DOOM SHALL RISE VIII
 
IN-GRAVED, EREB ALTOR, SIDEBURN, SERPENT VENOM, VICTIMS OF CREATION, PETRIFIED
D-Göppingen, Chapel - 26. April 2013
Prolog
 
Schon seltsam, wie mit der Zeit die alten Ideale bröckeln. Nach magischen Festen von 2003 bis 2007 roch es mit der rätselhaften Absage 2008 erstmals nach Veränderung beim DOOM SHALL RISE. 2010 wurde Organisator Frank Hellweg auf seine alten Tage Zwillingspapa. Das warf die erste große Doomserie zurück. An seine früheren Austragungen mit vielen legendären Gruppen kam das DSR nicht mehr ran. Nach den Totgeburten 2011 und 2012 mehrten sich Gerüchte um eine Auflösung. Die Auferstehung 2013 glich einem Wunder. Aber 2013 trug auch den Untertiel „DAS LETZTE MAL“. Das Festival sollte an den Nagel gehängt werden. Die Bewegung ist nicht mehr die wie vor zehn Jahren. Der Doom ist geschäftstüchtiger, die Szene mit immer neuen Gruppen und Veranstaltungen sprunghaft und unüberschaubar geworden. Berühmtheiten haben mittlerweile ihren Preis. Diesen Weg wollen die Macher des DSR nicht mitgehen. Auch persönliche Gründe spielen da eine Rolle. Das Ende von Doom Shall Rise wäre aber das Ende des Originals, der Verlust eines Ideals und für ganz viele eine Katastrophe. Es wäre so, als würde einem ein Bein abgehackt. Manche werteten die Stellungnahme der Organisation am ersten April als makabren Scherz. Andere dachten an Selbstmord auf der Bühne.
 
Doomerstag, 25. April
 
Um noch mal möglichst viel Doom Shall Rise zu inhalieren, hatten Peanut und ich die mutmaßlich letzte Pilgerfahrt ins Stauferland schon am Donnerstag angetreten. Leider erfuhren wir zu spät von der „DSR-Warmup-Party“ im Göppinger Klub „Treffpunkt“. DJ Kodo hatte zur Einstimmung aufs finale Ausbluten bis in die Puppen Platten aufgelegt. Mehr als fünfzig Leute waren in der Göppinger Kirchstraße, darunter etliche Musiker und Koorganisator Fopp. Insgeheim hatten Peanut und ich mit einigen Doom-Verehrern im Gasthof „Stern“ gerechnet. Aber wir sollten heute die einzigen in Holzheim bleiben. Immerhin hatten wir hygienebewußt unser bekanntes Bett mit warmer Dusche aufgetan. Was kein Grund zu Enthaltsamkeit war...
 
Freitag, 26. April (1. Tag)
 
