TRUCKFIGHTERS, SAMAVAYO
D-Frankfurt am Main, Zoom - 25. Februar 2024
Ohne die Wachsamkeit meiner Sekräterin hätten wir dieses Konzi verpaßt, wären statt nach Fechenheim in die Innenstadt gegondelt. Peanut hatte die neue Anschrift auf den Eintrittskarten entdeckt und geäußert, der Weg sei genauso weit wie nach Hofheim am Taunus... Vor zwei Jahren war der Zoom-Club vom Stadtzentrum in den Osthafen umgezogen, und residierte nun zwischen häßlicher Industriezusammenrottung jeglicher Art im futuristischen Bürohaus U.F.O. - wo er die Räume des Techno-Tempels „Cocoon“ wiederbelebte, und mit SAAL, CLUB, BAR nebst diversen Relaxzonen wohl eine der modernsten Eventlokationen Deutschlands ist. Vergebens suchte man in all dem Glas und brutalen Beton indes nach Atmosphäre oder gar Magie. Heute glich der 500 Personen faßende CLUB einem endlosen Schlauch mit einer zentralen Bar ähnlich einer Insel. Die Bühne stand an der Stirnseite und war rechts mit einem Vorhang abgehängt, sodaß nur die schmale Frontreihe freien Blick aufs Geschehen genoß. Die übrigen vierhundert standen entlang des Tresens und der Händlerstände bis fast hinaus in die angrenzende BAR, von der es zu den WCs ging (zwei für die Frauen, vier für die Männer...). Gewaschen hatten sich ferner die Preise: Neben der Karte für dreißig Euro waren fürs kleine Bindingbier 4 Euro 50 zu blechen, Apfelwein kostete fünf, Longdrinks elf Piepen. Hochprofessionell waren allerdings die Licht- und Tontechnik! Daß man in puncto Genre beim Stoner Rock nicht auf Tiefgang setzen sollte, sei nur am Rande erwähnt. Der würde den Sinn nur stören. Also, Fuzzsüchtige: Hirn aus, Bier her und einfach einen schönen Abend haben!
2022 in der „Chemo“ Dresden hatten wir SAMAVAYO aus Berlin in einem grundverschiedenen Ambiente erlebt. Statt auf zugestonerte Langhaarige trafen die Voland-Brüder Andreas und Stephan nebst Sechssaiter und Sänger Behrang Alavi heute auf Hipster, Desertfest-Gänger und versprengte Eintracht-Anhänger, die nach der Heimschmach gegen Wolfsburg noch nicht genug hatten. Und statt Helden waren Samavayo heute nur Kanonenfutter für gepuschte Schweden. An der Ehre kratzte zudem ein stark verkürztes Set. Mit „Hate of Thousands“ begann der Auftritt schön roh, dunkel und explosiv. Wurde aber schon beim zweiten Lied nachdenklich und zeigte, wie sehr der eigene Hintergrund und die kaputte Welt auf die Musik abfärben können. Fronter Alavi untermalte diesen Punkt, indem er ambivalent zwischen Trauma und stoischer Coolness pendelte. Nach „Talagh“ sang er mit „Vatan“ ein zweites Lied auf Persisch, welches er den kämpfenden Frauen in der Heimat widmete. Anschließend ging wieder Stoner Rock pur ab, kopulierten helle Vokale mit hemmumgslosen Bässen und klimperndem Schlagzeug. Wahnwitzig wie in einem Exorzismus rotierte der Trommler seinen Kopf. Dazu strotzte Bassist Andi vor grundsympathischer Schüchternheit und dem Geständnis, die Truckfighters nach zwanzig Jahren und zig Kontakten mit Fuzzorama Records noch nie in natura erlebt zu haben. Das schnelle „Running“ schrien Samavayo gemeinsam in die Menge. Einzig das Mitsingspiel „Rollin´“ blieb Geschmackssache. (Ebenso Alavis seltsame Nachahmung der Truckfighters bei deren Auftritt im Kreise seiner Freunde oder Spione.) Nichtsdestototz waren Behrang, Andreas und Stephan auch bei unserem zweiten Besuch ein bis auf die Knochen ehrlicher, klasse eingespielter Dreibund. Heute wurden wir schon nach fünfundvierzig Minuten in die Wüste entlassen...
Gleich nach Samavayo richteten die TRUCKFIGHTERS ihre Apparillos - Mr. Dango dabei in grauem Wollpulli und roter Boxerhose mit Klebeband seinen Gitarrengurt fixierend - um gleich wieder zu verschwinden... und eine geschlagene halbe Stunde später neu aufzutauchen. Nach manchen Pfiffen startete um 21 Uhr 15 ein Spektakel. Dango erschien nun in einem schwarzen Nicki, welches er sich noch vorm ersten Riff vom Leib riß und in die Menge warf - um lediglich mit Boxerhose bekleidet wie von der Tarantel gebissen durch ein Seilgeviert zu springen, zu rennen oder zu fliegen. Derweil der voll austrainierte Bassist und Sänger Ozo die wilden Mätzchen kühl aus stechend blauen Augen verfolgte; und El Danno als inzwischen zehnter (!) Trommler eher von einem Elch geknutscht schien... 'Gravity X', die Verbindung der flammenden Melodien von Kyuss mit der spacigen Eingängigkeit von Dozer, war 2005 ihr Eintritt in die A-Liga des Stoner Rock. Der Zweitling 'Phi“, eine Orgie aus Queens of the Stone Age und treibendem Desertrock, fügte psychedelische Facetten hinzu. Und anderthalb Dekaden später entfachten die Tre Kronor ohne viel Chichi ein neues Feuerwerk in echt. Was mit „In Search of (The)“ am Rande des Wahnsinns begann, wurde nach und nach zu „dance friendly songs“, wie Ozo die neue Offengeistigkeit nannte. Doch nicht zuletzt durch abrupte Riffattacken und irre Mimik drehten die Aktionen von der ersten bis zur letzten Sekunde frei! Alles war einen Gang höher geschaltet, rumste und krachte, massive Trossen knallten auf funkig klappernde Trommeln. Truckfighters lupenreiner Heavy Stoner Rock brodelte nur so vor erdigen Verzerrungen, pfeilerrammender Intensität und melodischer Anmut. Verehrer von Kyuss und Queens of the Stone Age tanzten in heller Verzückung bis zur finalen Überdosis: ihrem allerersten und besten Stück - dem hypnotisch hupenden „Desert Cruiser“. Halb elf ging das Licht an. Der klitschnasse Dango und Ozo signierten unsere Karten, und Peanut und ich machten als einige der Letzten die Mücke aus dem U.F.O.-Gebäude.
 
 
Heiliger Vitus, 27. Februar 2024
.:: ABSPIELLISTEN::.
 
SAMAVAYO
(20.00-20.45)
1. Hate of Thousands
2. Intergalactic Hunt
3. Talagh
4. Vatan
5. Afghan Sky
6. Transcend! Exceed!
7. Running
8. Sirens
9. Rollin´
 
TRUCKFIGHTERS
(21.15-22.24)
1. In Search of (The)
2. Last Curfew
3. Manhattan Project
4. The Chairman
5. Kickdown
6. Gain Speed
7. Monte Gargano
8. Desert Cruiser