ASSCHAPEL, THE 244 GL, CAPGRAS SYNDROM
D-Frankfurt am Main, Café ExZess (Keller) - 24. Februar 2006
Unter der Leitidee „Death to False Metal!“ sollte heute mal nicht Punk, sondern Metal das Zepter im „ExZess“ schwingen. Am Ende war alles wie immer: Trotz metallischer Ausrichtung und Thrash von Celtic Frost zum Vorspiel, bekam der Abend seinen gewohnt roten Anstrich. Die achtzig Besucher setzten sich aus Punkern und Studenten zusammen. Die Au-Besetzer waren mit dabei, einige Agit-Offiziere und soziale Utopisten, ein Serienmörderverehrer in „Dahmer“-Leibchen, ein englischer Rucksacktourist, sowie das Mädel mit dem Schild „Jungen-Toilette“ an der Kappe. Überhaupt betrug der •••••• * anteil heute fast 50 Prozent. Alle zusammen mußten sich in Geduld üben, weil in der von der „Dramatischen Bühne“ genutzten Halle das Herzeleid um „Romeo und Julia“ ungestört sein tragisches Ende finden sollte.
Ab 22.28 Uhr durfte endlich gelärmt werden. Aber nicht der angekündigte „Traditional swedish deathmetal straight outta hell“ blies den Staub aus den Lauptsprechern - HËLLSTRÖM entfielen ohne Angabe von Gründen - nein, eine Mutation aus Screamo, Hardcore und Crust war aufmarschiert. Eine Horde aus der Stadt am Main. Aber nicht aus Frankfurt, sondern (wie sie verstohlen zugaben) „aus der Stadt der Engel“ Offenbach. CAPGRAS SYNDROM kamen mit Vivian (Geschrei), Dany (Gitarre/Gegrunze), Marc (Bass/Gegrunze) und Till (Schlagzeug). Treu der medizinischen Bedeutung ihres Namens (Wahnsyndrom mit Personen-Gegenstands-Verkennung), lieferten die Hessen eine diffuse Unordung aus garagigen bis brachialen Instrumenten, etwas Southernpunk Oi! Oi! Oi!, und mal bestialischem Geröchel, mal Nina-Hagen-artigem Gejodel aus der Kehle einer haßerfüllt blickenden Frontpuppe. Völlig paranoid. Völlig krank. Das Ganze gab´s auf Deutsch, Englisch und Spanisch - nachzulesen auf ins Publikum geworfenen Textblättern. Die Lieder trugen Titel wie „The tragedy of being one-self“ oder „The toilet swallowed 75% of your after-life“. Und immer wieder dazwischen: viel ••••••••• motiviertes Bla, bla, bla. Zum Warmwerden spendierte der Tonmischer Wodka. Capgras revanchierten sich mit ´nem Geburtstagsständchen für einen gewissen Utz in Form eines dreisekündigen Schreis. Und noch eine Nummer in Napalm-Death-Manier folgte durch die immerhin zehnsekündige Noise-Attacke „Too short to dance“. Und eine, die zwar „Trés chic“ hieß, dessen Inhalt es aber nicht war. Das „Announcement No 1“ wiederum war (Originalton) „für alle, die denken, besonders Links zu sein. Und dabei nichts anderes sind, als reaktionäre Arschlöcher.“ Ein Appell noch zum Schluß „zum zahlreichen Erscheinen bei der tags darauf steigenden Opernplatz-Demo gegen die Bonzen im Lande“... und - nach langer Diskussion der Männer und Ratlosigkeit der Frau - auch noch die Zugabe „The Toilet Swallowed 75% of Our After-life“. Schlag 23 Uhr war die rote Brigade aus OF durch. Ein Drittel des Publikums - der Freundeskreis - verschwand.
 
In der Pause lief wieder Kultthrash aus den Achtzigern. Mit Sodoms 'In the Sign of Evil' und 'Obessed by Cruelty'. Original und fast bis zum Ende abgespielt! Skurril. Doch das perfekte Vorspiel...
Kampf herrschte auch bei THE 244 GL aus Göttingenoldenburgweimar - die sich einen anderen Gruppennamen ausdenken sollten. Denn was nun durch die Grotte rappelte war - mein alter Herr möge es mir verzeihen - kein Volvo für DDR-Bonzen, sondern so was wie das kingsche Mörderauto „Christine“. Christine auf 240 Stukis! „Death Reggae“ und „Skullcrushing Thrashmetal“ nennen Hanna, Olli, Mark, Benni und Hennes ihr Ding. Noch eine starke Frontfrau - und wie ihre Vorgängerin ohne Scheu vor vollem Körpereinsatz. Mit unsexy raspelkurzen Haaren zwar, aber ••••••• ••••••••• ausgestattet. Und das Wichtigste: mit aggressiv-morbidem Röchelgesang ausgestattet. Zur Untermalung ratterten knallharte Riffs und mächtige Bässe durch die Speaker. Fabriziert von Männern mit Mörderkotelleten und prallen Gesten. Die 244er kamen wie ein Mutant aus schmutzigen AC/DC, rasenden Iron Maiden und rüden Napalm Death daher. Wobei der Grind-Anteil klar dominierte. Und einige Sigue-Sigue-Sputnik-Versprengsel hatten sich wohl auch ins Krachgewand geschmuggelt. Liedtitel konnte ich nicht genau raushören oder, besser gesagt, sie wurden von Rückkopplungen geschluckt. Eins hieß „If Armaggedon Comes It Will Be Hosted By Me“, in einem anderen ging´s um eine „Männerzeitschrift“. Wie auch immer: Das Ex war begeistert und erste Headbanger wurden gesichtet. In der Verlängerung gab´s einen crustigen Aufruf zum Tanz, der den Trommler zu einer waghalsigen Balance-Aktion auf dem Drumrack animierte. Um Mitternacht hatten The 244 GL ihre vierzig Minuten voll. Hanna klappte das Liederkästchen mit „So, jetzt reichts, bei mir piept´s schon, bei euch sicher auch“ zu.
 
