WALL OF SLEEP, DOPPELBOCK
D-Frankfurt am Main, Jugendhaus Hausen - 31. Mai 2005
Anfang des Jahres hatte ich eine Nachricht des Ungarn Gabor Holdampf in meinem Mailfach entdeckt. Ob ich Wall Of Sleep was in Frankfurt machen könne... Viereinhalb Monate und zig digitale Depeschen später, standen die Nachfahren der Doomrocker Mood zwischen Mechelen, Strasbourg und Jena auf hessischem Boden. Nicht vor einem der hochmütigen Szeneklubs, sondern grünwärts in den hundert Quadratmetern einer ehemaligen Bauarbeiterbaracke auf dem Brentanogelände, dem jetzigen Jugendhaus „Lula 338“ Hausen! Neben den Ungarn war eine zweite Gruppe dabei, die die Technik mitbrachte: Bad Homburgs Punkrocker Doppelbock. Sie kamen aus zwei Welten, verstanden sich aber trotzdem. Alle zusammen erwartete ein turbulenter Abend, an dem getrunken, gefeiert und headgebangt wurde, bis der Doktor kam... Der Eintritt kostete sieben Euro. Fünfzig Leute fanden sich ein, darunter Klubbetreiber Jochen, die Freundescliquen von Angst und Soleïlnoïr, ein Schreiber der Neuen Presse, einer vom Nidda-Bote, Anglerheimwirt Staff, aber auch ein aggressiver Angler von der Nidda. Nach Tagen sengender Hitze konnte man sich heute in einem geschlossenen Raum aufhalten - oder auf der Wiese Grillgut vernichten, wie es zwanzig Weitere taten. Direkt nach unserer Ankunft gesellten sich der fließend Deutsch sprechende Gabor und Gitarrist Sandor zu Peanut und mir. Wir sinnierten über Doom und Wino, und Gabor grummelte über die Plattenfirma Psychedoomelic, die das neue Album 'Sun Faced Apostles' nicht rechtzeitig zur Tour fertig hatte. Damit standen Wall Of Sleep ohne Tonträger und Shirts da. Mit kräftiger Verspätung ging´s halb zehn in der Lula los.
Nicht wie geplant als Nach- sondern als Vorhut agierten DOPPELBOCK. Damit war mir auch der zu „Disco Bop“ umgedichtete „Blitzkrieg Bop“ der Ramones draußen mit Gabor quasselnd entgangen. Drin in der Lula wurden wir von kämpferischem Garagenrock empfangen. Doppelbock skandierten: „Keine Angst, wir werden siegen heute nacht. Keine Angst, wir werden kämpfen heute nacht. Keine Angst, sie werden fliehen vor unsrer Kraft. Keine Angst, wir werden saufen ohne Hast.“ Speckbetrüger Kling, Ladendieb Assinger, Kidnapper Straxel und Heiratsschwindler Mandingo Hess droschen der Meute Spaß, Sex und Bier um die Ohren. Neben deutschen Liedern wurden Geschichten aus Klings spanischer Heimat erzählt, wie „Hijoputas“ (Schweinehunde) oder „Quedate“ (Bleib hier). Dazu war rituelles Kampftrinken angesagt. So zwang der Frontmann etwa vor „Korn und Karlsquell“ noch rasch einen trinkenden Gegner untern Tisch: „Wir wollen Stimmung machen für unsere Kollegen aus Ungarn.“ Und das mit Tequila. Doppelbock gaben einen Fuck auf den Mammon und vermeldeten, daß es „scheißegal ist, ob wir vor fünfhundert, vor fünfzig oder vor fünf Leuten spielen.“ Doppelbock waren aus Freude gekommen! Der Rasselpunker „Ich schieß mich tot und haß euch alle“ unterstrich das. Zehn waren am Dauerpogen. Nur der radikale Angler verließ wütend das Haus: „Das ist doch keine Musik, das ist Geschrei!“ Darauf einen Tequila! Bei all dem Witz um die Dinge des Lebens war der Auftritt von Doppelbock auch durchtränkt von Melancholie. „Wenn du bei mir bist“, ein Lied über einen seit zehn Jahren pillenabhängigen Freund der Gruppe, war eins davon. Doppelbock ließen die Hymnen „Ich will sie alle“ und „Gott“ von der Leine, und weil alle so vehement darum flehten, gab´s Zugaben. Während sich eine Dame auf der Tanzfläche ihren Fußverband neu wickelte - um darauf Karate zu demonstrieren -, sang Harald mit einer Blondine eine Nummer fürs schöne Geschlecht: die „Faltencreme“. Es gab „Elvis“ und „Banane“, und nachdem Gabor mir seine Achtung für den Sechssaiter ins Ohr geraunt hatte, war der Punk durch. Die Böcke waren geil, und es wurde spät. Aber halb zwölf mußte Schluß sein!
