DATURAH, VELVETEEN
D-Frankfurt am Main, Nachtleben - 26. November 2006
Totensonntag. Während Frankfurts letzte Christen am Novembersonntag ihrer Toten gedachten, bliesen über der Erde - in der Festhalle - die Red Hot Chili Peppers 14 000 die Schädel weg; und unter der Erde - im Szeneschuppen „Nachtleben“ - waren es die (noch) kleinen Daturah und Velveteen, welche vor achtzig Leuten Töne der melancholischen Art durch die Amplifier jagten.
VELVETEEN begannen. Wir waren voller Vorbehalte angerückt, hatten mit larmoyantem Emo gerechnet - und sahen uns getäuscht! Bigmuff, Faust, Tommy und Chris - vier Jungen aus Frankfurt mit Mobtopfrisuren, Koteletten und Bärten - machten eine Musik, die sich zwischen Indie und Britpop verorten ließ. Velveteen frönten der düsteren Seite der Musik. Aus smart treibenden Gitarren und einer dunklen Sehnsuchtsstimme, die etwas an A-ha erinnerte, malten sie das perfekte Klangbild für die vernebelte, regnerische Novembernacht. Und das trotz aller Melancholie genug Antrieb besaß, noch ein wenig mitzumachen, in diesem Zyklus, der sich „Leben“ nennt. Auch durch Anektoden von der laufenden Tour zum Beispiel. Wie einer Warnung vorm belgischen Bier (Bigmuff litt noch zwei Tage nach dem Konsum darunter). Oder dem Erlebnis vom Vorabend, als Velveteen in einen tiefen Wald mußten. Nicht in den der Blair Witch, sondern in den von Riepe, wo sich zwanzig Abiturienten in einen riesigen Countryschuppen verirrt hatten (die sich noch nicht mal für Velveteen interessierten). Und dann waren da immer wieder diese schwermütigen Lieder von diesem geradezu wahnsinnig dreinschauenden, sinistren Mann am Mikro. Wie „And You Miss the Money“ etwa, als die vier völlig in sich versunken schienen. Velveteen bezauberten uns fünfzig Minuten lang.
Neuen Antrieb stifteten die Ambient Postrocker DATURAH, in deren Kosmos sich etwas verändert hat: Gründungsmitglied Ralf ist ausgestiegen und wurde durch einen gewissen Sebastian am Klangerzeuger ersetzt. Die übrigen Apparate - Gitarren, Bass und Trommeln - wurden weiterhin von Mathias, Flo, Benni und Patrick malträtiert. Nach wie vor nicht bei Daturah ist die kongeniale Figur am Mikro. Die wird schwer zu finden sein für die wunderbaren Junkies der Klangkaskaden! Daturah fuhren heute schweres Geschütz auf. Kein dissonantes Vorspiel, keine Rückkopplungsorgien - man kam schnurstraks auf den Punkt. Gleich die ersten feinen Erschütterungen zum Orkan „Noise“ bliesen mir den Schädel weg. Womit ich mich in feiner Gesellschaft befand. Waren es doch insbesondere Angus-Young-Ebenbild Mathias und Furchtlockenmann Flo, die sich von der ersten Sekunde mit satten Riffs bekreuzfeuerten und die Knochen schüttelten, als gäb´s kein Morgen. Das Daturahsche Klangspektrum war heute um ein Vielfaches heftiger als je zuvor. Die Quinte bewegte sich resoluter zwischen den hypnotisch dahinschwebenden Ambient-Passagen und den folgenden, turbulent rasenden Noise-Explosionen. Und es war wie immer sehr angenehm, auf diesem bittersüßen Psychotrip mit dem Stechapfel hinaus in die Unendlichkeit fern des Erdenballs. Eine harte Todeskapsel, der „Kinski“, ein schlichtes „Wir sind fertig, danke schön!“, und ein minutenlanges Ausfaden der Gitarren besiegelten nach einer Stunde das Ende für Daturah für eine lange Zeit. Denn Daturah verabschiedeten sich mit dieser Schau vom Schatten ins Licht, um Plattenaufnahmen abzuschliessen und bürgerlichen Jobs nachzugehen... Bleibt die Hoffnung, daß die Gruppe nicht zerbricht. Auf ein Wiedersehen im pzykadelischen Untergrund, Daturah!
 
 

Heiliger Vitus, 29. November 2006
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
VELVETEEN
(21.15-22.05)
1. After the K.M. Tapes
2. Visit
3. Your Dead Friend
4. Home Waters
5. Run If You Can
6. The Big Lay Off
7. 3 Kids Home
8. One With the Merchants
9. Drink up Girls
10. Firework Special
11. The Loyalty Report
12. And You Miss the Money
13. Second Best
14. The Drummer Goes Berserk
(This ain´t the Underground / Medicated)
 
DATURAH
(22.28-23.28)
1. Noisiger
2. 9-er
3. Astronaut
4. Alte Neue
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5. Kinski