BELGIAN DOOM NIGHT II
 
PENANCE, VOODOOSHOCK, ORODRUIN, BUNKUR, ENDOR
BE-Gent, The Frontline - 9. April 2004
Prolog
 
Doomerstag, 8. April
 
Ade, Göppingen! Dag, Gent! Nach Deutschlands Doomfestspielen „Doom Shall Rise“ waren wir nun im Niederländisch sprechenden Teil Belgiens. Mit dem ersten Sequel der BELGIAN DOOM NIGHT standen auch unsere ersten Konzerte auf flämischer Erde und ein weiteres Wochenende im Kreis von Gleichgesinnten bevor. Die Beklemmung des Hochgeschwindkeitszuges ICE konnte nicht schrecken. Nachdem wir mit stellenweise bis zu 300 Stukis durch die Tunnel der Eisenbahnstrecke Frankfurt-Köln geschossen wurden, hatte ich mit meinem Mädel Peanut in vier Stunden die alte Arbeiterstadt Gent, Hauptstadt Ostflanderns, erreicht. Unser Doomizil war ein am Rande des Studentenviertels Sint Pieters gelegenes Hutzelhaus aus dem 18. Jahrhundert namens „Veergrep“. Dort wurden wir von einem furchteinflößenden Schäferhund angeknurrt und angebellt. Der weitere Empfang verlief jedoch überaus friedlich. Nicht Hector, sondern der charmant-derbe Flame Marc nahm uns auf. Unser Gastgeber hatte aus Deutschland allerdings keine Langhaarigen, sondern Skins erwartet... Es war alles wundervoll: Wir querten Grachten, gingen über das krude Pflaster der Graslei, vertilgten Fritten und Waffeln, deckten uns in einem der „Nachtwinkel“ (Nachtladen) mit Stoff ein, machten uns mit Latrinen vertraut, wo Mann in lange Rinnen pinkelt, derweil Frau an einem vorüberstöckelt, und ließen den Tag bei starkem Trappistenbier und „Zin in een gezellige Babbel bij sfervolle Rock-Muziek“ in der Studentenkneipe „St. Hubert“ ausklingen.
The Frontline
Freitag, 9. April (1. Tag)
 
