was haben die die ganze Zeit getrieben? Und welche Musik machen die? „All is Bleeding“ brachte Licht ins Dunkel: Rochus, Reinhard, David, Christoph und Tobias machten Power Thrash im Achtziger-Stil und weckten Exodus, Overkill und Testament zum Leben. „Chaotic“ untermauerte es. Der Fronter erinnerte mich etwas an einen gewissen Flo von Broken. Sprich: Reinhard sang, schrie und peitschte unter großer Hingabe intelligent-ketzerische Lieder in die Meute. (Für alle, die Flow kennen: Er lebt und es geht ihm ganz gut!) Die Meute fand den leicht freigeistigen Gesang weniger packend: Vor der Bühne klaffte ein Loch - das Reinhard für ausgiebiges Headbanging und Niederknieaktionen nutzte, und um bei „A New Beginning“ ein Mädel aus dem Publikum in den Schwitzkasten zu nehmen. Seine Gefährten wirkten unterdes lethargischer. Der Bassist maulte etwas über die Hitze - und wurde mit einem hämischen „Applaus für Christoph! Er schwitzt“ bedacht. Reinhard entledigte sich seines Pullis, um fortan in geilem Toranaga-Shirt übers Geviert zu tigern. „At the Tomb“ und das vehemente „Bé:Orscype“ fackelten durch die Speaker. Gerre erzählte mir seinen Traum der letzten Nacht, einen vom Krieg im Irak. Und Odium droschen die rasende Granate „Written in Flesh“ und das progressive „Searching for the Exit“ in die Meute. Viel entfesselter als zu Beginn, und trotzdem wirkte alles etwas sperrig und mitunter schwer verdaulich. Ich fand Odium kultig, aber auch anstrengend. Die schnurstracks auf die Zwölf gehenden „Swallow“ und „Beast by Society“ machten Lust auf mehr. Und wer spielt im Vorprogramm schon eine volle Stunde? Währenddem plapperte ich mit Andi von Tankard. Vor uns headbangte ein Turban-Sikh in Pro-Pain-Shirt...
.:: ABSPIELLISTE ODIUM ::.
1. All is Bleeding
2. Count the Cost
3. Chaotic
4. A New Beginning
5. Paperhouse
6. At the Tomb
7. Bé:Orscype
8. Hopeless
9. Written in Flesh
10. My Dying Day
11. Searching for the Exit
12. Swallow
13. Beast by Society
Ab 22.55 Uhr war Spaß angesagt: DOPPELBOCK kaperten die Planken. Ich hatte die Punkrocker um Harald, Valentin, Jörg, Axel und Martin vor ´ner kleinen Ewigkeit als Vortrupp für Tankard erlebt - und mir die Platte 'Helden der Nation' zugelegt. Am Sinnen der Böcke hat sich nichts geändert: Denen ging´s um Suff und Sex und wilde Spiele. Harald verkündete: „Keine Angst - wir werden siegen heute nacht. Keine Angst - wir werden saufen ohne Hast... Doppelbock ist endlich wieder da!“ Und nur eine Frau für einen Mann? Nee, „Ich will sie alle!“. Doppelbock veranstalteten heute das „1. Wettsaufen für den Frieden“. Womit man bei einem Trinkritual angelangt war. Kling trat gegen einen Mutigen aus dem Publikum an. Inhalt: zwei große Gläser. Sieger ist, wer seins zuerst entleert. Harald leerte es in einem Zug. Und er gab einen Warnhinweis aus: „Am Ende wißt ihr nicht mehr, was am Anfang war!“ Darauf ein Teil zum Thema „Asozial Altern“: die „Faltencreme“. Hm... Auch die Böcke sind nicht mehr taufrisch. Zumindest heute haben die Bukowski-Punks ´nen ziemlich verstimmten Eindruck hinterlassen. Weil sie Deutsch so scheiße finden, rotzten sie ab „Englisch“ dann alles nur noch auf Englisch runter. Doppelbock zelebrierten eins über Drogen mit Sprechgesang und der Erkenntnis: „Alles so schön bunt“. „Don´t Bother Me!“ öffnete die „spanische Ecke“. Das Gambi war nun derart voll (Buffo schätzte 130 Besucher), daß ich den Rückzug zum Balkon vorzog. Dort hing ich an einem Tisch mit zwei Asiatinnen, die mich argwöhnisch beäugten. Doppelbock gaben noch ein Bumscover - „Theo, wir fahr´n nach Lodsch“ -, und nach dem Punkrocker „Gott“ bin ich zur Geisterstunde verschwunden. Gerre bot mir die Mitfahrt in seiner Karre an. Aber dann wär´s wieder vier geworden. Auf einen neuen Trip ins Koma hatte ich keinen Bock.
 
 

Heiliger Vitus, 5. April 2003
Der Odium-Reaper