ANNE WYLIE BAND
D-Bad Wildungen, Wandelhalle - 11. Januar 2014
Mitten in eine der schwersten Belastungen meines Lebens fiel die 'Deep Waters'-Tour von Anne Wylie. Höhere Gewalt hatte mich zu vermeintlichen Geistheilern und der Wiedergewinnung der Kraft in die kurhessischen Wälder verdammt. Aber auch Varg Vikernes kam wieder frei, und Anne Wylie schenkte mir mehr als nur ein Licht in der Ferne. Dabei war es eine glückliche Fügung. Im lokalen Blätterwald war ich auf das Konzert gestoßen. „Mythen von der Grünen Insel“ hatten sie versprochen. Unter mondklarem Himmel hatte ich mich auf den Weg durch den Wildunger Wald gemacht, und mit Beginn der achten Abendstunde die Wandelhalle im Tal des Hombergs erreicht. Spärliche Lichter zeigten den Weg vorbei an gläsernen Wandelgängen zu einem thingartigen Vorplatz mit dem Eingang in einem Säulenrund. Für 16 Euro wurde dem Gast eine Karte zum Konzert gedruckt. Man flanierte durch eine marmorne Halle... vorbei an einer Wasserwand... und trat in den Quellensaal, der mit seinen Emporen fünfhundert Menschen faßte. 260 wollten der Frau aus Irland lauschen. Bildungsbürger aus dem Waldecker Land trafen auf gutsituierte Kurende und deren Begleiter. Das Bankett war bestuhlt. Doof nur, daß im todschicken Ambiente die Bar nur vor der Schau, in der Pause und nach dem Konzert öffnete. Zweihundert in einer Schlange: Das war wenig feierlich... Es wurde Sekt gereicht, jemand hielt eine Laudatio, und halb acht verlosch das Licht...
Ein ganzes Arsenal von Gitarren, Streichern, Trommeln und Flöten zierte die Bühne. Die in grüne Seide und Stulpen gehüllte Frontfrau erschien. Zwei schüchterne Männer in schlichter Kluft folgten ihr. Zusammen waren das Anne Wylie (Gesang, Djembetrommel, Flöte), Henrik Mumm (Bass, Kontrabass, Cello) und Uwe Metzler (irische Bouzouki, Resonatorgitarre und E-Gitarre). Es war die Welt der Sagen und Mythen, in die uns Anne Wylie mit ihrer im Süddeutschen beheimateten Gruppe entführte. Die Reise begann am Meer. Eine berauschend helle, elfenhafte Frauenstimme verschmolz mit einfühlsamen und zugleich kraftvollen Saiteninstrumenten zum „Sandragon“. Frau Wylie erzählte mit kauzigem Humor die Geschichte zu jedem Lied. Demnach handelte das zweite von einem potentiellen Mord. Eine Frau tötete eine Frau, und das Stück hieß „Bean Pháidín“ - geisterhaft gefolgt von „Grey Silkie“. Die ersten Gefühle wallten beim ergreifenden „Deep Waters Blue“. Einer ertrunkenen Schönheit wird darin durch den Kuß eines Fischers neues Leben eingehaucht. Mit den „Bonnie Swans“ schloß sich eins zum Träumen und zum Fürchten an. Eifersucht, Tod und Wiedergeburt waren die Themen. Es ging um einen Schwesternmord. Die ältere stieß die jüngere ins Wasser. Aus deren Haar entstand eine Harfe. Von Wehmut und der Sehnsucht nach Einsamkeit im irischen Westen erzählte wiederum der „September Bird“. Damit endete das erste Kapitel. In der Pause mischten sich der Gitarrist und Frau Wylie unters Publikum. Ich erstand den Tonträger zum Konzert. Miss Wylie schlitzte die Hülle mit den Waffen einer Frau - ihren Fingernägeln - auf, und alle drei setzten ihr Autogramm drauf. 20.53 Uhr wurde das zweite Kapitel mit vier Oden in gälischer Sprache aufgeschlagen. Gleich die ersten beiden waren von unberührbaren Dimensionen. Das von einer geheimnisvollen Mystik getragene „Aililiú na Gamhna“ machte den Anfang. Wylie riß ein Träger des von der Mama genähten Bühnenkleids. In dieser Mischung aus Intimität und Humor folgte „Uisce“. Doch „Uisce“ (zu deutsch Wasser) war ein Gebet für die Erde. Und was für eins! Vom Christentum und der Verchristung der keltischen Ahnen handelte wiederum „Gabhaim Molta Bríde“, und „Open the Door“ stand für eine wunderbar boshafte Romanze mit einem Mann voller finsterer Absichten. Das ganze Gegenteil kam in Form von „Silver Apples of the Moon“ daher. Die „Silver Apples of the Moon“ läuteten das phantasievolle Finale ein. Es war ein Kaleidsokop voller Sonne und Farben und Nebeln und von Frau Wylie am Eindringlichsten angepriesen. 21.43 Uhr ging das Licht an, die drei nahmen sich eine Pause, und kamen noch mal raus. Ein altgälisches Brauchtumslied aus einer Zeit, in der man wenig hatte - außer sich einander! - beschloß um zehn die Reise und bildete einen würdigen Abschluß unter eine Saga aus einer anderen Welt.
 
 

Heiliger Vitus, 16. Januar 2014
ABSPIELLISTE ANNE WYLIE BAND
(19.35-21.58)
1. Sandragon
2. Bean Pháidín
3. The Grey Silkie
4. Deep Waters Blue
5. The Bonnie Swans
6. September Bird
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7. Aililiú na Gamhna
8. Uisce
9. Gabhaim Molta Bríde
10. Silver Apples of the Moon
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11. Open the Door
12. Peata Beag