ESCAPE WITH ROMEO, WHISPERS IN THE SHADOW, MURDER AT THE REGISTRY, DEAD EYES OPENED
D-Frankfurt am Main, Das Bett - 29. November 2014
Das letzte Wochenende im November lag vor uns. Und was macht man, wenn man ab dem ersten Dezember vielleicht 16 Wochen lang für einen Marathonlauf darbt? Genau: Man gondelt ins „Bett“ und läßt es sich dort noch mal richtig besorgen. Ein Pakt aus „Cold Insanity Music“, „Death-Rock.de“ und „Desperate Society“ durfte in Frankfurts Westen an diesem Wochenende düstere Untergrundmusik ausrichten. Nach Sixth Comm, The Devil & The Universe sowie Vortex am Freitag, fand das Wave-Gotik-Treffen fürs schmale Geld heute mit dem 3. COLD INSANITY FESTIVAL seine Fortführung. Auf dem Programm standen vier Gruppen nebst einer „Open End Aftershow Party“, der Einlaß betrug 23 Euro. Zweihundert Personen in edlem Schwarz füllten die Halle zur Hälfte auf. Männer in Lodenmänteln, Boots und kajalumränderten Augen trafen auf extravagant aufgebrezelte Hexen mit mangaartig geschminkten Gesichten, Nylons und Stöckeln. Manche feierten ihr Wiedersehen, Hotties knutschten oder befummelten sich etwas intimer. Dazu scharwenzelte ein nach Patchouli stinkender Darkie mit Krähenest auf dem Kopf unablässig um mich herum. Es war ein bißchen wie unter der Addams Family. Rotierende Bühnenlichter, die einem ab und zu voll in die Augen strahlten, taten ihr Übriges. Ferner strahlten Lichter ökologische Botschaften auf die Köpfe und Rücken des Publikums... Ich fühlte mich nicht sonderlich wohl, und der Beginn verschob sich um vierzig Minuten...
„Guten Abend, we are DEAD EYES OPENED from Scotland, and this is 'Judy'.“ Als die Laune schon auf den Nullpunkt sank, ging´s los. Immerhin bewies die Vorhut Stolz und hatte auf einen Lautsprecher die Fahne Schottlands gelegt. Spooks, Dunsy und Gash waren aus Edinburgh angerückt, und spielten vor einem mystisch beleuchteten Schlagzeug ohne Mensch. Die „Mothership“ (Mutterschaft) war in diesem Fall die Maschine, und die Trommeln aus ebenjener klangen täuschend echt. Aber es drehte sich alles um den Bandleader. Spooky sang so ähnlich wie Robert Smith und neben der Stimme benutzte er auch seine beschwörenden Hände und schlangenhaften Selbstumarmungen als Ausdrucksmittel. Wenngleich sie wenig mit ihrer Bezeichnung als „Gothic Metal“ zu tun hatten, fanden die Schotten viel Anklang im Publikum. Ein Geständnis wie „Excuse me, my German is rubbish“ kam sehr ehrlich rüber. Und: Im März 2015 steigt in der heimischen „Bannermans Bar“ ein etwas größeres Festival als das heutige in Frankfurt: das erste „Doom Over Edinburgh“!
Erstens kommt es anders, und zweitens... Der vermeintlich schwächste Trupp wurde der beste! Die 1988 gegründeten Death-Rocker MURDER AT THE REGISTRY durften sich über einen wesentlichen größeren Zuspruch freuen. Wahrscheinlich bestand die Hälfte im Bett zu der Zeit aus Freunden und Bekannten. Eine Bemerkung wie „Das is der Martin“ ließ zumindest eine gewisse Nähe zum Bassisten vermuten. Wenigstens saß mit Krusty v. K.ein Mensch hinter den Trommeln, und mit Ralf H. hatten sie nicht nur den spindeldürren Sonnenausknipser von Berlin, sondern auch das lange Leiden von Frank The Baptist, und den mit Abstand besten Gitarristen des Abends in ihrern Reihen. Mit Hünefelds postrockig geschrammeltem Sechssaiter, dem desillusioniert-kauzigen Gesang von Tom S. und ihren dunkelgrauen Melodien, kam der Vierer aus dem Umland von Braunschweig gut an. Herausragend waren das ultradüstere, zeitlupenhafte „Your Pagan Heart“, das im Tempo ebenfalls stark rasierte und mit ewiglichen Orgeln und dichtem Nebel versetzte „The Gate“, sowie der dunkle „Epiwaltz“. Zu ewähnen sei weiterhin, daß Frontmann Stach seine Mitstreiter als seine „Lebensretter“ vorstellte...
Rabenschwarze Kleidung, ein okkulter Zylinder, imperiale Trommeln, ein frostiges Orgelpult, reger Wechsel an den Saiteinstrumenten, die Verarbeitung des Bachschen Kirchenliedes „Gloria in Exelsis“: Beim Versuch, die Konkurrenz an Choreographie zu übertrumpfen, lagen WHISPERS IN THE SHADOW vorn. Doch leider setzte nun der Prozess der Verflachung ein. Die Performanz war auf Hochglanz getrimmt und wirkte steril. Dazu machte der zwergenwüchsige Fronter Ashley Dayour äußerlich einen auf Glenn Danzig, sang im Unterschied zum Idol jedoch grauslig flach wie Klaus Meine. Kurzum: Die vier aus Wien lösten über weite Strecken Augenrollen aus. Am Ende stand mit „Departure“ (Aufbruch) und „Arrival“ (Ankunft) der kleine Ansatz eines Konzepts. Die Antwort mußte jeder in sich selbst suchen.
Wenn Musik zur Folter wird: Unter diesem Thema stand die letzte Gruppe. Während die Schluchtenkacker spielten, war ein Opi mit schlohweißem Haar und vier Schnäpsen in der Hand an uns vorbei in Richtung Garderobe gelaufen. Daß es sich dabei um die Hauptfigur des Abends handelte, ahnte in dem Augenblick niemand. Thomas Elbern und sein Begleitterzett hatten mit einem an die Wand geworfenen Gruppenemblem und Videos in Breitwandoptik alles für eine große Schau getan. Umso enttäuschender das Resultat. Wen interessiert eine Begrüßung wie „Guten Abend Frankfurt! Ist schon lange her, daß wir hier waren. Das letztemal glaub´ ich im 'Negativ'.“ Als das Negativ schloß, glaubten die meisten noch an den Storch. In der Folge konnte sich ein blasierter, geltungssüchtiger Greis an seiner 25jährigen Bandgeschichte gar nicht satt hören. Die Achtziger, das waren noch Zeiten. „Joh!“ Kurzum: Mit rheinischer Fröhlichkeit, Hang zum Senilen und zu Post-Punk vertonter Schwermut, rauschten ESCAPE WITH ROMEO mit Volldampf in den Untergang. Mit Blick auf unsere Bahn heimärts im Stundentakt, hatten wir die Wahl: entweder gleich gehen, oder bis zum bitteren Ende durchhalten. Meiner Konzertkumpeline zuliebe blieb ich - mußte dazwischen aber lange an die frische Luft. Für alle Talersucher und Devoten waren Escape With Romeo unterdes die Einladung zum Tanz. Und bei aller Selbstliebe servierten die Kölner neben dem Filetstück „Somebody“ immerhin auch noch ein Lied einer anderen Gruppe aus den tiefsten Achtzigern - das wohlgemerkt „einzigste Cover“: Fat Cadgets „Back To Nature“. Halb eins folgten drei Nachschläge. Als wir nach quälenden 76 Minuten gingen, lief die Zugabe noch weiter...
 
