TANKARD, ACCU§ER
D-Frankfurt am Main, Batschkapp - 22. Dezember 2012
In Frankfurts oller „Batschkapp“ ging´s hoch her zum Jahresausklang. Sechshundert Metalheads, Kampftrinker und Eintrachthools hatten dort einen Tag nach Mittwinter und dem proklamierten Ende der Menschheit, und zwei Tage vor Heiligabend, für eine volle Hütte gesorgt. Nach dem Konzert im Oktober sollten sich die Anhänger von Tankard noch mal am selben Ort treffen, um beim Zusatzkonzert (auch Gegengift genannt) das Weihnachtsfest mit Trinken, Johlen und Rempeln auf ganz eigene Art einzuläuten. Die Batschkapp war erneut seit Wochen ausverkauft. Die von uns´rem neuen Heim in der Wetterau nach Frankfurt fahrende S-Bahn war voller Kuttenträger und Dosenbiertrinker. Tankard waren die Ersten, für die Peanut und ich in die Stadt gependelt sind. Zwar sind Tankard für mein Weib stets ein Tabu gewesen, ich selber wurde mit der Wiederentdeckung des Doom zum Abweichler, aber Sänger Gerre (neuerdings wieder mit Wampe) ist ein Freund von uns, Tankard ist noch eine Gruppe mit echten Werten, und so kam es zu einem Wiedersehen nach zehn Jahren in der „Kapp“. Dort lümmelte mit dem ergrauten Buffo heute ein weiterer alter Spezi hinterm Kramtisch. Neben den obligaten „Fuck X-mas“-Hemden wurden die Demo-Bänder 'Heavy Metal Vanguard' und 'Alcoholic Metal' von 1984 und 1985 in digitaler Version verschachert.
Punkt 20 Uhr stiegen die Warmbläser mit „Hello, what´s going on? We are ACCU§ER from fucking rotten Siegen“ ein. Accu$er, auch schon alte Hasen, hatte ich zur Steinzeit mal im Frankfurter „Negativ“ erlebt. Die Eintrittskarte existiert noch, die Erinnerungen sind etwas verschüttet... Zumindest können sie damals kaum so scheiße ausgesehen haben wie am heutigen Sonnabend. Rein äußerlich gingen die Vier als zeitgeistige Hardcoreler durch. Sie spielten allerdings Thrash Metal von altem Schrot mit gewissen technischen Ansätzen. Harte Gitarren trafen auf räudiges Geschrei und hin und wieder eine Melodie. Obwohl die Optik, das Gute-Laune-Geblödel und Flachwitze wie „Seid ihr gut drauf?“ etwas nervten, waren Accu§er ganz passabel. Im Endeffekt mußten sie gegen die gut geschmierte Maschinerie Tankard und eine Wand Addicts anspielen. Dabei zeigten Accu$er Haltung und schienen selber einen diebischen Spaß gehabt zu haben. Final wünschte Frontmann Thoms ein gutes 2013, gratulierte Tankard zum 30. Geburtstag, und nach fünfzig Minuten war das Vorspiel aus dem Siegerland vorbei.
 
