ARALEZ, DEAD MYRICK
D-Dresden, Ostpol - 11. Januar 2024
Auf der Suche nach spätabendlicher Freude war ich im CyberSax auf das Konzert im Ostpol mit Aralez und Dead Myrick gestossen. Die Heavyrocker Dead Myrick kannten wir. Und Hörproben von Aralez versprachen dunkle Melancholie. Damit stürzte ich mit Frau Peanut holterdiepolter in ein neues Abenteuer... Bei Kälte wie am Südpol hatte es fünfzig Leute in den Ostpol, die schummrige, alte Villa neben der Schauburg verschlagen. Dort war alles beim Alten, so wie in der DDR der Sechziger- und Siebzigerjahre. Abgewetzte Dielen und Tapeten, klapprige Glastüren, Bolleröfen, Sessel und verschiedenste Relikte zeugten von einer untergegangenen Zeit. Einzig die Gerstensäfte „Elbhang Rot“ und „Neustadt Hell“ waren versiegt: Ein Miethai und Corona, die Pest der neuen Zeit, hatten die kleine Hausbrauerei Schwingenheuer von nebenan kaputtgemacht. Statt „Lenins Hanf“ strömte heute Pilsner Urquell aus unserm böhmischen Nachbarland in den Humpen. Nach sechs Jahren wieder mal im Ostpol: Es war wie ein Nachhausekommen!
Den Auftakt an diesem Donnerstagabend machten DEAD MYRICK, die Gruppe des Elbsludgebookers Freedo. Mit „The Beast“ und „Adenower“ stiegen sie mit zwei Liedern ein, die ich von ihrem Auftritt 2019 in der „Chemo“ kannte, und die mir deutlich entschleunigter, fast stonerrockig vorkamen, als damals in der Supportrolle für Dopelord. Die Queens of the Stone Age ließen grüßen! Doch gleich beim dritten Lied, „Kropotkin's Beard“, ging´s zur Sache, wurden Motörheadbanger im Fünfminutentakt in die Meute gebelfert. Franz, Hacku und Freedo hatten offenkundig Freunde mitgebracht, die sich gut mit dem Liedmaterial auskannten. Das Hinterzimmer des Ostpols war zumindest hübsch aufgefüllt. Freedo tobte sich sich kreativ aus, und die Meute durfte sich begeistert an jedem Lied, jedem Detail, jedem Zitat und jedem Unsinn erfreuen. An einer Anstiftung zum Circle Pit (oder einer Polonaise) ebenso, wie an einem Gruß „für alle Freunde des gepflegten Doomes“ in Form des Hellhammer-artigen „Arise“ (den Doom-Moment lieferte später Hacku mit einem Gitarrensolo), oder auch an Dialogen der Art: „Spielt doch mal was von Motörhead!“ - „Jetzt wart´s doch mal ab und hör´s dir an!“ Womit die Zugabe eingeläutet war. Hier fräste sich das Powertrio aus Dresden zunächst durch Johnny Cashs „Folsom Prison Blues“, die schnellste Nummer der Nacht. Und final durch eine Weltneuheit namens „Icecold Pivo“. Was zunächst wie eine Räuberpistole aussah, hatte auch eher nachdenklichen Menschen richtig Laune gemacht! Ein Höhepunkt gleich zum Einstieg ins neue Jahr! Nach der Schau verscherbelten die Jungs ihren liebevoll aufgemachten Digipak-Silberling für fünf Euro...
Der Name des zweiten Rudels hatte einen mythischen Hintergrund. Einer armenischen Sage nach sind Aralez geflügelte Hunde, die in Schlachten Verwundete heilen, indem sie ihre Wunden lecken. Auf die Weise können Aralez sogar Tote wieder zum Leben erwecken. Als ARALEZ das Podium bestiegen und die ersten Zeitlupenriffs zu „Song of Funerals“ erklangen, flogen die Funken zwischen uns sofort. Das 2012 in Dresden gegründete Quartett orientierte sich optisch stark am melancholischen Dark Metal der frühen Neunzigerjahre. Mit ihren langen Haaren, der schwarzen Kleidung, der zurückgenommenen Gestik und Mimik, und einer riesigen Orgel, atmete es den Spirit von Gruppen wie The Devil's Blood, Theatre of Tragedy oder auch Type O Negative. Nachdem die Bühne bei Dead Myrick in Blutrot getaucht war, versank sie nun in tiefem Blau. In der elften Abendstunde entrollte sich ein Geflecht aus gotischen und doomigen bis metallischen Elementen - gruftig und schwarz wie Schnee, es ging durch und durch. Dafür war der Ostpol viel zu klein. Ich stellte mir Aralez auf einem überhöhten Geviert mit Nebel und dunklem Gelichter vor. So durften wir hauteng erleben, wie Margarita Zakaryan fern ihrer Heimat einer einsamen, ausgehungerten Wölfin gleich mit ätherischer Sehnsuchtsstimme litt, und wie sich ihre Männer - der zwischen Vier- und Sechssaiter changierende Ralf Heidenreich, Keyboarder Stefan Peter sowie Trommler Martin „Lord Skull“ Krell - manisch headbangend in einen wahren Rausch lavierten. Das Publikum konnte gar nicht genug bekommen von der Magie dieses Rituals Nach einer Stunde entstaubte die Armenierin das vorletzte Musikwerk mit den Worten: „Es ist schon so alt. Da war ich noch ein Baby, als ich das gesungen habe.“ Jemand rief: „Macht nichts! Wir sind alle schon alt!“ Nach „Doom of War“ folgte mit „Beauty of the Dark“ eine weitere Zugabe - ein letztes schwarzes Juwel. Dieses Konzi war eine Liebeserklärung an die Nacht, die Freiheit, die Liebe, den Exzess und die heilende Kraft des DOOM! Im Anschluß wechselten Shirts und Silberlinge den Besitzer. Nachti, Dresden!
 
 
((((((Heiliger Vitus)))))), 14. Januar 2024
.:: ABSPIELLISTEN::.
 
DEAD MYRICK
(21.00-22.00)
1. The Beast
2. Adenower
3. Kropotkin's Beard
4. Straight Lines
5. Dog on a Cross
6. Breathe the Fire
7. Seattle 77
8. Electrical Madness
9. Arise
10. Subject #420
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11. Prison Spades
12. Icecold Pivo
 
ARALEZ
(22.18-23.23)
1. Song of Funerals
2. Sanity
3. Shameless
4. Slave's Illusion
5. 13.11
6. For the Victims
7. Doom of War
8. Beauty of the Dark
Titelbild des Monatsfliegers