Vom Himmel in die Hölle (manchen der Himmel auf Erden): Nachdem die Geister durch den Punk erst ins Delir gebumst wurden, sollten sie nun eine völlig neue Erfahrung machen. Die vierzig Ausharrenden rieben sich verwundert die Augen, als Gabor Holdampf, Sandor Füleki, Balazs Kemencei, Barnabas Preidl und Szabolcs Szolcsanyi sich aufmachten, Rödelheim zu doomen! WALL OF SLEEP waren die erste Doom-Gruppe, die sie in ihrem Leben sahen. Langsame, tiefe Trossen, wuchtige Bässe, polternde Trommeln, anfangs brütend zäh, dann etwas hurtiger (jedoch nie euphorisch!), dazu ein beseeltes dunkles Timbre fern des Lichts: so schob sich „Far Away from Sunrise“ durch den Raum - und mich händefaltend vom Diesseits hinüber zum Planet Doom. Fünf manische, leidenschaftliche Magyaren waren nicht gerade wenig für die provisorische Bühne auf ebenem Boden direkt vor den Leuten. Doch diese Horde hielt nichts in Starre. Vielmehr bogen, dehnten und headbangten die Männer nach Herzenslust. Besonders der langhaarige Kemencei, der mir unentwegt die Riffs zuspielte. Auch in der Meute soll die Luzifera mächtig abgegangen sein. Einer Dame sei fast die Brust aus der Bluse gefallen. Voller Wehmut und getragen von pulsierenden Wah-Wahs im Saint-Vitus-Stil schlängelten sich die „Ornaments of Heaven“ aus den Speakern, um mich in noch tiefere Hingabe zu stürzen. Nicht minder gewaltig killten die „Hands of Dust“. „Diese Musik ist langsam!“, klärte Holdampf die Staunenden auf. Doch es ging auch spiritueller, so wie es früher die Hippiedoomer Trouble taten. „On Pain of Birth“ und „Time of the Goblins“ standen für diesen Stil. Und für den „Heiligen Vitus“ gruben Wall Of Sleep einen ganz dunklen Schatz aus, eine Altigkeit von Black Sabbath (von deren Titel „Beyond the Wall of Sleep“ sie übrigens ihren Bandnamen haben): „Under the Sun“. Dabei sollte der große Streich noch folgen. Denn „I Sleep“ warf ernste Fragen nach den wahren Königen des Doom Metal auf. „I Sleep“ war ein allgewaltiger Malmer, die pure Magie des Doom! Tausend Köszönöm dafür, ihr wahnsinnigen Wall Of Sleep! Mitternacht war alles vorbei.
Zum Aufbruch ein Gruppenbild und Komplimente: Olaf von Angst hatte die ganze Zeit gedacht, es seien die Ungarn, die sich ein Knobi-Mäntelchen übergestülpt hätten - und erkannte erst zur Geisterstunde den bösen Onkel... Und Jörg von den Düstermetallern Soleïlnoïr bescheinigte, daß ich Frankfurt mit Wall Of Sleep Perlen vor die Säue geworfen hatte.
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
DOPPELBOCK
(21.30-22.30)
1. Disco Bop
2. Doppelbock ist wieder da
3. Hijoputas
4. Alles so schön bunt
5. Englisch
6. Star
7. Korn und Karlsquell
8. Ich schieß mich tot und haß euch alle
9. Ich will sie alle
10. Ist alles in Ordnung?
11. Quedate
12. Blume
13. Wenn du bei mir bist...
14. Gott
15. Reggae
16. Doppelbock
17. Faltencreme
18. Elvis
19. Banane
 
WALL OF SLEEP
(23.00-0.00)
1. Far Away from Sunrise
2. Sun Faced Apostles
3. Ornaments of Heaven
4. On Pain of Birth
5. Hands of Dust
6. Time of the Goblins
7. Under the Sun [Black Sabbath]
******
8. I Sleep
Nachhall
...... Die Rödelheimer und Hausener Asi-Szene vernichtete 15 Paletten Bier, also 300 halbe Liter.
...... Klubchef Wöhle ließ durchblicken, daß ihm „Wall Of Sleep mit ihrem düsteren, satten Sound richtig unter die Haut gegangen sind. WOS waren das Beste, was wir je in unserer Hütte hatten.“
...... WOS planen im August 2005 eine neue Deutschlandtour - mit den US-Labelkollegen Debris Inc. und keinen Geringeren als Dave Chandler (Saint Vitus), Ron Holzner (Trouble) und Jimmy Bower (EyeHateGod). Wall Of Sleep würden gerne wieder nach Rödelheim kommen. Wir schmiedeten Pläne von einer Freiluftschau des Doom! Lula 338, wohin soll das führen?
 
 

SLOW BUT NOT DEAD: Heiliger Vitus und Peanut, 5. Juni 2005