Mit mittelschweren Köpfen stießen wir an der „Chapel“ auf die ersten Doomjunkies. Kalle und Micha, unsere einst besten Freunde, standen abseits vom Geschehen an einem Zaun vorm Einlaß. Früher waren wir immer zusammen im „Stern“ untergebracht, diesmal verhinderten es Jahre trauriger Funkstille und verletzter Stolz. Das Wiedersehen nach langer Zeit verlief frostig. Die Zeichen standen auf Abschied für immer. Und dabei gab es eine Zeit, da waren wir ein Herz und eine Seele... Aber wenigstens hat man sich noch wiedererkannt. Nach vier Jahren standen wir wieder gemeinsam vor der Chapel. In der Zeit hatte sich einiges verändert. Neue Gewerbebauten im Stauferpark entweihten unsere alte Thingstätte schon bei der Annäherung. Die Chapel war kaum noch zu sehen. Um sieben hatten wir sie erstürmt. Auch drin im einst heiligen Ort war alles auf Ausverkauf getrimmt. Das über der Bühne schwebende Banner DOOM SHALL RISE existierte nicht mehr. Dafür waren die Wände ringsherum mit Marktständen von „Cyclone Empire“, „Grau“ und „Church Within“ zugeknallt. Rechts ragten kaufhausartige Kleiderständer ins Publikum. Damit wurde zugleich die Menge verdichtet und das magere Interesse verdeckt. Bei 45 Euro für die Zweitageskarte fanden nur 450 Leute den Weg in die Chapel. Das Fest hatte sein Gesicht verloren...
„Wir sind PETRIFIED, und wir fangen jetzt an.“ Mit diesen Worten läutete Thomas Schulz, eine der zentralen Figuren des Doom Shall Rise seit 2003 die mutmaßliche Himmelfahrt ein. Neben Schulz, Buttler und Schaarschmidt stand heute mit Gitarrist Robert Dörfler ein Neuer im Bunde. Der Trupp aus dem Erzgebirge zelebrierte sein gewohnt krudes, schrulliges Gerumpel aus Doom und Rock, eisenharten Untergrund, der nie aus Zschopau ausbrechen wird (und es auch nicht will). Dafür sind Petrified viel zu schlicht und geerdet. Petrified sind ebenso frei von Ansprüchen wie es die Weggefährten Dreaming, Weed in The Head oder Subversion waren. Aber dafür werden sie von der Meute geliebt. Maik, der mit „The Last Farewell“ das passende Stück zum Anlaß sang, beklagte später den „komischen Sound da oben“. Demnach konnte der Gitarrist weder seinen Gesang noch den von Schulz hören, und auch nicht dessen Bass. Vielleicht war das der Grund für eine - Thomas, bitte wegsehen! - etwas versemmelte Schau ausgerechnet beim letzten DSR. Petrified waren einfach ihren Herzen gefolgt, aber sie können es besser.
Großartige Sänger mit der gewissen Aura kommen aus Italien oder Malta. Das weiß man nicht erst seit Caruso, Pavarotti oder Leo Stivala. Auch VICTIMS OF CREATION haben einen solchen. Rex Santucci hieß der Vokalist am Bass. Der langhaarige Recke war die beherrschende Kraft und Victims of Creation stellten heute ihr Neuwerk 'Symmetry Of Our Plagued Existence' vor. Wie der Titel ahnen läßt, ging es ab kurz nach acht eher finster zu. Um nicht zu sagen: Der Death Doom aus Malta klang wie Bolt Thrower auf Schleichfahrt. Zerstörerisch und unheimlich fesselnd rollten die vier aus dem Mittelmeer über Göppingen. Die Crux: Victims agierten nach der Himmel-und-Hölle-Masche, und streuten durch Rex auch klaren Gesang ein. Der tönte etwas fade, mußte mitunter von einem Spicker am Boden abgelesen werden, und lag damit neben der Spur. Über weite Strecken waren die morbiden Instrumente jedoch von derbem Grunzen unterlegt. Im mittleren Abschnitt gab´s den Hänger - bevor all die Vor-den-Kopf-Gestoßenen im Endteil von gewaltigem Donner, Todesgeröchel und kriegerisch ausgebreiteten Armen wieder versöhnt wurden. Für mich waren Victims of Creation der Knaller des ersten Tages.
Den reinsten, spirituellsten und charismatischsten Doom Metal der Nacht spielten vier Herren aus London. Ricketts, Scriver, Davies und Sutherland, auch als SERPENT VENOM unterwegs, hatten mit ihren düster und zeitlupenhaft schwer angelegten Doomriffs und einer Stimme, die an Glasperlen erinnerte, nicht nur Leute wie den Geb, den Maik oder Kischde tief in den Bann gezogen. Vermutlich hätten die Angelsachsen auch mich auf die Knie gekriegt - wäre nicht ausgerechnet zwischen 21.05 und 21.50 Uhr eine wichtige Hexe aus München aufgekreuzt. Kurzum: Ich war abgelenkt, und konnte Serpent Venom samt ihrem 'Carnal Altar' nicht im Ansatz huldigen. Es blieben die Bilder von dem Typen, der mit seiner Iron-Monkey-Mütze, dem schwarzen Vollbart und den wilden dunklen Augen aussah wie Justin Greaves persönlich, dazu ein Klangbild im Geiste von Saint Vitus (Instrumente) und Cathedral (Gesang).