Der belgische Petrus drosch unablässig Regen und Kälte übers Land. Mitten in die sprichwörtliche „Hölle des Nordens“ stieß ein junges Pärchen aus Girona zu uns: Anna und Jordi, die Herausgeber des katalanischen Black-Metal-Portals „Himnes des Nit“. Nachdem wir einige Fetzen Englisch zusammengestammelt hatten, waren wir am späten Nachmittag zu viert vorm Schauplatz in der Overpoortstraat 37 angelangt. Das „Frontline“ war schwer zu finden. Einerseits reihte sich im Genter Kneipenviertel ein heruntergekommener Laden an den nächsten. Andererseits war der frisch umgezogene Klub nicht beschildert. Nur durch die Hausnummer war er als Flachbau im Hof der Bar „De Coulissen“ zu verorten. Das neue „The Frontline“ faßte zweihundert Personen. 150 Karten waren zum Preis von 15 Euro pro Zweitageskarte abgesetzt worden. Dazu erwarteten die Macher 25 von der Straße: Es war wenig los, als wir halb sechs ankamen. Organisator Fred Caure (Thee Plague Of Gentlemen) empfing uns ganz persönlich. Dumm nur, daß ich ihn mit Pferdeschwanz nicht sofort erkannte... Schon vor Ort waren außerdem der „Doom Shall Rise“-Tross mit Herrn Hegedüs vom „Psychedoomelic“, die Gruppe Orodruin, Boris von Versus The Stillborn-Minded sowie Penance-Trommler Smail (der mich gleich realisierte). Die Gemeinschaft war also zurück im Geschehen; ich plünderte Devotionalien und begab mich darauf in die mit rohen Holzbohlen ausgeschlagene Konzerthalle. Auch hier herrschte noch Totenstille.
Pünktlich um sechs wurde die Doomschau von Belgien vor 66 Leuten eröffnet. Weil deren Trommler in der Betty-Ford-Klinik weilte, waren ENDOR aus Opwijk für Deutschlands WELL OF SOULS in die Bresche gesprungen. Die Flamen kamen mit den dramatischen Mittzwanzigern Tom M., Filip D., Tom V.W., David H. sowie Willem D.P. Mit Kettengerassel und Hexengeheul leiteten die vom Hardcore-Punk zum Death-Doom Übergelaufenen ihren Auftrittt auf mittelalterliche Weise ein. Reste vom Foresight-Punk lebten besonders im Vokalisten weiter. Tom trug grelles Zackenhaar, er riß in Punkmanier die Augen auf, und röchelte als hätte er die ominöse Packung Nägel verschluckt. „To the Moon“ und „Endura“ hießen die harschen und mit grimmigen Grindparts durchsetzten Nummern zum Auftakt. „Lilith´s Embrace“ ließ sich schleppend an, kam - untermalt von gesprochenen Botschaft aus dem Jenseits - mächtig ins Rollen, und verendete in ultralauten Bässen, polternden Trommeln und vernichtend rasenden Riffs. Es folgte die verrottete „Sol Mortuus“ und der „Storm of Odin“. Mit „Eternal“ hagelte noch einen Obituary-Deather, und die „Night of Lycanthrope - Nox Irae“ bedeute das nicht minder tödliche Ende. Da Endor mehr Death als Doom waren, trafen sie bei den Teufelsanbetern aus Katalonien prompt mitten ins Schwarze.
Langsam, langsamer, BUNKUR! Bunkur aus Tilburg, Niederlande, kamen mit zwei keifenden Bassisten, einer Tastenluziferin, einem Trommler und - keinem (!) Sechssaiter. Die änigmatischen Decknamen der Akteure lauteten: MVII (Drones & Deathshriek), KIII (Lamentations & Drones), FXXI (Fr) und TXIII (Battery). Jene öffneten mir eine ganz neue Welt: die des Ultra Doom. Bunkur nahmen die Geschwindigkeit vollkommen raus, schoben alle Regler nach rechts und irritierten vom ersten Moment an mit einer fast gespenstischen Abgeklärtheit. Bunkur hatten bislang zwei Stücke aufgenommen: „Dopemoon“ und „Bludgeon“. Letztes brachten sie uns nahe. Ein Teil, sechzig Minuten und sechs Sekunden! Mehr Worte braucht´s nicht. Oh, doch! „Bludgeon“ war ein Inferno aus Finsternis, Einsamkeit, Koma und obsessiver Selbstzersetzung. Ein Knüppel aus eisenbetonen Klängen, unterschwelligem Schall, mystischen Orgeln, gequälten Stimmen, verzweifelten Schreien. Darunter schwelte es. So entschleunigt, daß alles stillzustehen schien. Drei Schläge in der Minute. Vielleicht auch nur zwei. Langsamer sind nur Schnecken - oder der Aufprall nach dem Fall. Vom Überdoomkommando Bunkur zu schreiben ist sinnlos. Man mußte es körperlich durchleben - die Erschütterungen liefen bis in den Leib! Bunkur waren Doom in Vollendung, total schwarz! „Die Welt gehört uns. Und niemandem sonst!“ Bunkur für immer! - Im Frontline litten rund 150 mit. Am Rande ergaben sich Gespräche mit TPOG-Fronter Steve und Voodooshocks Greili.
ORODRUIN erklommen den „Mount Frontline“. New Yorks Old School Doomer hatten ihr Programm gegenüber dem Doom Shall Rise etwas umgekrempelt. Das treibende „Creation Through Death“ hielt heute als Einstieg her, mit „Unspeakable Truth“ ging es düster weiter und Gent erlebte den ersten richtigen Gesang der Nacht. Mike Puleos wundervolle, glockendunkle Stimme versilberte die „Epicurean Mass“ und das voller Pein steckende „Claw of Terror“. Beim stillen, fast liedartigen „Ascending Damnation Master, the Tempest is Raging“ wurden Feuerzeuge gezückt. Es waren die ersten Gefühle des ansonsten zu Säulen erstarrten belgischen Publikums. Beim final ertönenden Geniestreich „Burn the Witch“ hätte ich zu gerne headgebangt. Allein die Enge des Raums (mit 180 Leuten inzwischen berstend voll) ließ das nicht zu. - Hinterher schmeichelte ich Gallo, daß Orodruin die ersten mit einer Stimme waren. Der Kopf der Gruppe pflichtete mir stolz bei: „Yes, we got a singer!“
Halb zehn grüßte VOODOOSHOCKs Frontmann Groebel mit zauberischer Stimme „Goedenavond Gent! Wunderschönen Abend, Deutschland! It´s Showtime!“ Für mich das Kommando zum Sturm an die Front! Von nun an würde ich - flankiert vom sonst so introvertierten Psychedoomelic-Márk - durchbangen. Der treibende Doomrocker „Showtime“ also, hatte den Anfang gemacht. Gefolgt vom nicht minder furiosen Cosmicgroover „Fountain of Freedom“. Für das sympathische deutsch-schweizer Konglomerat war es der erste Auftritt seit Doom Shall Rise vor 14 Monaten! Sie waren für die Rückzieher POEMA ARCANUS aufgerückt. Uwe frug, ob es mit dem Sound paßt. Und ja doch: es war geil! Anschmiegsam und mit betörend samtener Stimme schlich die „Lady“ daher. Greili ließ die dicken Saiten über das darunterliegende Pin-up-Girl surren, und Specki trommelte, als hätte es nie eine Abstinenz vom Voodoo-Fetisch gegeben. „Tomorrow´s Bloom“ rockte schwer und sperrig aus den Speakern, und ebnete den Weg für die Doom-Version von Moody Blues´ „Nights in White Satin“. Voodooshock wagten mit der Walze „Lost Confidence“ noch einen Ausflug zurück ins Jahr 1998, zu Groebels erster Combo Naevus, und mit „You Don´t Need to Fear Your Death“ gab es selbst für mich noch etwas ganz Neues auf der Reise zwischen himmelhochjauchzend und todunglücklich. Es war schön, die Männer wieder mal in Aktion zu bewundern. Greili dankte für meinen - wie er sagte: „beeindruckenden“ - Veitstanz vor der Rampe. Irgendwie waren wir heute alle mit der Welt im Reinen, es war einfach phantastisch!
Mit PENANCE erschienen die zweiten vom Doom Shall Rise vor Wochenfrist. Wie Orodruin hatte auch der Trupp aus Pittsburgh, Pennsylvania, sein Programm neu aufgestellt. Der Überhammer „Words Not Deeds“ donnerte gleich zum Auftakt durch die Halle, gefolgt vom stampfenden „Dead Already“ und dem ungestümen „Lost My Way“. Noch immer hielt ich Arm in Arm mit Voodooshocks Greili die Stellung im ersten Sturm. Mit dem als „very personal“ angesagten „Starshine“, mit „Eden Fall“, „Gemini“ sowie „Cold“ folgte neuer und schwer zugänglicher Stoff. (Mit dieser Auffassung ging ich konform mit einem von Penance, der am Vorabend wegen seiner schlechten Meinung zum Neuwerk mit Chef Smail aneinandergerasselt war.) Aber nicht nur wegen der Liederauswahl verscherzten Penance viele Symphathien: Zum einen wirkte Vokalist Balich seltsam aggressiv und frostig; zudem zog die neulich so verführerische Basshexe Bielich mit dem Rücken zum Publikum spielend - nur zu Smail hingewandt - eine sehr kühle Schau ab. Obwohl die Gitarristen Tuite und Roman alles gaben, setzte der Exodus ein: Die Fans verließen das „Frontline“ in Scharen. Auf der großen Bühne von Göppingen hatten die Amis wahrhaft großen Doom gezeigt, bei der kleineren Doomnacht von Belgien wirkten sie dagegen lustlos und blaß. Die Altigkeiten „Crosses“, „Reflections“ und „Words to Live By“ versöhnten etwas. Nach dem regulären Programm wendete Balich sich direkt an die Meute. Sie hatte jetzt die Möglichkeit, eine Zugabe zu bestimmen. Greilinger wünschte sich „Slipping“. Die andere stifteten Penance selber durch das giftige „The Unseen“.
 