 

Heiliger Vitus, 2. Dezember 2014
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
DEAD EYES OPENED
(19.36-20.18)
Intro - Dark
1. Judy
2. Filthmonger (Illuminate me)
3. Sentimental
4. MV
5. Despair
6. Butterflies
7. Tyrants
8. Believe
 
MURDER AT THE REGISTRY
(20.36-21.35)
1. Talking To The Sea
2. Notsorry
3. To Some Angels
4. Walls Come Down
5. The Stolen Photograph
6. The Worst Date
7. Your Pagan Heart
8. Return Of The Untamed
9. The Gate
10. Epiwaltz
11 The Creatures Are Having Fun With The Hollywood-Dreamblaster
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12 Cupido
13 Like Puppets Burning
 
WHISPERS IN THE SHADOW
(22.00-23.05)
1. Lilitu´s Claws
2. Face
3. Rain
Agent of Chaos
4. If Uriel Falls
5. The Lost Souls
6. The Tempest
7. Never Go
8. Left Hand Anthem
9. His Name Is Legion
10. Damned Nation
11. Back To The Wound
12. Zero Man
13. The Departure
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14. Halloes At Dawn
15. The Arrival
 
ESCAPE WITH ROMEO
(23.27-0.43)
Intro
1. Helicopters In The Falling Rain
2. Everyone Against Everyone
3. Glitter On The Snow
4. Wrong Laila
5. Escape With Romeo
6. Back To Nature [Fat Gadget]
7. Here Comes The Night
8. It´s Loneliness
9. Ground Control
10. Somebody
Alaska
11. Tears of Kali
Anteroom for Your Love
12. Sie liebt dich (nicht)
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13. Rattle In Our Cages
14. White Room
15. Teargas
Where Are You Now?