SIDEBURN kündigten sich selbst als „Swedish Doom Metal“ an. Sideburn waren ein Wunsch von FH - und für mich der Feind. Ab 22.10 Uhr wurde die Chapel von federleichten Balladen und Gitarren mit Zuckerguß beschallt. Ein Sänger ganz in Weiß verbreitete Plattitüden wie „Thank you, you are the best people we ever met“, und ein Gejammer, daß rasch nervte. Draußen traf ich auf Fopp. Es kam zu einer persönlichen, fast emotionalen Unterhaltung. „Saug´ das letzte DSR noch mal in dich auf“, bat Jochen. Aber drin wurde es nicht besser. Im Gegenteil: Sideburn durften als eine der wenigen Zugaben spielen. Nach fünfzig Minuten kam die Erlösung. Schade, daß einer Gruppe wie Austrias Ultra-Doomern Vortigan das DSR verwehrt blieb!
Mit EREB ALTOR folgte ab 23.15 Uhr eine weitere Rotte aus Schweden. Ereb Altor kamen aber grundverschieden zu den Vorgängern daher. Mats, Ragnar und Tord trugen martialische Kleidung, sie hatten viel Tinte unter der Haut, und ihre Augen blickten äußerst grimmig. Eine alte Bekannte, Promotusse dEvilin, hatte die Tre Kronor 2009 beim ersten „Hammer Of Doom“ in Würzburg erlebt, und mir danach einen vorgeschwämt. Ereb Altor - durch Mats und Ragnar auch in Isole vertreten - zelebrierten kriegerische Balladen reich an Bombast und Heldentum in der Machart später Bathory. Im Zusammenspiel mit der Optik und etwas peinlichem Gehabe hätte ihr Epic Doom ins Melodramatische oder in Klaumauk kippen können. Die malmende Rhythmik von 'The End' verhinderte es. Nichtsdestrotrotz hielt sich die Menge zurück. Nach 55 Minuten waren die Wikinger zuhause. Da war mehr drin. Ragnarök!
Mit Victor Griffin hatten die Macher den dicksten Fisch des Festivals an Land gezogen. Der Sänger und Gitarrist ist seit den Siebzigern in der Doom-Rock-Szene aktiv und verewigte sich schon in Genrevorbildern wie Pentagram, Death Row, Cathedral und Place of Skulls. Dabei ließen es IN GRAVED aus USA wesentlich ruhiger angehen. Lange Haare, Kutten, entspannte Gitarren, in Melancholie versunkene Vokale und angestaubte Kompositionen atmeten ab 0.30 Uhr das Heavy-Rock-Fluidum der Vergangenheit. Im Mittelpunkt stand ganz klar der Veteran Griffin, der sich als stiller, unaufgeregter, fast verschlossener Mensch ohne jeden Starkult erwies. Der Rest - Guy Pinhas am Bass, Jeff Olson an den Tasten sowie Minnesota Campbell, Schlagzeug - ließ etwas die Ausstrahlung vermissen. Streng genommen verkam die Allianz aus Tennessee und Minnesota über weite Strecken zu einem Soloauftritt mit Nebenfiguren. Was ein Bhagwan-Ebenbild mit schlohweißem Haar und Wallebart allerdings nicht an den verzücktesten Veitstänzen im Publikum hinderte. Zum Schluß wackelte im Tempo eines trottenden Esels eine Version von „Don´t Let Me Be Misunderstood“ daher. In-Graved waren glaubwürdig gespielt, sie bewiesen Durchhaltevermägen (90 Minuten!), aber es war eben kein „echtes“ Pentagram.
 
Um 2.40 Uhr kamen Peanut und ich mit einer Droscke zurück in den „Stern“, und lagen - knusper, knusper, Knäuschen - nach einer Tüte Doomkeksen mit Wein, um 3.45 Uhr flach.
 
 
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Heiliger Vitus, 7. Mai 2013
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
PETRIFIED
(19.05-19.50)
1. I, The Ghoul
2. Under Saturn
3. Raven´s Claw
4. Mountain March
5. Farewell
6. Robos Nuevos
7. A Skull Full of Emptiness
8. Mold Courning
 
SIDEBURN
(22.10-23.00)
1. Diamonds
2. Wings of Sorrow
3. Fire and Water
4. Monument
5. The Last Day
6. The Saviour
7. Hold Me in Your Light
 
IN-GRAVED
(0.30-2.00)
1. Digital Critic
2. What If...
3. Love Song for the Dying
4. The Fall
5. Teacher [Jethro Tull]
6. Never Surrender
7. Thorn in the Flesh
8. The Monster
9. Late for an Early Grave
10. Fading Flower
11. Masters of Jest
12. Last Hit
13. Don´t Let Me Be Misunderstood [Nina Simone]
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