Die Pause wurde durch Suicidal Tendencies´ „You Can´t Bring Me Down“ eingeleitet, sie ging weiter mit unzähligen Körperberührungen und ungekühltem Gerstensaft zu vier (!) Euro, und sie endete mit „Angel Witch“ von Angel Witch.
Mit „El Condor Pasa“ segelte ab 21 Uhr 15 erst ein erhabener Raubvogel vorüber (das war neu!), dann stürmten Deutschlands Methusalems im Thrash Metal die Planken... TANKARD!... und gleich mit der kompromisslos schnellen „Zombie Attack“ nahm die Schau ihren eigenen Lauf. Es fing schön an, und dann wurde es immer wahnsinniger. Spätestens als Gerre mich in der Frontreihe erspähte und per Handschlag willkommen hieß, waren Hopfen und Malz für mich verloren. Unermüdlich grinsend und die Stellungen wechselnd, droschen Geremia, Gutjahr, Thorwarth und Zissel ihren Heavy-Stoff in die Meute, und wurden von jener regelrecht durch den Saal getragen. Gerre dankte es mit einem „Dafür, daß gestern die Welt untergegangen ist, seid ihr noch ganz fit drauf! Wir scheißen darauf! - 'Slipping from Reality'.“ Unentwegt hechteten Stagediver und sonstige Lebensmüde kopfüber vom Geviert, von Weihnachten wollte sowieso keiner was wissen, viele skandierten „Schwarz-weiß wie Schnee“, der Sänger stülpte sich eine auf die Bühne gereichte Weihnachtsmannmütze über, ein Kampftrinker zerschellte auf den Stufen zur Bar, ein anderer fummelte in meinen Haaren rum. Zu der Zeit - etwa auf der Höhe von „Beermuda“ angelangt - war erst ein Drittel des Gemetzels vorbei. Doch wer war bei Tankards erstem Schulkonzert 1983? Lang, lang ist´s her... Die jungen Dinger schwächelten minimal, dafür schlich sich mit Cock Sparrers „We´re Coming Back“ eine neue Adaption ins Programm. Die Sachen aus dem späten 20. Jahrhundert gingen sowieso steil wie immer. Man wollte „Maniac Forces“ und „Space Beer“ - und man bekam sie. In der Endphase wechselten Tankard vorübergehend den unverwüstlichen Bulgaropulos am Sechssaiter ein, bevor die „Chemical Invasion“ die reguläre Spielzeit besiegelte. Beginnend mit dem Bierdieb „Alien“ leisteten die Frankfurter ab 23 Uhr dann noch Überstunden. Insgesamt wurden es 2 ¼ Stunden. „(Empty) Tankard“ besiegelte eine rasante und äußerst kurzweilige Sache.
ABSPIELLISTE ACCU§ER
(ohne Gewähr)
1. Rotting From Within
2. Repent
3. Desolate Shape
4. Who Dominates Who
5. Beneath Your Dignity
6. Escape From the Oath
7. Torn to Pieces
8. Unite / Divide
9. Fatal Vision
10. Sadistic Terror
 
ABSPIELLISTE TANKARD
Intro (El Condor Pasa)
1.Zombie Attack
2. Time Warp
3. The Morning After
4. Need Money for Beer
5. Not One Day Dead
6. Octane Warriors
7. The Beauty and the Beast
8. Slipping From Reality
9. Stay Thirsty!
10. The Metal Lady Boy
11. Beermuda
12. 666 Packs
13. Rules For Fools
14. We´re Coming Back [Cock Sparrer]
15. Maniac Forces
16. Minds on the Moon
17. Die With a Beer in Your Hand
18. A Girl Called Cerveza
19. Space Beer
20. Rectifier
21. Chemical Invasion
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22. Alien
23. Schwarz-weiß wie Schnee
24. Freibier
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25. (Empty) Tankard
In der dritten Halbzeit konnte man sich gegen Vorlage der Eintrittskarte im angrenzenden „Elfer“ bei Metal und Punk vom Band den Rest geben. Hinterm Zapfhahn stand kein Anderer als der Vokalist der verblichenen Indierocker Colourful Grey (jetzt: The Water Safety). Auch Philipp und ich erkannten uns sofort wieder. Ferner wurden ein Bretzelmann und eine scharfe Rotfüchsin gesichtet. Nach 19 Minuten in der S-Bahn, kamen wir eine halbe Stunde nach Mitternacht in der Wetterau an. Fünf Stunden zuvor hatten wir unseren Regenschirm vorm Bahnhofstunnel in den Erdboden gesteckt. In Frankfurt hätte man ihn nach paar Minuten gestohlen. Nicht so in der Wetterau.....
 
 
Heiliger Vitus, 25. Dezember 2012