THE MIDNIGHT GHOST TRAIN
D-Frankfurt am Main, Neglected Grassland - 11. Juni 2015
Anstoß für diese Exkursion nach Frankfurt war eine Empfehlung der Plattform „Bandsintown“. Der heutige Donnerstag vermeldete The Midnight Ghost Train im Club-Café „Neglected Grassland“. Beide Namen hatte ich noch nie gehört. Das Netz lieferte einen Konzertmitschnitt aus dem „Feierwerk München“ 2014, wo das Trio aus Kansas, USA, unter ekstatischen Verrenkungen einen hochenergetischen Mix aus Stoner Rock und Stoner Doom performte. Jeder Titel wurde von esoterischem Drone eingeleitet. Nichts wie hin!... Der Schauplatz verbarg sich im „Sandhofpassage“ genannten Tunnel vom Liebfrauenberg zum Kornmarkt mitten im Zentrum der Mainmetropole. Hier residierte einst Frankfurts edelster HiFi-Dealer „Raum Ton Kunst“, dort erwarb ich 1988 meine bis heute in Dienst stehende Anlage. Nebendran befand sich die Schwulenbar „Liliput“, später Cocktailbar „Le Bar“ - bis diese leer stand und vom Subkulturen-Zamapano Hans Romanow wiederentdeckt wurde. Holz in matten Brauntönen, roter Samt, goldene Borden, exquisite Lampen, eine verspiegelte Wand hier, ein riesiger Spiegel da, ein gemischtes Klosett: Bis auf den von „Le Bar“ zu „Le Bau“ umstilisierten Schriftzug hatte sich nichts verändert. Das „Neglected Grassland“ (deutsch: Brachliegende Weide) versprühte das gleiche hedonistische Ambiente wie vor dreißig Jahren. Heute vergeistigten sich bei puffriger Dampfluft in der Garten-Oase im Innenhof fünfzehn Leute, ebenso viele waren es in der Bar, wo der Apfelwein mangels Kühlung mit Eis aufgefüllt wurde, zu „Ebbelwei on the rocks“ sozusagen. Am Tresen lehnte der ehemalige Bassist von Damage, die wir jüngst im „Bett“ erlebten. Ferner entspannten sich im Garten vier Damen in Blazer, die mit den ersten Liveklängen fluchtartig davonstöckelten... Als „Get-in“ war 20 Uhr vermittelt, als „Start Sharp“ 21.30 Uhr. Es wurde später...
Als THE MIDNIGHT GHOST TRAIN um 22.05 Uhr ihren „Kick-off“ zur 'Cold Was The Ground'-Tour bestritten, platzte das winzige Barmilieu mit dreißig Leuten aus allen Nähten. Damit war Körperlichkeit von vornherein unterbunden. Aber schon die ersten Töne waren sowieso kein Doom, sondern um Welten härter, schneller und rockiger gespielt als vor einem Jahr in München. Dazu fehlte dem exotischen Ort auch die Tiefe. „Zurücktreten, bitte!“ war vielmehr die Devise. Doch dem Publikum gefiel´s. Die drei Akteure, die sich vor ihrem Auftritt grundverschieden zeigten und eben in Frankfurt gelandet waren (und nach dem langen Flug in Richtung Osten einen entsprechenden Zeitzonenkater hatten), passten auf der provisorischen „Bühne“ wunderbar zusammen: Steve Moss (der die Gruppe für einen gestorbenen Freund gründete) als wortkarger, spröder Sonderling; Mike Boyne, der mit Kahlkopf und schwarzem Wallebart an einen Amish erinnerte; und Brandon Burghart, der sich als düster-grüblerischer Typ gab, und etwas an Dave Grohl erinnerte. Alle drei gingen in Aktion tierisch steil und fackelten ein 50minütiges Feuerwerk ab, das sich grob als Death Blues umschreiben ließe. Moss preschte mal um mal aggressiv nach vorn in die Meute, seine Stimme klang schmutzig-spröde wie die von Antiseen, dazu hupten und röhrten brachiale Fuzzgitarren voller Südstaatenflair, und krachten die vom roten Kaffeehaus-Kanapee (!) aus bedienten Trommeln. So brauste der Mitternächtliche Geisterzug aus der Prärie im Herzen Amerikas mit hoher Geschwindigkeit unaufhaltsam von einem Lied durchs nächste. Wie sie hießen, weiß niemand. Moss ließ mich später wissen, daß die Jungs eine „blast“ (Explosion) hatten, und er sich nicht exakt erinnern könne. Womöglich fuhr ein Zug nach Nirgendwo. Als Erinnerung verkauften die Amis Laufhosen für Frauen mit einem NO GUFF auf dem Po.
 
 

Heiliger Vitus, 15. Juni 2015