ATARAXIE, OPHIS, MAJESTIC DOWNFALL
D-Nürnberg, Z-Bau (Kunstverein) - 15. Februar 2016
(((O))) Mit Ataraxie und Ophis hatten sich zwei der führenden Death-Doom-Kommandos Europas zusammengetan, um die Zeit zwischen den Festivals im Herbst und Frühling mit einem achttägigen Feldzug durchs Abendland zu killen. Gelenkt wurde die Operation STILL NO SPRING von Roadmaster-Booking, Brasilien, die mit Majestic Downfall einen Vertreter des amerikanischen Kontinents schickten. Mitte Februar stand der Tross in Nürnberg. Der lokale Strippenzieher Sebastian hatte „für so ein Doom/Death-Package an einem Montag ganz vorsichtig mit nur ca. 50 Besuchern“ gerechnet. Er sollte recht behalten. Mit der halben Hundertschaft war der „Kunstverein“ ein Ort zum Genießen mit Raum zum Headbangen. Die einzigen bekannten Gesichter waren die von Blackblood, Mourner und Mitorganisator Boris. Dafür war ein Glatzkopf aus dem spanischen Saragossa vor Ort, der unentwegt in einem Bathory-Shirt im ersten Sturm tanzte, um direkt nach dem Konzert im dekadenten Schal und Kaschmir-Mantel als grinsender Geschäftsmann zu entschwinden. Mangels Einlaßkontrolle hatten ab der elften Stunde auch einige Turteltäubchen mit absolut keinem Interesse am Doom freien Zugang zum Klub...
Der Spähtrupp wäre ein gefundenes Fressen für den eingefleischten Latino-Metallero Krukenberg aus Berlin gewesen. Die 2006 formierten Mexikaner MAJESTIC DOWNFALL kreuzten zu viert, mit ebenso vielen Studioalben, einem fetten Rickenbacker-Bass, langen Haaren und Metalshirts auf den Schultern auf. Dahern, Fernz, Sánchez und ihr Frontmann Córdova präsentierten sich vom ersten Moment an unentwegt headbangend. Ihr überwiegend im mittleren Tempo gespielter Mariachi-Death-Doom versuchte gar nicht erst, Klischees zu meiden, verband sie aber zu einem ehrlichen, brutal-rustikalen Ausflug in die indogene Welt von Sepultura, Brujeria und Procession. Zerschmetternde Riffs trafen auf Chaos, einige Fitzelchen Mystik und eine gewisse Kargheit wie sie die frühen Paradise Lost hatten. Über das Gerücht, die kleinen Männer aus Mexiko seien alemanischen Würstchen und dem Feuerwasser verfallen, legen wir den Mantel des Schweigens. Ihre größte Stärke entfalteten Majestic Downfall, wenn sie die rigorosen, etwas gewollt mörderischen Growls einstellten, und ihre Instrumente in die Vollen gingen. Caramba!
„Wir sind angeschlagen und erkältet. Aber es geht schon.“ Der unter einem schwarzen Piratentuch steckende Frontmann Phil hatte der bekennenden OPHIS-Anbeterin Peanut einen Blick ins Innenleben der Protagonisten eröffnet. Doch er brauchte sich doch gar nicht entschuldigen. Wofür denn? Entschuldigen müßte sich der überforderte Tonmischer. Ausgerechnet bei Deutschlands führendem Death-Doom-Kommando schien die Balance zwischen Gesang und Instrumenten gestört. Und dabei waren Ophis froh, nach acht Jahren wieder mal in Nürnberg sein zu dürfen. Die Norddeutschen hatten mit Ataraxie die Position getauscht und zelebrierten einen Querschnitt aus Früh- und Spätwerken, darunter ein brandneues vom kommenden Langeisen namens „Dysmelian“, welches sie der „verkrüppelten Welt“ widmeten. Dabei brillierten Phil, Olly, Martin und Nils erneut als wirkliche Typen, gute Typen, die einfach killergeilen Doom machen. Ophis waren zum Heulen schöner Lebensschmerz, die Akteure dicht dran, die Apparillos langsam, zurückgenommen und selbstmörderisch tief, darüber thronte gutturaler Nihilismus wie aus der Hölle auf Erden: abgründig! So muß das sein! Die tiefgründigste und monolithischste Gruppe der Nacht schloß mit einem transzendentalen Flashback aus dem Werk 'Withered Shades' von anno 2010. Dabei barsten alle Dämme. So hätte es ewig weitergehen können!
„Darkening your world since 2000“: Dies hatten sich ATARAXIE aufs Fähnlein geschrieben. Der Trupp aus der Normandie hatte sich gegenüber unserem letzten Beisein in Huy 2013 neu aufgestellt, sich von Gründungsgitarrist Esteve getrennt, und dafür zwei Neue, Blutjunge in den Reihen. Damit bestanden Ataraxie 2016 aus Vokalist Marquis, den Sechssaitern Patte-Brasseur, Payan und Gaspar, sowie Schlagzeuger Senecal. Mit einem Gewitter aus vier Gitarren setzte man in Sachen Lautstärke in dieser Nacht noch eins drauf - war allerdings nicht mehr so untergründig, düster und schroff wie in alten Zeiten. Es fehlte etwas an Tiefe und Seele. Speziell Leitgitarrist Fred litt sichtlich unter der Grippe, und stand den ganzen Auftritt unbeachtet von allen im Dämmerschein am Rand. Im Unterschied zu den deutschen Geisteskameraden lebte der Death Doom aus Rouen eher von seinen Wechseln zwischen raserischem Wahnsinn und radikaler Langsamkeit, zwischen aggressiv geröcheltem Englisch und poetisch geflüstertem Französisch, von seiner handwerklichen Virtuosität, und von der starken Präsenz ihres Sängers, der unentwegt seinen langen Blondschopf schüttelte. Ähnlich wie Ophis fuhren Ataraxie heute überwiegend neues, schnelleres, melodischeres, und auch einen Halbton höheres Metal-Material auf. Und wie in einer Parallele zu Ophis, doomte es final durch „L´Ataraxie“ am Mächtigsten. Halb eins wurden die letzten Anhänger aus dem Kunstverein hinauskomplimentiert. Manche schienen tüchtig durch den Wind...
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
MAJESTIC DOWNFALL
(20.30-21.15)
1.+2. unbekannt
3. White Dark
4. Temple of Guilt
 
