SLEEPY SUN, CLIFFSIGHT
D-Frankfurt am Main, Das Bett - 25. November 2010
Eine Erlösung vom hominiden Ungeziefer, wenn auch nur für einen Abend: Mehr hatten wir von diesem Konzert nicht erwartet. Einfach mal raus, einen trinken gehen. Sleepy Sun hatten ein gemischtes Publikum aus Feierpuppen und einem Trupp St.-Pauli-Sympathisanten, überwiegend jedoch einfache Leute und Altmucker angelockt. Ungefähr fünfzig verloren sich im Fluchtpunkt „Bett“. (Wobei sich zwei Dutzend lieber draußen die Lungen vergifteten als sich die Vorgruppe anzusehen. Offenbar waren sie nach wenigen Takten bedient...)
CLIFFSIGHT hatten den Abend um 21.05 Uhr eingeläutet. Vor knapp vier Jahren hatte uns das Quartett aus Hanau mit Stoner Rock der tieferen Art begeistert. Damals stand da auch noch ein „Sänger“ hinterm Mikro. Kein begnadeter zwar, aber immerhin einer mit Seele. In der Zwischenzeit war man im Lager der Hessen dann aber mehr dem massentauglichen Stoff zugewandt. Und so präsentierten sich Cammerzell, Topitsch, Prasche und Schein mit ihrem ersten Album 'Soulful Man' heute als seifige Chorknäbchen. Wobei der Sänger eigentlich gar keine Stimme mehr hat - eher ein hyperstilisiertes Gekrächz -, und auch der Rest wie auf einer elendslangen Identitätssuche zwischen Heavy, Prog- und Psychedelic Rock wirkte. Mal machten Cliffsight einen auf Doors (die Mimik Morrisons inbegriffen), dann wieder kamen sie wie ein schrecklich fader Pink-Floyd-Verschnitt daher, und im Endeffekt dümpelte man seelenlos im Mittelmaß umher. „Letzter Song. Danach kommen Sleepy Sun. Auf die hattet ihr doch alle gewartet, oder?“ Die sarkastisch hingenölte Ansage der Schlußnummer „Quartorze“ (wenn ich´s recht verstanden habe) besagte einigen Frust. Peanut kommentierte Cliffsight als „Spülmusik“. Das Vorspiel dauerte 35 Minuten. Währenddem und in der Pause danach mußten einige Weizen dran glauben, der Kelch für Dreifünfzig.
Nachdem man sich um 22 Uhr bereits auf der Rampe gezeigt hatte - um selbige aber wieder zu verlassen (schließlich wächst mit der Spannung auch die Wichtigkeit des Auftritts), stiegen die Psych-Rocker SLEEPY SUN aus San Francisco um 22.13 Uhr endgültig in ihre Schau ein. Und gleich mit dem ersten Strahl „Open Eyes“ ging die Sonne in Gänze auf. Sleepy Sun weilten seit drei Wochen in Europa. Nach dreizehn Auftritten in sechs Ländern waren die Amis nicht nur frei von der gewaltigen Zeitverschiebung nach dem langen Flug entgegen der Sonne, sie spielten auch wie geschmiert. Aber im Grunde stehen Sleepy Sun seit 2008 sowieso fast ununterbrochen auf den Bühnen der Welt, seit 2009 sogar in einem nahezu täglichen Streifen. Nach Frankfurt waren sie ohne ihre Sirene Williams gekommen, so daß der Gesang heute allein bei Gruppenkopf Bret Constantino lag. Matt Holliman und Evan Reiss, Bassist Jack Allen und Schlagzeuger Brian Tice stellten das instrumentale Gerippe. Daß auch die Kalifornier keine Sinnstifter wurden, war mir schon vorher klar. Dafür waren Sleepy Sun aber wie eine Erscheinung aus einer fast vergessenen Zeit. Sleepy Sun brachten das Lebensgefühl der eigenen Jugend in den Siebzigern des vorigen Jahrhunderts zurück. Zeitlose Rockgitarren, die mal träumerisch, mal obskur klangen - zuweilen dröhnte sogar etwas Urdoom im Pentagram-Stil durch -, und die vor allem viele kosmische Ausflüge unternahmen, verschmolzen mit der dunkel-poetischen Stimme Constantinos zu äußerst zauberischen Melodien. Die Tatsache, daß Sleepy Sun zudem aus dem Geburtsort der Hippie-Bewegung kamen, verlieh der Darbietung obendrein auch noch eine ganz spezielle Glaubwürdigkeit. (Dabei waren Sleepy Sun jedoch keine bekiffen Gammler, sondern äußerst aufgeweckte und geistreiche Zeitgenossen.) „Marina“ leitete den Untergang der Sonne ein, und nach der Verlängerung „Sandstorm Woman“ hatte sich der Feuerball aus dem „Golden State“ um 23.16 Uhr schlafengelegt. Sleepy Sun waren schön...
 
... aber im trüben Herbstlicht hatte uns Frankfurt wieder.
 
 

Heiliger Vitus, 1. Dezember 2010
.:: ABSPIELLISTE SLEEPY SUN ::.
1. Open Eyes
2. Horses
3. White Dove
4. Red/Black
5. Toys
6. New Age
7. Wild Machines
8. Marina
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9. Sandstorm Woman