Der Flame geht früh zu Bett. Nur hundert hatten durchgehalten. Tourchef Hellweg (Well Of Souls) gesellte sich zu uns. Wir erfuhren, daß „seine Bands sehr kulturinteressiert sind“ (Nürnberg: Reichsparteitagsgelände, Würzburg: Schloß), während der parallel tingelnde Tross (der von Astalosch) „nur am Saufen“ wäre. Wir sollten sie morgen erleben... Vor Hellwegs Tross lag im Anschluß an Gent eine zwölfstündige Busreise nach Berlin ins „Knaack“. Unsere Nacht endete vergleichbar entspannt: bei Trappistenbier im „Veergrep“.
 
 
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((((((Sint Vitus)))))), 15. April 2004
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
ENDOR
(18.00-18.38)
1. To the Moon
2. Endura
3. Lilith´s Embrace
4. Avondrood
5. Sol Mortuus
6. Storm of Odin
7. Eternal
8. Night of Lycanthrope - Nox Irae
 
BUNKUR
(19.08-20.08)
1. Bludgeon
 
ORODRUIN
(20.30-21.11)
1. Creation Through Death
2. Unspeakable Truth
3. Epicurean Mass
4. Ascending Damnation Master, the Tempest is Raging
5. Burn the Witch
 
VOODOOSHOCK
(21.31-22.20)
1. Showtime
2. Fountain of Freedom
3. Lady
4. Tomorrow´s Bloom
5. Nights in White Satin [Moody Blues]
6. Lost Confidence
7. You Don´t Need to Fear Your Death
 
PENANCE
(22.37-0.00)
1. Words Not Deeds
2. Dead Already
3. Lost My May
4. Starshine
5. Eden Fall
6. Gemini
7. Cold
8. Crosses
9. Refelections
10. Words to Live By
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11. Slipping...
12. The Unseen
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