OPHIS
(21.44-22.34)
1. Somnolent Despondency
2. Pazuzu
3. Dysmelian (neuer, unveröffentlichter Song)
4. The Halls of Sorrow
 
ATARAXIE
(23.00-0.04)
1. Procession of the Insane Ones
2. Dread the Villians
3. People
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4. L´Ataraxie
Nichts ist für die Ewigkeit...
 
... nicht mal in Nürnberg. Nach der verkehrten Welt am Bahnhof mit einem äußerst bedrohlichen Treiben aus Geflohenen, Gesindel und verschreckten Reisenden, mußten wir bei der Ankunft im einst so beschaulichen Hasenbuck (Austragungsort des Doom seit 2004) auch verkraften, daß die monumentale Mauer vorm Z-Bau zugunsten eines kunterbunten, autistischen Kindergartens beschliffen wurde. Und das war erst der Anfang! Bald schon werden weitere Heime und soziale Einrichtungen im alten Kasernenhof das Ensemble der Südkaserne schänden. Daß es im gesamten Viertel Hasenbuck keine deutschen Lebensmittel mehr gibt, hatten wir schon beim letzten Mal festgestellt. Diesmal lagen in unserer Unterkunft Bürgerbroschüren, wonach der von Weite und Natur geprägte Süden Nürnbergs „gentrifiziert“ wird: Ein Geflecht aus niederländischen Heuschrecken und Bauherren „erwarb“ 90 Hektar Land, um ab 2018 zwischen den Dutzendteichen und Hasenbuck einen aus „Modulen“ bestehenden Stadtteil namens Lichtenreuth hochzuziehen...
 
 

((((((Heiliger Vitus)))))), 18. Februar 2016