Danach wurde der Keller mit Black Metal beschallt. Einer der 244-GL-Männer präsentierte beim Dresswechsel sein allumfassendes Rückentattoo, ein Meisterwerk! Und ein Punk verteilte aus einer Papiertüte ritzegrünen Fruchtgummi. Ich lehnte ab.
Punkt 0.35 Uhr - unser letzter Bus setzte sich gerade in Bewegung - kamen die Letzten in Schwung. „Thank you for coming out. Thanks to the bands - they were excellent. We are ASSCHAPEL from Nashville, Tennessee!“, lautete der Salut zur späten Stunde. Das Verharren hatte sich gelohnt! Jenseits der Bühne mit grausigem Kurzhaar noch die Aura schalem Biers verströmend, mutierten Erik, Dallas, John und Chris auf selbiger zu Höllentieren mit Metal im Blut! „Assripping Thrashmetal“ vermeldete das Ex-Flugblatt für die Kapelle aus Amiland. Asschapel waren mehr. Sie waren die Auferstehung der Endachtziger. Einer Zeit, als der geneigte Thrasher selbst in Frankfurt seine Renner mehrmals wöchentlich in echt erleben durfte. Lang ist´s her. Aber Asschapel lassen mit ihren Alben 'Total Worship' und 'Fire and Destruction' den alten Geist aufleben. Gleich das Titelstück des Erstlings ließ keine Frage offen. Denn es ging mit einer turbulent hämmernden Batterie, schreddernden Gitarren und barbarisch herausgekeiften Tiraden ab. Unterstützt wurde das von wildem Headbanging und absurden Gitarrenposen nonstop. Es war eine Urgewalt, die sich vor uns aufbaute. Ein Sperrfeuer, das von keiner der aktuellen Metal-Pussys geknackt werden konnte. Wobei der spindeldürre, in Judas-Priest-Hemd steckende Vokalist vor schierer Energie - auch im Mosh-Kreis! - zu kollabieren drohte. Weshalb er sich nach Nummer vier zur eigenen Sicherheit einbremste und fortan auf Ansagen verzichtete. Ab sofort gab es für die angefixten Partysanen grandiosen „Highspeed Thrash Groove“ galore, ungefilterten, frenetischen Thrash voller Haß und Nihilismus pur. Es ging um Terror, Gewalt und Krieg. Wie im sarkastischen „Satanation“ oder in „Godwhore“. Schade, daß nach einer halben Stunde mit „Lucid Fire“ bereits Schluß war. Einfach, weil sich der Frontmann total verausgabt und ihn die Heiserkeit eingeholt hatte. Zu einer letzten Mörsergranate konnte Frankfurt ihn noch überreden. Dann war´s endgültig vorbei. Die Nacht endete um 1.10 Uhr mit einem Bombenschlag.
 
Mangels Nachtkneipe war für den Absacker eine Schänke mit griechischem Namen ausgespäht - die sich beim Betreten als Türkenlokal entpuppte, in der zwei Dutzend alte osmanische Unterweltkönige Tee tranken und an riesigen Wasserpfeifen sogen. In der zweiten Stunde lud uns der Nachtbus zuhause ab.
 
 
Heiliger Vitus, 28. Februar 2006
 
 

Zensur
Namen und Inhalte wurden zum Teil zensiert.
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
CAPGRAS
1. Metabolism
2. The tragedy of being one-self
3. spanish
4. ?
5. Too short to dance
6. Menschmaschine
7. After hope
8. Tres chic
9. Announcement No 1
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10. The toilet swallowed 75% of our after-life
 
ASSCHAPEL
1. Total Worship
2. The Battle-Axe
3. Carcass, Bloody Carcass
4. Four More Words
5. Fire and Destruction
6. Satanation
7. Godwhore
8. Lucid Fire
9. Sagit
10. Barbarianz
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11. Serpant
12. The Blessed and the Wretched
13. Follow the Fist