SHITSHIFTER, QUALLUS, WEICHE
D-Frankfurt am Main, The Cave - 23. September 2017
Mit dem Herbstanfang schenkte uns das „Cave“ nach langer Zeit wieder mal ein doomiges Ritual unter der Erde von Frankfurt. Die Sludger Quallus waren Frl. Peanut und mir von Sachsen nach Hessen gefolgt - Quallus aus Leipzig; wir wenige Tage davor aus Dresden. Während „Mainhattan“ dank der großen Automobilausstellung IAA an diesem Wochenende vor feierndem Yuppie- und Schickimickigesindel nur so wimmelte, gab sich das Gewölbe unter der Brönnerstraße mitten im Zentrum von Frankfurt am Main wie ausgestorben. Zumindest beim Einlaß ab um neun... Unter den Anwesenden weilte ein Bekannter aus Alzey, der ein ebenso bekanntes Shirt mit dem Rückenauftrug „Rotterdoom“ trug...
In Gestalt von WEICHE bestritten drei gestandene Männer aus der Frankfurter Subkultur den Auftakt. Beide Gitarristen betreiben eine kleine, kultige Plattenfirma: Viersaiter und Vokalist Matze Wittwer Streaks Records mit so illustren Kommandos wie den Finnland-Doomern Caskets Open und Frankreichs Ufo Gestapo; Sechssaiter Sif Dishes (benannt nach Sid Vicious) das D.I.Y.-Label Abekeit. Daneben war Sif Dishes Mitgründer der Mathcoreler Pornoheft, die von 2002 bis 2010 existierten. Komplettiert wurden Weiche durch den stoischen Schrank Niels hinterm Schlagzeug. Niels verriet mir auch, daß der Gruppenname „Weiche“ frei auslegbar sei. Ebenso offen zeigte sich die stilistische Ausrichtung. Denn mit ihren geschrammelten Trossen, stöhnenden Bässen, wuchtigen Trommeln und den heiser hingeröchelten Wortfetzen - „Halt die Fresse“ bestand nur aus dieser drei Mal wiederholten Zeile - rangierten Weiche sehr lebendig und fintenreich zwischen Sludge, Crust und Noise hin und her. EyeHateGod waren im Spiel, etwas Crowbar, Amebix wurde offen verehrt, dazu schimmerte Sifs Vergangenheit mit Pornoheft durch. Kurzum: Weiche hatten Beides, waren drängend Schnell und doomig Langsam. Die gut gesetzten Wendungen hielten die Darbietung auch ordentlich in Bewegung. Ach ja: Weiche haben ihr brandneues, mit antiquierten Mitteln aufgenommenes Albumdebüt zelebriert. Ich sag nur: der pure Untergrund! Eine dunkle Wucht!
Halb elf machte eine starke Verwirrung die Runde. Denn plötzlich stand der eigentliche Hauptakt auf der Bühne. Auf Geheiß der Chefin vom Dienst war das Drehbuch geändert worden. In ihren Augen wären die Sludge-Doomer QUALLUS kein guter Übergang zur anschließenden Party gewesen... Quallus waren ganz einfach zu groß fürs Cave. Das begann schon mit der Aufstellung. Denn zu fünft passten Otti, Lachi, Wypior, Röhr und Nestler überhaupt nicht aufs Geviert. Sodaß der Vokalist die komplette Schau im Publikum stehend durchzog. Dazu kam der künstlerische Gesichtspunkt. Quallus waren so was wie die neuen Black Shape of Nexus respektive ein weiteres Kommando aus der dritten oder vierten Generation des Doom. Mit ihrem Konglomerat aus funeralig schleppenden, dunkel dröhnenden Apparillos und dem stark kontrastierenden, endzeitlich spröden Gekeif, sprengten die Schallwellenreiter aus Sachsen jede Dimension in der Höhle unter Frankfurt. Über allem thronte die Zwanzig-Minuten-Parabel „Versus“, die durch ihre trauernden - an While Heaven Wept erinnernden - Gitarren einen ganz speziellen Reiz erfuhr. Leider hemmte die Enge des Raums jede Körperlichkeit. Damit kam´s bei Quallus zwar zu keinem „Heureka“-Effekt, aber ein einmaliges Doom-Ritual war dies allemal! Daß hinter Quallus ganz schlichte und ehrliche Menschen standen, zeigte sich im Anschluß beim Andenkenerwerb. Denn für die originell aufgemachte Mini-CD 'Versus', das grau eingefärbte Vinyl vom Vorgängerprojekt DeZafra Ridge, nebst einem Flaschenöffner, verlangten die Jungs gerade mal acht Euro. Wir sind sehr gespannt auf das, was kommt!
Den ganzen Abend war mir ein hagerer Mensch mit Scheitel, Schnurrbart, Behemoth-Jacke und argwöhnischem Blick aufgefallen. Zwanzig Minuten vor Mitternacht stand der große Blonde als Frontmann von SHITSHIFTER auf den Planken. Mit seinen knallharten, schnellen Instrumenten (zum Einsatz kam das gleiche Gitarrenmodel wie bei Weiche), und seinen infernalischen Schreien, spielte der zum „Rausschmeißer“ beförderte Dreizack aus Bielefeld einen Mathcore-Stiefel, der von Quallus´ Zeitlupenmaterial nicht weiter entfernt sein konnte. Zu allem Übel kam die Überschneidung mit der für 23.30 Uhr angesetzten Tanzveranstaltung der „HörRaumRockaz“. Ab halb zwölf strömten sexy aufgeplusterte Puppen und schleimige, geradezu grotesk balzende Gockel ins „Cave“. Mit der unsagbaren Vermischung der entgegengesetzten Völkchen aus Konzertbesuchern und Diskogängern war erstens der Auftritt von Shitshifter ruiniert; und zweitens der letzte treue Anhänger aus der Doomkultur vertrieben. Ein besoffener Engländer in historischem Uniformrock schändete den Auftritt sogar als Karaoke-Schau.
 
Die bis sonntagmorgens um sieben auflegenden DJs Astronaut und Mr. Orange (HörRaumRockaz) waren natürlich geschenkt. In Erinnerung blieben zwei superschöne Stunden mit Weiche und Quallus im Cave.
 
 

Heiliger Vitus, 26. September 2017
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
WEICHE
(21.14-21.54)
1. Guten Tag
2. Halb wach
3. Wesen
4. Verformt
5. Verpuzzelt
6. Eiter
7. Falscher Dampfer
8. Halt die Fresse
9. Neuer
10. Verblüht
 
QUALLUS
(22.28-23.15)
Versus, Rest unbekannt
 
SHITSHIFTER
(23.41-0.11)
1. Worth it
2. Kings or Queens
3. Scavengers
4. Metallica
5. Blackshifter
6. Lichtgestalt
7. The Guilt Trip
8. Deriding the Herd
9. Nothing in Common
10. Shit Shepherd